Ausweg aus der Krise Ein Sonderstatus für Berlin?
12.06.2001, 11:40 UhrDer schwarz-rote Senat hat abgewirtschaftet, die Krise in der Hauptstadt liegt offen zu tage. Angesichts des Desasters mehren sich die Stimmen von Kritikern, die nur noch eine Lösung für Berlin sehen: Die Hauptstadt soll einen Sonderstatus erhalten, der Bundestag die volle finanzielle, politische und finanzielle Verantwortung übernehmen. Besonders der streitbare Zeithistoriker Arnulf Baring plädiert für solch einen Ausweg. Der Verfassungsrechtler Edzard Schmidt-Jortzig - ehemaliger Bundesjustizminister - hat dagegen die Pläne gegenüber n-tv.de heftig kritisiert.
Die USA haben es bereits vorgemacht: Seit Jahrhunderten hat ihre Hauptstadt Washington als "District of Columbia" einen Sonderstatus. Zwar erhielt die Stadt 1964 ein beschränktes Selbstbestimmungsrecht, doch angesichts einer aufgeblähten Verwaltung und des Finanzmangels zog der Kongress die finanzielle Aufsicht wieder an sich.
Analog hierzu, so die Verfechter einer Sonderrolle Berlins, könnte der Bundestag die Verantwortung über die Stadt übernehmen. Der Präsident des Bundestages wäre zugleich Oberbürgermeister von Berlin. Er würde die Aufgaben der Administration einer Kommission zuweisen, deren Mitglieder der Bundestag ernennt. Den Haushalt müsste das Parlament, oder zumindest dessen Etat-Ausschuss genehmigen. Der Bund nähme unter der Aufsicht des Kultur-Staatsministers alle öffentlichen Kulturinstitutionen unter seine Obhut.
Die Konsequenz all dessen: Die Hauptstadt hört als Land auf zu existieren, im Bundesrat gibt es sie nicht mehr. Der Publizist Klaus Harprecht brachte es in der "Süddeutschen Zeitung" auf den Punkt: "Mit einem Satz: Berlin würde enteignet und nationalisiert".
Diesen Vorschlägen mangelt es vor allem an einem: Der Realisierbarkeit. Dies stellte der Professor für Öffentliches Recht, Eduard Schmidt-Jortzig gegenüber n-tv.de klar: Die Ideen seien "nicht mehr als Phantasie". Es sei "fast ein bisschen verantwortunglos", sie nun zu erwägen.
Sollte man sie aber dennoch in die Tat umsetzen wollen, wird es kompliziert: Schließlich muss das Grundgesetz geändert werden, hat doch jedes Bundesland die Garantie der Eigenständigkeit. Mit einer Zweidrittel-Mehrheit müssten Bundestag und Bundesrat dem Sonderstatus für Berlin zustimmen. "Und daran wird es sofort scheitern", so Schmidt-Jortzig gegenüber n-tv.de. Auch wäre ein Referendum der Bevölkerung nötig, wie es schon bei der geplanten Fusion zwischen Berlin und Brandenburg stattfand. Ob die Berliner dabei freiwillig ihrer Selbstentmachtung zustimmen, bezweifelt der Verfassungsrechtler allerdings.
Kritisch sieht man die Pläne auch im Büro des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Richard von Weizsäcker. "Eine Katastrophe" sei dies für die Stadt, Berlin würde zum "Protektorat des Zentralstaates", die Berliner würden entmündigt. Letztlich sei klar: "Wir sind nicht Amerika und Amerika nicht Deutschland", so ein Sprecher gegenüber n-tv.de.
Dass seine Pläne nicht so leicht zu verwirklichen sind, hat auch Arnulf Baring vorausgesehen. Deshalb schlug er vorsorglich eine Übergangslösung vor: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz solle ihre Kompetenzen und ihre finanzielle Ausstattung erweitern, so dass sie künftig auch für Theater, Opernhäuser und Universitäten zuständig wäre. Doch ob die sich um die von Finanzkrisen gebeutelten Häuser reißt, bleibt fraglich.
Quelle: ntv.de