Taliban-Telefonat abgehört Drohung gegen Deutschland
09.10.2002, 07:06 UhrOsama bin Laden ist nach Erkenntnissen des afghanischen Geheimdienstes am Leben und in Afghanistan aktiv. Er wolle die politische Situation in Afghanistan in den kommenden Wochen destabilisieren, erklärten Geheimdienstkreise.
Am Wochenende sei ein über Satellitentelefon geführtes Gespräch zwischen Talibanführer Mullah Mohammed Omar und seinem früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten Maulwi Abdul Kabir abgehört worden. Darin seien bin Laden und dessen Stellvertreter Ajman el Sawahri zwar nicht namentlich erwähnt worden. Die Unterredung deute aber darauf hin, dass beide noch lebten.
In dem Telefonat habe Mullah Omar erklärt, in den nächsten eineinhalb Monaten werde in Afghanistan etwas geschehen, das die Lage dort verändern werde. Er habe sich dabei auf "unsere Wohltäter" und "die Scheichs" bezogen, was Umschreibungen für bin Laden und el Sawahri seien. "Den Scheichs geht es gut, sie fragen nach dir", soll Omar gesagt haben.
Drohungen gegen Deutschland und Frankreich
Ein Mann, bei dem es sich möglicherweise um el Sawahri handelt, drohte unterdessen in einer Tonbandaufzeichnung Anschläge gegen Deutschland und Frankreich an. Das Band wurde am Dienstag von dem arabischen Nachrichtensender El Dschasira ausgestrahlt.
"Wir haben einige Botschaften an Amerikas Verbündete geschickt, damit diese ihre Beteiligung an dessen Kreuzzug beenden. Die Mudschaheddin-Jugend hat bereits Botschaften nach Deutschland und Frankreich geschickt. Wenn jedoch diese Dosen nicht genug sein sollten, sind wir mit Allahs Hilfe bereit, weitere Dosen zu injizieren", war auf dem Band zu hören.
Im Mai waren in Pakistan elf Franzosen bei der Explosion eines Busses getötet worden. Im April kamen bei einem Anschlag auf eine Synagoge in Tunesien 21 Menschen ums Leben, darunter 14 deutsche Touristen.
Die betreffende Stimme sagte weiter, bin Laden sei am Leben und bei guter Gesundheit. Ein Redakteur der in London ansässigen arabischen Zeitung "El Kuds el Arabi", der el Sawahri in der Vergangenheit interviewt hatte, erklärte, die Stimme klinge authentisch. Es war unbekannt, wann die Aufnahme gemacht wurde, vermutlich entstand sie aber nach dem 1. Juli. Das Band ist eine Produktion der As-Sahaab-Stiftung für Islamische Medien, die bereits früher mit El-Kaida-Material an die Öffentlichkeit getreten war.
Erst am vergangenen Sonntag hatte El Dschasira ein Tonband ausgestrahlt, auf dem bin Laden zu hören sein sollte. In US-Geheimdienstkreisen hieß es, bei der Stimme handele es sich offenbar tatsächlich um die bin Ladens. Allerdings blieb unklar, wann die Aufnahmen gemacht wurden.
Dem Bundeskriminalamt liegen nach eigenen Angaben keine konkreten Hinweise auf neue Anschlagspläne der El-Kaida vor. Es gebe gegenüber der Lageeinschätzung der vergangenen Wochen keine Veränderungen, sagte ein BKA-Sprecher am Mittwoch. Demnach gibt es keine Anhaltspunkte für ein mögliches Ziel oder einen möglichen Zeitpunkt terroristischer Anschläge.
Quelle: ntv.de