"Manja-Manja" - das große Fressen Endzeit bei Berlusconis PDL
23.09.2012, 19:29 Uhr
Ein Comeback wird schwierig für Berlusconi.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ursprünglich wollte der skandalumwitterte Berlusconi nach einer politischen Pause Ende des Jahres wieder ganz groß zurück auf die politische Bühne. Doch nun hat er ein Problem: Seine Partei der Freiheit gilt vielen nur noch als Partei der Diebe. Schließlich schaffen es die PDL-Abgeordneten, in kürzester Zeit 30 Millionen Euro zu veruntreuen.
Abgekürzt heißt die Partei von PDL, "Partito della Libertà", Partei der Freiheit. Berlusconi selbst mangelt es ja nicht an Humor. Angesichts der massiven Veruntreuung von Steuermitteln durch die Abgeordneten seiner Partei im Regionalparlament von Lazio meinte er: Wenn das weitergeht, wird man die PDL wohl allgemein nur noch die Partei der Diebe nennen, "Partito dei Ladri". Berlusconi, einst Ministerpräsident Italiens, hat recht, so sehen die meisten Wähler die PDL heute.
Der Skandal um die PDL nimmt seinen Ausgang in der Region Lazio. Es geht um den Missbrauch von 30 Millionen Euro in den vergangenen zwei Jahren, die das Regionalparlament den Abgeordneten zwecks "politischer Information des Wahlkreis" zur Verfügung stellte, etwa 100.000 Euro pro Abgeordneter im Jahr, zuzüglich zu den circa 13.000 Euro Netto als Diät und normaler Aufwandsentschädigung im Monat, netto steuerfrei, versteht sich.
Nichts von den Mitteln zur Wahlkreis-Pflege gaben die Abgeordneten von Berlusconis PDL (wofür die Abkürzung nach Auffassung der meisten Wähler heute steht, kann sich jeder ausmalen) für den gesetzlich vorgeschriebenen Zweck aus, aber dafür umso mehr für Restaurants, teure Reisen, Juwelen, Anschaffungen, darunter auch Feste mit Orgiencharakter.
Viele Ausgaben blieben vollkommen beleglos, und wenn es welche gab, dann war die Flasche Wein nie billiger als 50 Euro, und ohne Champagner, Austern und Langusten gab es kein Essen. Mit Entsetzen lesen die Wähler, die im Schnitt knapp 1300 Euro im Monat verdienen, von 1400 Euro für eine Lieferung Mozzarella für den kleinen Happen zwischendurch und Restaurant-Rechnungen selten unter 5000 Euro. Hotelrechnungen über 10.000 Euro für ein Wochenende waren der Regelfall.
Der Rechnungshof Italiens meinte dazu schlicht: "Ein enormer Schaden für die Staatskasse" und "Steuermittel sind für private Zwecke entfremdet worden". Der Organisator der fröhlichen Prasserei bei der PDL, der 190-Kilo-Abgeordnete Franco Fiorito und Fraktionschef, Spitzname "Batman", nahm es mit vollen Händen aus der Staatskasse und leitete das Geld an seine Abgeordneten weiter. Je teuer, desto besser. Der Kontakt mit den Wählern beschränkte sich dabei auf die Kellner der schicken Esstempel und den Zimmerservice für die Florentiner Steaks.
Hauen und Stechen in der Fraktion
In der PDL-Fraktion hat unterdes das Hauen und Stechen begonnen, wer wie viel Geld verprasst hat. "Batman" will nun sogar 400.000 Euro von den über eine Million Euro, die er sich ins Ausland überwiesen ließ, zurückgeben.
Die Römer haben dazu nur einen Kommentar: Es ist ein "manja-manja", ein großes Fressen, ein Ausdruck, den ganz Italien nun für die Politikerkaste freudig übernommen hat.
Ermittlungen gegen Präsident der Lombardei

Von der Zahnartzhelferin zum Regionalparlament und nun zur aktuellen Mailänder Modewoche: Berlusconis Getreue Nicole Minetti.
(Foto: Reuters)
Selbst in Berlusconis Heimatregion, der Lombardei, sieht es schlimm aus. Die Lombarden dünken sich besser als die anderen Regionen, vor allem die Römer, zu sein, aber der Präsident der Region, Roberto Formigoni, ein Anhänger der Fundamental-Katholiken von "Comunione e Liberazione", steht seit Monaten im Mittelpunkt von Korruptions-Ermittlungen. Er soll öffentliche Aufträge im Bereich des Gesundheitswesens an Freunde vergeben haben, im Tausch finanzierten diese im seit Jahren Luxus-Ferien. Es geht dabei keineswegs um Peanuts, sondern um knapp 5 Millionen Euro Vorteilsnahme.
Die Ermittlungen in Mailand bringen beinah jeden Tag neue Geständnisse der begünstigen Manager. Doch Formigoni klammert sich an sein Amt, gestützt von einer Mehrheit im Regionalparlament, die genau weiß, dass sie keine Chance auf eine Wiederwahl hat: Unter den Abgeordneten ist auch die aus dem Ruby-Skandal bekannt gewordene , im Ruby-Prozess als Organisatorin der Sex-Feste bei Berlusconi unter Anklage.
Berlusconis Plan torpediert
Angesichts der Enthüllungen stehen Berlusconi nun die wenigen eigenen Haaren steil zu Berge. Löst sich doch mit dem Skandal der Plan, als das Land aus der Krise zu führen, im allgemeinen Gelächter auf.
Ursprünglich wollte Berlusconi nach einer politischen Pause Ende des Jahres wieder ganz groß zurück auf die politische Bühne. Das perfekte Wahlversprechen hatte er auch schon gefunden: Die Abschaffung der Haus- und Grundsteuer IMU. Womit er den gigantischen Steuerausfall von 22 Milliarden Euro ersetzen will, davon natürlich kein Wort. Das einzige Hindernis für die große politische Rückkehr des Cavaliere del Lavoro, so sein Titel, eine Art "Held der Arbeit" italienischen Musters, schien bis zum Platzen des "manja-manja" Skandals in Rom eben einzig und allein das Urteil im Ruby-Prozess, welches für Anfang Oktober in Mailand erwartet wird. Sollte das Urteil nicht allzu schlecht für ihn ausfallen, so mag er gehofft haben, stehe der Rückkehr auf die politische Bühne nichts mehr im Wege.
Doch nach "manja-manja" ist nicht vor "manja-manja". Jetzt muss Berlusconi sich zuerst einmal einen neuen Parteinamen ausdenken: "Partito dei Ladri", PDL: Der Name ist im Lokus. Vor dem "manja-manja" lag die PDL noch bei 18 Prozent, halb so viel wie bei den letzten Wahlen, nun dürfte Berlusconi in den Umfragen weiter in den Keller rauschen.
Quelle: ntv.de