Reaktionen auf Klima-Urteil Ein "vernichtendes Zeugnis für die GroKo"
29.04.2021, 14:32 Uhr
Das bisherige Klimaschutzgesetz reicht dem Verfassungsgericht nicht.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Das Klimaschutzgesetz, so wie es im Rahmen des Klimapakts in der Großen Koalition ausgehandelt wurde, greift dem Verfassungsgericht zu kurz. Damit ist das Gesetz in Teilen verfassungswidrig, urteilten die Richter. Die Reaktionen sind überwiegend positiv - auch von denen, die es beschlossen haben.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier angesichts des Verfassungsgerichtsurteils zum Bundes-Klimaschutzgesetz zum Handeln aufgefordert. "Nach meiner Erinnerung haben Sie und CDU/CSU genau das verhindert, was nun vom Bundesverfassungsgericht angemahnt wurde. Aber das können wir rasch korrigieren. Sind Sie dabei?", schrieb der Bundesfinanzminister und Vizekanzler auf Twitter.
Zuvor hatte Altmaier bei dem Kurznachrichtendienst erklärt, dass das Bundesverfassungsgericht ein "bedeutendes Urteil" erlassen habe, das "epochal für Klimaschutz und Rechte der jungen Menschen" sei und für "Planungssicherheit für die Wirtschaft" sorge. In den nächsten Tagen will er über Verschärfungen des Klimagesetzes mit der Regierung reden. Er hoffe, dass trotz des Bundestagswahlkampfs Maßnahmen beschlossen und Mittel bereitgestellt würden, sagte der CDU-Politiker. Er wolle darüber in der nächsten Woche mit seinen Kollegen in der Bundesregierung sprechen.
Unterdessen trifft das Urteil bei "Fridays for Future" auf großen Zuspruch. "Das Bundesverfassungsgericht bestätigt mit der Klimaklage, was die Naturwissenschaft seit Jahren zeigt: Aufschieben und unzureichende Klimaziele gefährden nicht nur die Natur, sondern unser Recht auf Leben und das Recht auf Zukunft", erklärte die Aktivistin Line Niedeggen. "Das unter dem Protest von 1,4 Millionen Menschen beschlossene Klimapaket ist nicht ausreichend und muss sich jetzt ändern!"
"Für den Klimaschutz ist das erstmal ein Ausrufezeichen", sagte die aktuelle Bundesumweltministerin Svenja Schulze kurz nach Bekanntwerden des Urteils. "Jetzt gibt uns das Bundesverfassungsgericht ja im Kern auf, dass wir den Weg zur Klimaneutralität auch nach 2030 nicht nur in einer Strategie beschreiben", ergänzt die SPD-Politikerin und mahnt an: "Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030." Entscheidungen müssten langfristig geplant werden, betonte Schulze.
"Ein ganz neues Kapitel"
"Deswegen habe ich mich ja im Rahmen der Diskussion um das deutsche Klimaschutzgesetz auch sehr dafür eingesetzt, dass wir auch ein Zwischenziel für 2040 machen auf dem Weg hin zur Treibhausgasneutralität in 2050", sagte sie weiter. Das sei aber mit CDU und CSU "nicht machbar" gewesen. "Insofern ist das jetzt erst einmal gut, dass das Bundesverfassungsgericht sagt, da könnt ihr euch nicht wegducken, da müsst ihr klarer auch was vorgeben."
Der ehemalige Umweltminister Nobert Röttgen sekundierte: "Es schlägt ein ganz neues Kapitel im grundrechtlichen Schutz der Bürger gegen freiheitsgefährdende Untätigkeit des Gesetzgebers auf", sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenportal "t-online". "Das Bundesverfassungsgericht hat sich als Garant von Zukunfts- und Freiheitsschutz betätigt."
Als "historische Entscheidung" feierte Grünen-Chefin Annalena Baerbock das Urteil. "Klimaschutz schützt unsere Freiheit und die Freiheit unserer Kinder und Enkel", twitterte die Grünen-Kanzlerkandidatin. "Deshalb konkreter Auftrag für das Hier und Heute: Klimaschutzgesetz jetzt überarbeiten. Die nächsten Jahre sind entscheidend für konsequentes Handeln." Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner nannte das Urteil ein "vernichtendes Zeugnis für den Klimaschutz der Groko".
"Neustart beim Klimaschutz"
Eine schnelle Generalrenovierung des Bundes- und auch des bayerischen Klimaschutzgesetzes mahnte CSU-Chef Markus Söder an. Man müsse jetzt handeln und dürfe das nicht auf die lange Bank schieben, sagte Söder nach turnusmäßigen gemeinsamen Beratungen der CSU-Spitze mit der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft. Und dabei müssten die Unionsparteien "Schrittmacher" sein und dürften nicht anderen hinterherlaufen. Söder nannte das Urteil "wuchtig, aber richtig". Es müsse von allen als positive Chance verstanden werden. Noch nie habe ein Gericht in einer solchen Art und Weise einen Generationenvertrag eingefordert. "Das muss man jetzt umsetzen in positive Energie", verlangte Söder. Man dürfe sich nicht wegducken, sondern müsse "jetzt anpacken".
Die FDP hält nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundes-Klimaschutzgesetz einen "Neustart beim Klimaschutz" für nötig. Die Entscheidung des Gerichts sei ein "Plädoyer für Langfristigkeit und Generationengerechtigkeit in der Politik", schrieb Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag, auf Twitter.
Zu einem Neustart gehöre ein klarer CO2-Deckel und Zertifikatehandel. "Das wirkt effektiv, langfristig und generationengerecht", schrieb er. "Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekommt die Bundesregierung nun die Quittung für ihre klimapolitische Konzeptlosigkeit", erklärte der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Frank Sitta.
Quelle: ntv.de, ses/dpa/AFP