Tragödie in Malaysia Ein politisches Scharmützel
03.12.2007, 16:30 UhrDas Glück für die Opposition fiel wortwörtlich vom Himmel. Bei einer Generalprobe für die größte Militärausstellung Asiens auf der Insel Langkawi in Malaysia wurden drei Fallschirmspringer von Scherwinden erfasst und starben, nachdem sie aus rund 1000 Metern Höhe ungewollt ins offene Meer sprangen und ihre Fallschirme sich nicht entfalten konnten. Elf weitere wurden zum Teil schwer verletzt und in das örtliche Krankenhaus gebracht. Zeugen berichten, sie seien wie "Steine" gefallen. Vollkommen unklar ist, warum der Pilot der Maschine die Männer und Frauen nicht zumindest vorgewarnt hatte, denn er muss am Steuerknüppel diese Kräfte unweigerlich gespürt haben. Eine Untersuchung ist angelaufen.
Die Tragödie ist aus dreierlei Hinsicht politisch brisant: Vize-Premier Najib Abdul Razak (kurz: Najib genannt), geliebt von den konservativ-islamischen Kräften und gehasst von den Liberalen, ist nämlich auch gleichzeitig Verteidigungsminister. Die Opposition forderte am Montag im Parlament mit Nachdruck den Rücktritt des Ministers. Für Regierungschef Ahmad Badawi wäre dies eine gute Gelegenheit, den Gegenspieler endgültig loszuwerden, um seine eigene Macht zumindest zu stabilisieren. Der eher islamisch-liberale Badawi war in jüngster Vergangenheit immer wieder von seinem Stellvertreter vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Einmal nannte er im Alleingang Malaysia einen "islamischen Staat", wohlwissend dass rund 35 Prozent der Malaysier eben nicht in Richtung Mekka beten, was zu einer Entrüstung bei den Minderheiten der Chinesen und der Inder führte. Ein anderes Mal betitelte er physische Umarmungen zur Begrüßung oder zum Abschied von Nicht-Moslems und Moslems als "westliche Dekadenz". Dieses Mal zogen auch westliche Beobachter ihre Augenbrauen weit nach oben.
Vorläufiger negativer Höhepunkt seiner bisherigen Karriere ist allerdings, dass der Vize-Premier den Verdacht nicht abschütteln kann, seine Hand in einem Mordfall mit im Spiel gehabt zu haben. Einer der engsten Berater von Najib, Abdul Razak Baginda, steht seit Monaten vor Gericht, weil er seine Geliebte aus der Mongolei ermordet haben soll. Die Geschichte wurde dann zu einem Politthriller, als ein Foto auftauchte, dass das Opfer, Baginda und eben den Verteidigungsminister, beim Essen zeigte, obwohl dieser immer leugnete die Frau überhaupt zu kennen. Eine Fälschung? Die Frage ist bis heute unbeantwortet.
Der andere Grund ist die bevorstehende Wahl. Premier Badawi wird voraussichtlich im Frühjahr Wahlen ausrufen. Ihm sind zwei Dinge sehr wohl bewusst. Schießt er Najib ab, wird er die Stimmen der religiösen Rechten verlieren, die ihn selbst wegen seinem liberalen Kurs als einen Versager und Verräter ansehen. Behält er ihn als seinen Stellvertreter, werden die liberalen Kräfte und die Nicht-Moslems aller Wahrscheinlichkeit nach der Wahl fernbleiben. Letztlich steht der Regierungschef vor einem mathematischen Problem. Wieviel verliert er, wieviel gewinnt er?
Der letzte Grund sind beispiellose Demonstrationen der Hindu-Minderheit in Malaysia, die seit kurzem die Hauptstadt erfassen. Die Demonstranten fordern Gleichberechtigung und mehr Schutz für ihre religiösen Einrichtungen. Der wahrscheinlich größte Fehler der Regierung Badawi war es, von Anfang an den Unwissenden zu spielen. Seit Jahren ist bekannt, dass Hindus als "minderwertige Menschen" in dem Vielvölkerstaat gelten und dass das Märchen vom Multikulti Staat ein Fantasiegebilde ist. Die Gruppe fordert seit langem unter anderem Najibs Entfernung von Amt und Würden. Ein eigenes Konzept zur friedlichen Beilegung des Konfliktes haben sie jedoch auch nicht. Würde Badawi Najib entlassen, könnte das die Situation etwas beruhigen, selbst wenn er die Sache nicht mit den Demonstranten in Verbindung bringt. Dennoch könnte ihm das als Schwäche ausgelegt werden.
Fest steht, dass Malaysias politische Ausrichtung an einem Scheideweg steht. Die Tragödie um den Tod der drei Fallschirmspringerinnen und Fallschirmspringer hat sich zu einem politischen Scharmützel entwickelt. Die beste Lösung für den Westen wäre ein Premierminister Badawi mit einem neuen Vize. Ob das auch dem Willen des malaysischen Volkes entspricht, steht auf einem vollkommen anderen Blatt.
Quelle: ntv.de