Streit um EU-weiten Fonds Druck auf Deutschland wächst
08.10.2008, 16:21 UhrFrankreich und die EU-Kommission drängen die 27 EU-Staaten hartnäckig zu einem koordinierten Eingreifen zur Bewältigung der Finanzkrise. Jeder müsse einsehen, dass gemeinsames Vorgehen bessere Erfolgsaussichten im Kampf gegen die Krise habe, sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Evian. "Nach und nach wird diese Koordination aufgebaut."
Sarkozy als amtierender EU-Ratsvorsitzender hat inzwischen nach Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi auch den britischen Premierminister Gordon Brown auf seiner Seite. Von den vier großen EU-Ländern, die am Samstag noch die Notwendigkeit nationaler Lösungen betont hatten, sperrt sich nur Deutschland gegen eine europaweite Hilfsaktion für die Banken.
Bisher ist die Linie der EU, dass jede Regierung allein mit ihren Steuergeldern Rettungsringe für Banken auswerfen kann, die EU-Länder sich aber absprechen wollen. Die viel beschworene enge Koordination hat bisher allerdings nur magere Ergebnisse gezeitigt. Eine EU-weite Hilfsaktion für die unter Druck stehenden Banken kam nicht zustande. Frankreich, Italien und die Niederlande unterstützten eine solche Initiative.
Großbritannien fordert "europäisches Finanzierungsprogramm"
Brown, der wie Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen ein Rettungspaket nach US-Vorbild war, brachte nun ein "europäisches Finanzierungsprogramm" ins Spiel. Dies habe er den europäischen Partnern vorgeschlagen. In britischen Regierungskreisen hieß es, dabei gehe es um staatliche Garantien für Interbanken-Kredite. Brown werde das auch im Kreis sieben wichtigsten Industrieländer (G7) fordern. Die Kreditklemme, die durch das Misstrauen der Banken wegen drohender Verluste mit US-Ramschhypotheken seit mehr als einem Jahr herrscht, ist das Hauptproblem in Europa.
Sarkozy erweckte unterdessen den Eindruck, die EU stehe kurz vor einer gemeinsamen Aktion zur Krisenabwehr. "Frankreich und die europäische Präsidentschaft arbeiten an dieser globalen, koordinierten Antwort", sagte Sarkozy in Evian. "In den kommenden Stunden werden wir konkrete Ergebnisse haben." In Brüssel weckte Kommissionssprecher Johannes Laitenberger Erwartungen. Er verwies auf die Rede von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und sagte mit Blick auf Browns Anstoß: "Die Arbeiten laufen."
Doch Barroso kündigte dann keine neuen Initiativen an, sondern brachte seinen Unmut über das Nebeneinander in der EU zum Ausdruck. Es gebe zwar gemeinsame Erklärungen und die jüngsten Vereinbarungen der EU-Finanzminister. "Aber ich bin noch nicht zufrieden, wir können und wir müssen mehr tun", sagte Barroso bei einer Aussprache zur Finanzkrise im Europäischen Parlament. "Ich dränge die Mitgliedsstaaten zu echten Anstrengungen bei der Koordination."
Sarkozy sauer auf Merkel
Unterdessen wurde bekannt, dass Sarkozy über Merkel wegen ihres Verhaltens beim Pariser Krisengipfel am vergangenen Samstag höchst verärgert ist. Laut französischem Enthüllungsblatt "Le Canard Enchan" sagte Sarkozy über die geringe Wirkung des Treffens: "Das ist vielleicht ein Fehlschlag, aber es ist nicht meiner. Es ist der von Merkel. Sie hat gesagt: Jeder soll sich um seinen eigenen Mist kümmern, und dann hatte sie selbst das Debakel mit Hypo Real Estate am Hals und die Bank mit 50 Milliarden Euro retten."
Ohne Bezug auf den Artikel zu nehmen, versicherte Sarkozy am Nachmittag, dass es mit Deutschland keine Probleme gebe. "Unsere Uhren zeigen dieselbe Zeit an", sagte der Präsident im ostfranzösischen Evian. "Wie praktisch jeden Tag" habe er am Mittwoch mit Merkel über die Finanzkrise gesprochen. "Für mich ist die Freundschaft und Solidarität zwischen Frankreich und Deutschland absolut wesentlich", sagte der Präsident. "Wir arbeiten Hand in Hand."
Blaesheim-Treffen am Samstag
Am kommenden Samstag soll Merkel zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen nach Paris kommen. Sie will gemeinsam mit Sarkozy eine 22 Millionen teure Gedenkstätte für den früheren Staatspräsidenten Charles de Gaulle in Colombey-les-Deux-glises bei Paris eröffnen. Nach Angaben von Diplomaten handelt es sich um ein Treffen im Rahmen des Blaesheim-Prozesses. Dieser sieht seit 2001 informelle Treffen der Staats- und Regierungschefs und der Außenminister beider Länder im Abstand von sechs bis acht Wochen vor. Seit Sarkozys Amtsübernahme wurden diese Treffen bereits mehrfach wegen Missstimmigkeiten verschoben.
Quelle: ntv.de