Politik

Syrien gegen Türkei EU und China warnen vor Krieg

Darstellung der Flugroute: Unstrittig ist, dass die Maschine für eine kurze Zeit in den syrischen Luftraum eindrang.

Darstellung der Flugroute: Unstrittig ist, dass die Maschine für eine kurze Zeit in den syrischen Luftraum eindrang.

(Foto: dpa)

Während bekannt wird, dass Syrien nach dem Abschuss einer türkischen Phantom noch ein zweites Flugzeug ins Visier nahm, mahnt die Welt zur Besinnung. Neben der EU findet auch China beruhigende Worte. Das Riesenreich erwartet, dass eine diplomatische Lösung für den Konflikt gefunden wird.

Eine türkische F-4 Phantom.

Eine türkische F-4 Phantom.

(Foto: dpa)

Die 27 EU-Staaten haben den Abschuss eines türkischen Phantom-Kampfflugzeugs durch Syrien als "inakzeptabel" verurteilt. Zugleich warnten sie aber vor einer militärischen Eskalation des Konflikts in Syrien. Die Minister beschlossen auch eine kleine Verschärfung der Sanktionen gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.

"Selbst wenn es eine vorübergehende Verletzung des Luftraums Syriens gegeben haben sollte, so rechtfertigt das einen solchen Abschuss nicht. Das ist unverhältnismäßig", sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. "Deeskalation ist entscheidend, bei aller Klarheit und Entschiedenheit der Verurteilung. Denn wir haben alle ein Interesse daran, dass diese Lage sich nicht weiter zuspitzt."

Auszug aus Nordatlantikvertrag

Artikel 4
Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist.

Artikel 5
Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.

Artikel 6
Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere der Parteien jeder bewaffnete Angriff

• auf das Gebiet eines dieser Staaten in Europa oder Nordamerika, auf die algerischen Departements Frankreichs, auf das Gebiet der Türkei oder auf die der Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses;

• auf die Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge einer der Parteien, wenn sie sich in oder über diesen Gebieten oder irgendeinem anderen europäischen Gebiet, in dem eine der Parteien bei Inkrafttreten des Vertrags eine Besatzung unterhält oder wenn sie sich im Mittelmeer oder im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses befinden.

Auch andere EU-Außenminister kritisierten den Abschuss des Flugzeugs, schlossen aber ein militärisches Eingreifen in den Konflikt in Syrien weiterhin aus."Dieses Flugzeug war unbewaffnet auf einem Routineflug und wurde, nach allem, was wir wissen, ohne vorherige Warnung abgeschossen", sagte der französische Außenminister Laurent Fabius. "Das ist völlig inakzeptabel." Sein britischer Kollege William Hague sagte: "Ich glaube, die Gefahr eines Zusammenbruchs in Syrien, einer sich verschlimmernden Krise, besteht weiterhin." Großbritannien dringe mit anderen Staaten mit Hochdruck auf eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates."Wir sind sehr besorgt über das, was geschehen ist", sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Die EU gehe davon aus, dass die Türkei sich bei ihrer Antwort auch weiterhin zurückhalte.

Ein militärisches Eingreifen in Syrien stehe nicht zur Debatte, sagte der niederländische Außenminister Uri Rosenthal. "Das ist nichts, was wir überlegen. Wir wollen keine Intervention, wir wollen die Umsetzung des Friedensplans des Sondergesandten Kofi Annan und Fortschritte auf dem Weg zu einem politischen Übergang in Syrien." Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, das "menschenverachtende Regime" in Syrien wisse, dass militärische Aktionen äußerst schwierig seien: "Und das wird bis zum Schluss vom Regime ausgespielt." Auch der schwedische Außenminister Carl Bildt warnte vor einer "Militarisierung des Konflikts in Syrien". Die internationale Gemeinschaft müsse eine politische Lösung finden.

China, das sich ähnlich wie Russland bislang mit scharfen Worten gegen Syrien zurückhält, mahnte zur Deeskalation. "Die gegenwärtige Situation in der Region ist extrem kompliziert und fragil", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Die chinesische Regierung hoffe, dass beide Seiten Zurückhaltung wahrten und auf diplomatischem Weg nach einer angemessenen Lösung suchten, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Eine offizielle Reaktion aus dem Kreml steht noch aus.

Aus den USA waren vorher scharfe Worte gekommen. Außenministerin Hillary Clinton sprach von einer schamlosen und inakzeptablen Handlung. "Wir werden mit der Türkei und anderen Partnern zusammenarbeiten, um das Assad-Regime zur Rechenschaft zu ziehen", erklärte sie. "Wir werden unsere enge Zusammenarbeit mit der Türkei als Teil unserer weitergefassten Bemühungen fortsetzen, einen demokratischen Übergang in Syrien zu fördern."

Zweite Maschine drehte ab

In Brüssel wird sich am Dienstag der Nato-Rat mit der Lage befassen. Die Türkei hat nach Artikel 4 der Nato-Satzung (siehe Info-Box) eine Sondersitzung des Gremiums der 28 Botschafter beantragt. Dort wird auch Thema sein, dass die syrische Luftabwehr nach dem ersten Abschuss noch ein zweites türkisches Flugzeug ins Visier nahm. Ein Suchflugzeug sei von syrischem Radar erfasst worden – und daraufhin abgedreht, berichteten türkische Diplomaten.

Unterdessen setzen sich aus der syrischen Armee immer mehr ranghohe Militärs ab: Nach Angaben des türkischen Staatsfernsehens sind ein syrischer General, zwei Oberste, zwei Majore und ein Leutnant in die Türkei geflohen. Mit ihnen seien 33 weitere Soldaten übergelaufen. Der türkische Privatsender CNN Türk berichtete zudem, die ranghohen Militärs hätten ihre Familien aus Syrien mitgebracht. Es handle sich daher um insgesamt 224 Flüchtlinge.

Seit Beginn des Aufstands gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im März 2011 sind nach UN-Angaben mehr als 10.000 Menschen getötet worden. Unter den Rebellen befinden sich Tausende Deserteure. Am Donnerstag war erstmals seit Beginn der Kämpfe ein syrischer Kampfpilot mit seiner Militärmaschine desertiert und ins Nachbarland Jordanien geflohen – möglicherweise hat auch dieser Umstand mit dem Abschuss der türkischen Phantom zu tun.

Quelle: ntv.de, jmü/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen