Politik

Verbot von Atomwaffen "Dieser Vertrag ist ein erster Schritt"

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Am vergangenen Dienstag testete Nordkorea eine Interkontinentalrakete.

(Foto: AP)

Mehr als 130 Staaten haben bei den Vereinten Nationen in New York einen Vertrag ausgehandelt, der Atomwaffen verbietet. Der Haken: Die Staaten, auf die es ankommt, haben nicht teilgenommen. Auch Deutschland nicht.

n-tv.de: Rund 130 Länder haben sich auf ein Abkommen geeinigt, das ein Verbot von Atomwaffen vorsieht. Wie ist es dazu gekommen?

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Xanthe Hall (l.) ist Abrüstungsexpertin der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und hat die Atomwaffenverbotsverhandlungen in New York begleitet.

(Foto: Thea Mjelstad / IPPNW)

Xanthe Hall: Seit vielen Jahren gibt es einen Stillstand in der Abrüstung. Die Länder, die jetzt ein Verbot aushandeln, sind allesamt Staaten, die keine Atomwaffen besitzen. Sie fühlen sich jedoch durch die katastrophalen humanitären Folgen dieser Massenvernichtungswaffen bedroht. Da sie die nukleare Abrüstung in anderen Gremien nicht vorantreiben konnten, haben sie einen neuen Weg für die Abschaffung von Atomwaffen gesucht: als ersten Schritt einen Verbotsvertrag. Der UN-Resolution zur Aufnahme der Verhandlungen gingen drei humanitäre UN-Konferenzen voraus, die die Konsequenzen von Atomwaffeneinsätzen erstmals umfangreich untersucht haben.

Die Staaten, die Atomwaffen besitzen, haben an den Verhandlungen gar nicht erst teilgenommen. Was bringt ein solcher Vertrag, wenn nur Staaten ihn unterschreiben, die ohnehin keine Atomwaffen haben?

Es geht hier zunächst um die Delegitimierung der nuklearen Abschreckung als Mittel der Politik. Der Einsatz von Atomwaffen ist undenkbar, weil die Folgen auf Mensch und Umwelt katastrophal, unumkehrbar, global und langfristig sind. Doch manche Staaten planen das Undenkbare, um andere abzuschrecken. Diese Situation ist unhaltbar, da sie das Risiko in sich birgt, dass Atomwaffen eingesetzt werden. Die Ächtung der Atomwaffen durch Zweidrittel der Staaten bildet eine völkerrechtliche Norm und setzt die Atomwaffenstaaten unter Druck, die Abrüstung voranzutreiben. Erfolge aus anderen Verbotsvertragsprozessen, zum Beispiel bei Landminen und Streumunition, zeigen: Eine begrenzte Anzahl von Staaten geht voran, aber später treten auch die Besitzerstaaten bei.

Auch Deutschland hat an den Verhandlungen nicht teilgenommen. Warum nicht?

Offiziell hat die Bundesregierung dies damit begründet, dass die Verhandlungen keinen Sinn machen würden, wenn die Atomwaffenmächte nicht teilnehmen. Zudem bevorzugen sie den "Schritt für Schritt"-Ansatz, das heißt Russland und die USA sollen ihre Atomwaffen zuerst weiter reduzieren.

Und inoffiziell?

In einem internen Nato-Papier vom Oktober 2016 haben die USA ihre Bündnispartner aufgefordert, gegen ein Atomwaffenverbot in den UN zu stimmen und die Verhandlungen zu boykottieren. US-Atomwaffen sind auch in Deutschland stationiert. Das ist nach dem neuen Vertrag verboten. Die Atomwaffen müssten also aus Deutschland abgezogen werden, wenn Deutschland dem Vertrag beitreten will.

Die Niederlande sind auch Nato-Mitglied, haben aber eine Delegation nach New York geschickt. Warum?

Die Zivilgesellschaft hat das niederländische Parlament durch öffentlichen Druck überzeugt, dass die Niederlande an den Verhandlungen teilnehmen sollten. In Deutschland hat die Große Koalition dies abgelehnt, obwohl viele SPD-Abgeordnete eine Teilnahme befürwortet haben. Gemäß einer aktuellen Umfrage wollten 75 Prozent der Befragten, dass die Bundesregierung mitverhandelt, einschließlich CDU/CSU- und SPD-Anhängern.

Im Oktober hieß der US-Präsident noch nicht Trump, sondern Obama. Hat sich durch den Regierungswechsel in Washington aus Ihrer Sicht etwas verschlechtert?

Insgesamt ist die Weltlage unberechenbarer geworden. Trump vertritt keine klare Linie. Auf der einen Seite findet er Atomwaffen schlecht, auf der anderen will er nuklear aufrüsten. Auf Nordkoreas Drohungen reagiert er selbst mit atomaren Drohungen und eskaliert die Situation, statt politische Lösungen zu suchen. Die Gefahr eines atomaren Einsatzes ist deutlich gewachsen. Es ist daher besser, wenn wir den Einsatz und die Drohung mit Atomwaffen komplett verbieten.

Bisher haben weder die internationale Gemeinschaft noch die USA einen Weg gefunden, um Nordkorea zu überzeugen, das Atomprogramm einzustellen. Was wäre Ihr Vorschlag?

Man sollte auf den Wunsch Nordkoreas nach einem Friedensvertrag ernsthaft reagieren. Der Weg zu Deeskalation und Dialog muss von beiden Seiten geebnet werden. Die Einigung mit dem Iran bezüglich des Atomprogramms zeigt doch, dass es immer möglich ist, politische Lösungen für Konflikte zu finden. Dazu muss aber der politische Wille vorhanden sein.

Im Übrigen hat Nordkorea für den Verbotsprozess gestimmt, nimmt aber nicht an den Verhandlungen teil mit der Begründung, dass die USA nicht dabei sind. Ein deutliches, glaubhaftes Zeichen zur kollektiven Abrüstung könnte Nordkorea langfristig auch dazu bringen, die Atomwaffen abzurüsten und sich wieder in die internationale Gemeinschaft einzubinden. Dies erfordert allerdings Geduld, diplomatisches Geschick und vor allem Vertrauen. Der Verbotsvertrag ist ein Anstoß für diesen Prozess.

Mit Xanthe Hall sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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