Irak zählt noch aus EU moniert Wahlfälschung
12.03.2010, 21:15 UhrDer Chef der EU-Parlamentsdelegation spricht offen von Wahlfälschung im Irak, auch einheimische Politiker kritisieren die Auszählung. Die Wahlkommission weist die Vorwürfe zurück.
Im Irak mehren sich nach der Parlamentswahl die Spekulationen über angebliche Betrügereien bei der Auszählung der Wählerstimmen. Der Gesandte des Europaparlaments warf der Wahlkommission Manipulationen vor. Hochrangige Mitglieder der Kommission hätten in Bagdad absichtlich falsche Zahlen in die zentrale Wahldatenbank eingegeben, sagte der schottische Konservative Struan Stevenson. Er ist der Delegationschef des EU-Parlaments für die Beziehungen zum Irak.
Stevenson äußerte den Verdacht, die Wahlkommission wolle das Ergebnis zugunsten von Ministerpräsident Nuri al-Maliki und zum Nachteil des säkularen Parteiführers Ijad Allawi verfälschen. Zuvor hatten auch schon einzelne irakische Politiker die aus ihrer Sicht verdächtig langsame Auszählung der Stimmen kritisiert. Stevenson gilt als Unterstützer der oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin. Al-Maliki pflegt gute Beziehungen zu Teheran.
Widerspruch aus dem Irak
"Ich bin erstaunt über diese Äußerungen. Vor allem, wo hier doch während des gesamten Auszählungsprozesses eine Menge internationale und lokale Beobachter anwesend sind", sagte der Sprecher der Wahlkommission, Kassim Abbudi. Er forderte die Politiker auf, sich zurückzuhalten, und die Veröffentlichung der restlichen Ergebnisse an diesem Wochenende abzuwarten. Bei der Wahlkommission sind 1100 Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei der Wahl oder während der Stimmenauszählung eingegangen. Allawi, der Vorsitzende der Al-Irakija Liste, sagte dem TV-Sender Al-Arabija, er sei misstrauisch geworden. Die Kommission solle keine Teilergebnisse verkünden, sondern warten bis alle Ergebnisse vorliegen und diese dann detailliert veröffentlichen.
Scheich Abdul Mahdi al-Kerbelai, der zu den wichtigsten schiitischen Geistlichen des Landes gehört, sagte in seiner Freitagspredigt vor Tausenden von Gläubigen in Kerbela: "Wir hoffen, dass die Wahlkommission bei der Stimmenauszählung hochprofessionell vorgeht, so dass kein Verdacht und kein Zweifel aufkommen kann."
Kampf um Bagdad
Nach den bisher bekannten offiziellen Ergebnissen konnte sich Al-Malikis Bündnis die Mehrheit im Ostteil von Bagdad sichern, während Allawis Liste im Westteil die meisten Stimmen erhielt. Bagdad ist der wichtigste Wahlbezirk, weil dort über 68 der insgesamt 325 Sitze im Parlament entschieden wird. Al-Maliki siegte den Angaben zufolge auch in den südlichen Provinzen Babylon, Nadschaf und Muthanna. Allawis Al-Irakija-Liste hat in den nördlichen Provinzen Dijala und Salaheddin die Nase vorn. In der südlichen Provinz Missan ging der erste Platz an die Allianz der religiösen Schiiten-Parteien, die früher mit Al-Maliki verbündet gewesen war. In Erbil erhielt die Allianz der Kurdenparteien KDP und PUK die meisten Stimmen.
In der schiitischen Pilgerstadt Kerbela starben nach Augenzeugenberichten zwei Menschen, als eine Autobombe auf einem Parkplatz explodierte. Irakische Medien meldeten, in der westlichen Stadt Falludscha hätten Unbekannte das Haus eines Polizisten in die Luft gesprengt. Ein Kind des Beamten sei getötet worden.
Quelle: ntv.de, dpa