Politik

Gegen die Rezession EU gibt 200 Milliarden

Im Kampf gegen die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs endgültig auf ein Konjunkturpaket von 200 Milliarden Euro verständigt. "Europa hat seine Handlungsfähigkeit bewiesen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. "Es geht uns darum, Arbeitsplätze zu erhalten und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen."

"Wir haben uns auf ein ehrgeiziges Konjunkturprogramm geeinigt", sagte der britische Premier Gordon Brown. Damit folgen die 27 EU-Staaten dem Vorschlag von Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso. Zur Ankurbelung der Konjunktur sollen rund 1,5 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung aufgebracht werden, was etwa 200 Milliarden Euro entspricht. "Die EU ist bereit, gemeinsam gegen den weltweiten Abschwung in ehrgeiziger und abgestimmter Weise zu reagieren", so Brown. Frankreichs Pläne für ermäßigte Mehrwertsteuersätze brachte Deutschland indes zu Fall.

Ehrgeiziges Programm

Das Programm ist in Europa beispiellos. Der luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker sagte, es sei eine starke wirtschaftspolitische Antwort auf die Krise nötig. Die Eurozone mit den 15 Ländern der Gemeinschaftswährung steckt seit dem Herbst in einer Rezession.

Mit 170 Milliarden Euro sollen die EU-Staaten den Löwenanteil des Pakets stemmen. Es wird dazu kein neuer EU-Topf eingerichtet. Die nationalen Programme - wie das deutsche - werden in Brüssel angerechnet. Berlin hat bisher ein Paket mit einem Umfang von 32 Milliarden Euro aufgelegt.

"Prinzip Werkzeugkiste"

Es habe in der Gipfel-Runde eine Diskussion "in epischer Breite" über das Konjunkturprogramm gegeben, sagte Juncker. Einzelne Punkte des Programms waren in Mitgliedstaaten auf Widerstand gestoßen, beispielsweise die Idee der Kommission für Senkungen der Mehrwertsteuer zum Anheizen des Konsums. Nur Großbritannien kündigte bisher eine zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer an.

Das EU-Programm beruht auf dem Prinzip einer "Werkzeugkiste". Aus der darf jedes Land die Instrumente nehmen, die es zur Ankurbelung der Wirtschaft für richtig hält. 30 Milliarden Euro sollen aus dem EU-Haushalt und von der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg kommen. Die Eurozone registrierte im zweiten und dritten Quartal ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt (BIP) und steckt deshalb in einer Rezession. Für das kommende Jahr wird in der Kommission im Eurogebiet mit bald 16 Staaten eine schrumpfende Wirtschaft erwartet. Eine neue offizielle Prognose soll Mitte Januar vorgelegt werden.

Deutschland verhindert Mehrwertsteuersenkung

Vor allem auf deutschen Druck hin hat der EU-Gipfel darauf verzichtet, den Mitgliedstaaten eine neue Tür zu nationalen Mehrwertsteuersenkungen zu öffnen. Wie Diplomaten am Rande der Konferenz berichteten, wurde ein entsprechender Satz in der Abschlusserklärung umformuliert. "Wir haben darüber heute keine Beschlüsse gefasst", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Frage über mögliche Nachlässe für einzelne Branchen wie etwa das Hotel- und Gaststättengewerbe sei an die Finanzminister verwiesen worden, die sich im März damit befassen würden. "Wir werden konstruktiv an die Sache herangehen, aber natürlich auch die deutschen Interessen wahren", fügte Merkel hinzu.

Die französische EU-Ratspräsidentschaft hatte vorgeschlagen, dass Mitgliedstaaten bei arbeitsintensiven Dienstleistungen - dazu zählt Paris unter anderem die Gastronomie - dauerhafte ermäßigte Mehrwertsteuersätze anwenden könnten. Die französische Regierung verspricht sich davon die Schaffung tausender neuer Arbeitsplätze. Frankreich war damit aber stets am Widerstand Berlins gescheitert. Im Gipfelentwurf waren die möglichen Ermäßigungen zunächst im Bereich der EU-Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise aufgenommen worden.

Berlin ist in der EU seit langem ein strikter Gegner von ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück fürchtet Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe. Im September hatten die EU-Finanzminister eine von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy geforderte Senkung der Mehrwertsteuer in Restaurants auf Druck Deutschlands abgelehnt.

Der Mindestsatz für die Mehrwertsteuer ist in der EU 15 Prozent. Falls Mitgliedstaaten diese Schwelle unterschreiten wollen, muss dies in der EU einstimmig gebilligt werden.

Deutsche Industrie begrüßt Programm

Der Hauptgeschäftsführer des deutschen Wirtschaftsverbandes BDI, Werner Schnappauf, sagte in Berlin: "Die deutsche Industrie begrüßt die Einigung der Staats- und Regierungschefs zum EU-Konjunkturpaket." Dieses sei ein wichtiger Beitrag, "um Europa wieder auf den Wachstumspfad zu bringen".

Quelle: ntv.de

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