Die Büchse der Pandora EU lässt Lücke für Klonfleisch
22.06.2009, 10:15 Uhr
Das sind noch echte Originale. Im Falle einer künstlichen Kopie soll aber auch deren Verzehr erlaubt sein.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Als britische Forscher 1997 das Klonschaf Dolly präsentierten, war die Empörung bereits groß. Nun ist der Glaubenskrieg um Klontiere voll entbrannt. Konkret geht es um die Frage: Darf das Fleisch von Dollys Nachkommen europäischen Verbrauchern zum Verzehr aufgetischt werden?
Stein des Anstoßes ist ein einstimmiger Beschluss der EU-Agrarminister vom Montag in Luxemburg. Danach soll die geltende Verordnung über neuartige Lebensmittel künftig nicht nur Klontiere umfassen, sondern erstmals auch das Fleisch und die Milch von deren Nachkommen. Die Vermarktung dieser Produkte wird verboten, es sei denn, diese werden nach einem aufwändigen Verfahren zugelassen.
Für Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) schließt sich damit eine Gesetzeslücke. Denn bisher durften die Produkte von Dollys Nachkommen in der EU theoretisch vertrieben werden. Aigner spricht deshalb von einer "deutlichen Verschärfung geltenden Rechts".
Für Verbraucher- und Tierschutzverbände öffnen die Agrarminister dagegen die Büchse der Pandora. "Klonfleisch darf den Verbrauchern nicht untergejubelt werden", protestiert der Berliner Verein Foodwatch. Der Bundesverband der Tierversuchsgegner wirft Ministerin Aigner sogar "Wahlbetrug" vor. CDU und CSU hätten noch vor der Europawahl vor zwei Wochen versichert, das Klonen von Tieren zur Lebensmittelerzeugung abzulehnen, kritisiert der Verbandsvorsitzende Kurt Simons.
"Ein bis zwei Jahre"
"Die Aufregung ist nicht gerechtfertigt", sagt ein EU-Diplomat. "In den kommenden ein bis zwei Jahren wird Klonfleisch ohnehin nicht auf den Tellern der Verbraucher landen." Das ist zweifelsohne richtig. Bisher ist die Vermarktung von Klonprodukten nur in den USA erlaubt. Und kein einziger US-Konzern hat eine Erlaubnis beantragt, das Fleisch oder die Milch von geklonten Schafen oder Kühen in Europa zu verkaufen.
Welche Sprengkraft der EU-Beschluss vom Montag haben könnte, zeigt aber das Beispiel gentechnisch veränderter Pflanzen, bei denen die Vermarktung viel weiter fortgeschritten ist. Um die Erlaubnis für Genkartoffeln, Genmais oder Gensoja wird in Europa seit Jahren erbittert gestritten. Die Zulassung von Klonfleisch würde nach dem gleichen Modell erfolgen. Auch Agrarministerin Aigner setzte sich im Frühjahr in die Nesseln, als sie gegen den Willen ihrer bayerischen CSU - zu Versuchszwecken - den Anbau der Genkartoffel Amflora des BASF-Konzerns bewilligte.
Nun muss zunächst das neu gewählte Europaparlament über die umstrittenen Klonfleisch-Pläne beraten. Hier bläst Aigner auch aus den eigenen Reihen heftiger Widerstand entgegen. "Das Europäische Parlament hat sich mit breiter Mehrheit gegen Klonfleisch ausgesprochen, und wird dies auch in der zweiten Lesung tun", erklärt der Chef der CSU-Gruppe, Markus Ferber. Im März war das Vorhaben im Parlament bereits durchgefallen.
"Aus Sicht des Europaparlaments ist es problematisch, da nur Fragen der Lebensmittelsicherheit berücksichtigt werden und nicht ethische Aspekte", sagt auch der CDU-Europaabgeordnete und Bioethik-Experte Peter Liese. Er und Tierschützer verweisen darauf, dass aus ethischen Gründen in Europa noch nie ein Produkt verboten worden ist. Für Moral ist die EU schließlich nicht zuständig.
Quelle: ntv.de, Stephanie Lob, AFP