Koordiniert, aber nicht einheitlich EU bei Terror-Warnung uneins
07.10.2010, 18:53 Uhr
Er soll ein mögliches Ziel von Terroristen sein: Der Eiffelturm in Paris.
Die unterschiedliche Einschätzung der terroristischen Gefahr für Europa führt zwischen den USA und der EU zum Streit. Einige Länder werfen den USA vor, zuwenig Informationen weiterzugeben. Auf ein EU- einheitliches Warnsystem können sich die Innenminister jedoch nicht einigen. Zumindest sollen Terrorwarnungen in Zukunft besser abgestimmt werden.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen ihre Terrorwarnungen künftig besser abstimmen. Darauf einigten sich die EU-Innenminister nach einem Treffen mit der stellvertretenden US-Heimatschutzministerin Jane Holl Lute in Luxemburg. Damit soll eine Verwirrung der Bürger wie nach dem jüngsten Reisealarm der USA für Europa vermieden werden. "Wir wollen informieren, ohne die Bevölkerung zu ängstigen", sagte die belgische Innenministerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende Annemie Turtelboom nach dem Treffen.

Annemie Turtelboom fordert die EU zu einer besseren Abstimmung bei Terrorwarnungen auf.
(Foto: REUTERS)
Ein einheitliches Warnsystem bekommt Europa aber trotz aktueller Terrorgefahr nicht. "Die Bedrohungslage ist in allen Ländern unterschiedlich", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Ein einheitlicher Alarm werde daher nicht allen gerecht.
Bei dem Treffen sagte Lute, die terroristische Bedrohung für Europa sei real und bestehe weiterhin. Einige EU-Länder werfen den USA vor, bei der pauschalen Warnung vor möglichen Terroranschlägen in Europa die EU-Regierungen zu wenig informiert zu haben. "Es wurden keine Quellen genannt", sagte de Maizière.
Keine Vertrauenskrise
Zuvor hatte Europa verärgert auf die pauschale Warnung der Amerikaner vor möglichen Terroranschlägen in Europa reagiert. "Ich glaube, es ist sehr wichtig, mehr Informationen zu bekommen, denn es ist das erste Mal, dass die USA eine Reisewarnung für ganz Europa gegeben haben", sagte Turtelboom. Sie verlangte mehr Kontakte zwischen den Ministern Europas und der USA. "Im Kampf gegen Terroristen müssen wir zusammenarbeiten, denn wir sind zwei Kontinente mit einem Ziel."
Nach den Worten Turtelbooms gibt es aber in der Anti-Terror-Politik keine Vertrauenskrise zwischen den USA und Europa. "Ich glaube nicht, dass die USA denken, dass wir zu wenig tun", sagte die Ministerin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, Deutschland fühle sich bestens informiert. "Wir haben engste Kontakte auf allen Ebenen, auch auf Spitzenebene", so der Minister in Luxemburg. Man müsse sich nun auf europäischer Ebene über die verschiedenen Einschätzungen der Lage austauschen.
USA: Europa-Reisende müssen wachsam sein
Am Wochenende hatten die USA ihre Bürger wegen der Terrorismusgefahr zu Vorsicht aufgerufen. Wer als Tourist oder Geschäftsreisender nach Europa fahre, solle wachsam sein. In den US-Reisehinweisen wurden keine einzelnen Länder genannt. Die europäischen Staaten reagierten ganz unterschiedlich: Während Frankreich seine Sicherheitsvorkehrungen verstärkte und die Bevölkerung bat, wachsam zu sein, warnte der deutsche Bundesinnenminister warnte vor Panikmache.
Der Reisehinweis der USA dürfe nicht überinterpretiert werden. "Es ist nicht ein Reisealarm, sondern ein Reisehinweis", sagte de Maizière in Luxemburg. "Dieser Unterschied ist in Deutschland ein bisschen untergegangen." In einer Reisewarnung würde von Reisen nach Europa gänzlich abgeraten - dies war aber nicht der Fall. Auch Deutschland hat nach Worten des Ministers für eine Reihe von Staaten der Welt solche Hinweise herausgegeben. "Das hat mit der inneren Arbeit der Dienste und der Vorbeugung von Terroranschlägen so zunächst nichts zu tun."
Terroristen in die Ecke gedrängt

"Al-Kaida hat immer die Absicht, Anschläge großen Ausmaßes zu verübern", sagt Gilles de Kerchove.
(Foto: REUTERS)
Der Antiterror-Koordinator der Europäischen Union, Gilles de Kerchove, bezeichnete die Gefahr von Anschlägen in europäischen Metropolen als "real". "Die generelle Bedrohung ist in jüngster Zeit nicht gesunken." Al-Kaida und andere islamistische Gruppen seien immer noch sehr aktiv und hätten das Ziel, schwere Attentate zu verüben. Der Druck auf diese Gruppen wachse mit Spezialeinsätzen der Amerikaner in Afghanistan und Pakistan. "Man könnte sagen, da sie in die Ecke gedrängt werden, müssen sie ihr Ansehen wiederherstellen", sagte de Kerchove.
Europa dürfe sich nicht in Sicherheit wiegen. "In den vergangenen Jahren gab es in Europa keine Attacken mehr, weil die Geheimdienste sehr gut gearbeitet haben - aber nicht, weil es keine Bedrohung mehr gab." Die letzten großen Terroranschläge in Europa liegen schon Jahre zurück. 2004 starben bei Bombenattentaten auf Vorortzüge in der spanischen Hauptstadt Madrid 191 Menschen. 2005 kamen in London bei Selbstmordanschlägen in der U- Bahn 56 Menschen ums Leben. Nach Madrid hatte die EU den Posten des Anti-Terror-Koordinators geschaffen.
EU-Staatsbürger bereiten Sorgen
De Kerchove sagte, dass vor allem die Dschihadisten Sorgen bereiten würden, die aus Europa oder den USA stammen. "Da sie den Pass eines EU-Mitgliedslandes haben sind sie auf dem Radar von Polizei und Geheimdiensten nicht leicht zu erkennen." Aus Deutschland seien rund 200 terrorbereite Islamisten nach Afghanistan und Pakistan gegangen, wo sie in Camps geschult wurden. Von ihnen seien nach Erkenntnissen des Geheimdienstes etwa 70 zurückgekommen. "Das zeigt die Gefahr."
De Kerchove forderte von den EU-Mitgliedsstaaten eine engere Zusammenarbeit im Anti-Terrorkampf. Zum Schutz der inneren Sicherheit sollten die Datensätze von Flugreisenden im Kampf gegen den Terrorismus an andere Staaten weitergegeben werden. Über entsprechende Abkommen mit Australien, Kanada und den USA wird derzeit verhandelt; das Europaparlament hat aber Datenschutz- Bedenken. Ein besserer Grenzschutz sowie die jüngst im Swift-Abkommen vereinbarte Weitergabe von Daten europäischer Bankkunden an die USA könnten helfen.
Quelle: ntv.de, lgo/AFP/dpa