Politik

Alles oder Nichts beim Klimagipfel EU macht Scheitern zur Option

Nur nicht wieder einen faulen Kompromiss. Das scheint die Devise der Europäischen Union auf dem Klimagipfel in Durban zu sein. Mit einem Bündnis zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sollen die Staaten unter Druck gesetzt werden, die verbindliche Klimaschutzzusagen bremsen. Dafür wird auch ein Scheitern des Gipfels in Kauf genommen.

Die Europäische Union hat beim alles auf eine Karte gesetzt und dabei auch ein Scheitern in Kauf genommen. Zusammen mit fast 100 Verbündeten erhöhte die EU den Druck durch die Forderung, dass sich auch Staaten wie die USA, Indien und China ab etwa 2015 zu klaren Klimaschutzzusagen bereiterklären müssten. Mehr als hundert Umweltaktivisten protestierten derweil auf dem Tagungsgelände gegen die Blockadehaltung einiger Regierungen.

EU-Kommissarin Hedegaard will sich nicht auf einen schwachen Kompromiss einlassen.

EU-Kommissarin Hedegaard will sich nicht auf einen schwachen Kompromiss einlassen.

(Foto: dpa)

"Wenn es nicht mehr Bewegung gibt, dann muss ich sagen, dass es keinen Abschluss geben wird", machte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard vor dem Finale in der südafrikanischen Hafenstadt klar. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Delegationskreisen erfuhr, wollte die EU einem Verschleppungsangebot nicht zustimmen, das rechtsverbindliche Zusagen zur CO2-Minderung erst ab 2020 vage in Aussicht stellt.

Die offizielle Schlussrunde der Konferenz sollte wegen der festgefahrenen Verhandlungen verschoben werden. Davor waren informelle Gesprächsrunden auf Ministerebene vorgesehen. Zuvor war ein erster Kompromissvorschlag der südafrikanischen Präsidentschaft auf breite Kritik gestoßen. An dem ersten Text hatten besonders die EU sowie die kleinen Inselstaaten kritisiert, dass darin nicht ein rechtlich bindendes neues Klimaschutzabkommen als Ziel genannt wurde.

Nicht ausgeschlossen war bis zuletzt aber auch ein Vertagen der 17. Weltklimakonferenz - als Plan B kursierte in Durban die Idee einer Fortsetzung in Bonn im kommenden Jahr. Dies hat es schon einmal gegeben, als die 6. Klimakonferenz in Den Haag 2000 scheiterte und Mitte 2001 in Bonn fortgesetzt wurde. Dort gab es dann den Bonner Beschluss zur Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls. Dieses bisher einzige bindende Klimaschutzabkommen läuft Ende kommenden Jahres aus. Aber zu ihm bekennen sich nur noch Staaten, die lediglich 15 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen ausmachen.

"Da ist einiges an Fortschritt"

Ein globales, rechtlich verpflichtendes Abkommen mit klaren Festlegungen zur Minderung beim Treibhausgas-Ausstoß bleibe das Ziel der EU, sagte Hedegaard. Auch Brasilien und Südafrika unterstützten dies nun. "Da ist einiges an Fortschritt", sagte Hedegaard. "Der Erfolg oder das Scheitern in Durban hängt ab von einigen Staaten", sagte Hedegaard weiter. Zugleich verbreitete sie weiter Hoffnung: "Eine Vereinbarung kann erreicht werden."

Geld kann man nicht essen. Das weiß auch dieser als Baum verkleidete Demonstrant.

Geld kann man nicht essen. Das weiß auch dieser als Baum verkleidete Demonstrant.

(Foto: AP)

Die Opposition und führende Umweltverbände stärkten der EU und auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen den Rücken für ihr kompromissloses Auftreten. Ein fauler oder schwammiger Kompromiss helfe dem Klimaschutz nicht weiter, betonten die SPD-Politiker Matthias Miersch und Frank Schwabe sowie die Linke-Politikerin Eva Bulling-Schröter in der südafrikanischen Hafenstadt Durban. "Röttgen tritt hier entschiedener auf als bei den beiden vorangegangenen Klimakonferenzen", so Schwabe.

Der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Olaf Tschimpke, betonte, er würde Röttgen keinen Vorwurf machen, wenn die Konferenz in Durban scheitern sollte. "Dann ist ein lauter Knall, der alle aufrüttelt, besser, als wenn man einen Prozess fortführt, der das 2-Grad-Ziel erkennbar nicht erreicht", sagte Tschimpke in Durban. Wenn es nur eine Fortschreibung des Kyoto-Prozesses gebe, würden nur noch 15 Prozent der globalen Emissionen verbindlichen Minderungszielen unterworfen. Andere Klimasünder würden sich dann nur zurücklehne, wenn nur ein solcher Kompromiss herauskomme.

Weitere Erderwärmung befürchtet

Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser sagte, der Widerstand der USA und Staaten wie China und Indien sei das Hauptproblem. Sie hätten klargemacht, "dass sie bis 2020 keine neuen Vereinbarungen wollen, und lassen offen, wie es danach weiter gehen soll", sagte Kaiser und warnt vor den Folgen: Die Erderwärmung könnte ohne Handeln um bis zu sechs Grad steigen.

Am Donnerstag hatten sich EU und ärmere Länder zu einem rund 120 der 193 Staaten umfassenden Bündnis zusammengeschlossen, um den Druck auf die großen Blockierer wie die USA, Indien und China zu erhöhen. Mit der neuen Allianz wurde die Blockbildung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufgebrochen. Gemeinsam erklärte die Allianz, dass man bereit sei zu einer zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls verbunden mit einem "starken Mandat und einem Fahrplan für einen rechtlich bindenden Vertrag".

Klimaexperte Christoph Bals von Germanwatch sagte, ein Problem für ein mögliches Einlenken Chinas sei auch, dass es dort im Frühjahr 2012 eine neue Regierung geben wird und diese nicht mit klaren Klimazusagen vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll. Sollte man in Durban nicht ausreichende Ergebnisse erzielen, sei eine Vertagungsoption auch eine Fortsetzung auf Regierungschef-Ebene. Etwa im Rahmen des UN-Umweltgipfels im Juni 2012 in Rio de Janeiro.

Die Demonstranten hielten unterdessen fast zwei Stunden lang ein Foyer nahe den Verhandlungssälen besetzt. Auf Spruchbändern forderten die Aktivisten "Klimagerechtigkeit" und "echte Emissionsziele". Der Umweltminister des Inselstaats Malediven, Mohamed Aslam, schloss sich der Kundgebung zeitweise an. Die Demonstranten begründeten ihre Aktion mit einem "planetären Notstand". "Tötet nicht Afrika" und "Hört auf das Volk", hieß es in Slogans. US-Präsident Barack Obama wurde aufgefordert, er solle "nicht auf die Banker" hören. Sicherheitskräfte hielten sich zunächst zurück, später wurde den Demonstranten angedroht, ihnen ihre Zugangsberechtigungen zum Kongresszentrum zu entziehen. Die meisten Aktivisten gingen daraufhin freiwillig.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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