Politik

Dioxin-Skandal weitet sich aus Erst die Eier, jetzt die Schweine

Mehrere hundert Tiere müssen nun wahrscheinlich getötet werden.

Mehrere hundert Tiere müssen nun wahrscheinlich getötet werden.

(Foto: dapd)

Neue Hiobsbotschaften im Dioxin-Skandal: Nicht nur Eier und Hühnerfleisch sind betroffen, auch Schweinefleisch wurde mit giftigem Futter verseucht. Bislang ist nur ein Hof betroffen, doch weitere Betriebe könnten folgen. Zudem gelangten in Niedersachsen Eier aus einem vorsorglich gesperrten Hof in den Handel. Verunsicherte Verbraucher kaufen die Bio-Regale leer.

Der Dioxin-Skandal hat nach Eiern und Geflügel erstmals auch das Schweinefleisch erreicht. Auf einem Hof in Niedersachsen wurde der Dioxin-Grenzwert bei einer Probeschlachtung um die Hälfte überschritten. Nach neuen Erkenntnissen der Behörden war mit Dioxin belastetes Futterfett zudem schon seit Monaten im Umlauf. Vom Fett-Hersteller Harles und Jentzsch sei bereits seit März 2010 giftiges Futterfett an Mischfutterhändler verkauft worden, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums von Schleswig-Holstein, Christian Seyfert, dem Bielefelder "Westfalen-Blatt".

Es gebe belastete Proben aus den Monaten März, Mai und September, sagte der Sprecher. Die genauen Mengen müssten noch ermittelt werden. Dies seien deutliche Hinweise, dass längere Zeit systematisch belastete Futterfette hergestellt und verkauft worden seien.

Verseuchtes Fleisch im Handel?

Widersprüchliche Angaben gab es dazu, ob Dioxin-Schweinefleisch von dem Hof im Landkreis Verden in den Handel gekommen sein könnte. Der niedersächsische Agrarstaatssekretär Friedrich-Otto Ripke schloss dies kategorisch aus, der Verdener Kreisveterinär Peter Rojem war sich da nicht so sicher. Zuletzt seien Schweine am 29. Dezember geschlachtet worden - gesperrt worden sei der Betrieb aber erst Anfang Januar, warnte er.

Erhöhte Giftwerte bei Legehennen.

Erhöhte Giftwerte bei Legehennen.

(Foto: dpa)

Kurz darauf kam die nächste alarmierende Nachricht: In mehreren Supermärkten der Region Hannover gelangten Eier eines vorsorglich gesperrten Hofes in den Handel. Ein Verbraucher hatte sich am Montag mit einer entsprechenden Eierpackung an die Behörden gewandt.

Bundesweite Warnplattform

Bund und Länder wollen nach dem Dioxin-Alarm eine bundesweite Warnplattform für Lebensmittel einrichten, die EU erwägt schärfere Regeln für Futterproduktion. Die Verbraucher kaufen unterdessen aus Sorge um ihre Gesundheit die Regale mit Bio-Eiern leer.

An der Warnplattform werde "mit Hochdruck" gearbeitet, sagte der verbraucherpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Bleser (CDU), der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Bisher informieren die Bundesländer meist nur über verdächtige Produkte in ihrer Region. Die neue Internetseite mit Informationen aller bundesweit zuständigen Behörden solle in den nächsten Wochen starten.

In den vergangenen Tagen waren nur in Proben von Eiern und Legehennenfleisch erhöhte Dioxin-Werte gemessen worden. Proben bei Hähnchen, Putenfleisch und Kuhmilch wiesen zunächst keine Überschreitungen von Grenzwerten auf. Auf dem niedersächsischen Hof mit Dioxin im Schweinefleisch sollen nun 140 Tiere getötet werden. Insgesamt stehen dort 536 Tiere im Stall. Bei einem zweiten Schweinemäster sei ein Tier entdeckt worden, dessen Belastung im Grenzbereich liege. 330 Betriebe würden noch auf Dioxin im Schweinefleisch kontrolliert. "Es kann daher durchaus sein, dass wir noch weitere Betriebe finden", sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Gert Hahne, n-tv.de.

Aigner wehrt sich

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) gerät zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik aus der Opposition. Ihre vorgeschlagenen Konsequenzen seien sehr konkret und alles andere als vage, wehrte sich Aigner. SPD und Grüne hatten ihr vorgeworfen, zu unkonkrete und ungenügende Maßnahmen vorzuschlagen. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte eine Regierungserklärung vor dem Bundestag. Die Strafen für Verursacher müssten deutlich verschärft werden, verlangte er. Aigner bekräftigte, der Fall werde für Futtermittelhersteller Konsequenzen haben.

Aigner unter Beschuss: Die Opposition wirft ihr Tatenlosigkeit vor.

Aigner unter Beschuss: Die Opposition wirft ihr Tatenlosigkeit vor.

(Foto: dapd)

Das Dioxin soll in einer Firma im niedersächsischen Bösel ins Futterfett gekommen sein. Das Unternehmen arbeitet als Spedition für Fette. Die Futterfettproduktion wurde dort wohl illegal betrieben. Die Firma ist ein Partnerunternehmen von Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein, das die Dioxin-belasteten Futterfette vertrieben hatte und nun im Fokus der Ermittlungen steht.

8000 Schweine betroffen

Auf dem niedersächsischen Hof, bei dessen Schwein zu viel Dioxin im Fleisch gefunden wurde, wurde das Futter selbst zusammengemischt. Allerdings habe der Besitzer die Fettkomponente von Harles und Jentzsch aus Uetersen bezogen. Für die Firma braut sich Ärger zusammen: So will das Verbraucherschutzministerium in Nordrhein- Westfalen Regressforderungen gegen Verursacher des Dioxin-Skandals prüfen.

Neun weitere Schweinemäster im Landkreis hätten Futter aus diesem Werk erhalten, sagte Kreisveterinär Peter Rojem. Die Höfe seien gesperrt. An diesem Donnerstag sollen dort Probeschlachtungen erfolgen. Anfang kommender Woche würden die Ergebnisse vorliegen. Auf den zehn Höfen stehen insgesamt rund 8000 Schweine.

Woher kam das Gütesiegel?

Erstaunlicherweise trug Harles und Jentzsch das QS-Gütesiegel, mit dem Lebensmittel wie Fleisch, Wurst, Obst, Gemüse und Kartoffeln gekennzeichnet werden. Grundlage für das Prüfzeichen ist die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen. Das Unternehmen, das das Siegel vergibt, gehört Verbänden der Ernährungswirtschaft. Grünen- Fraktionsvize Bärbel Höhn forderte Aufklärung, wie es dazu kam.

In den Handel ist das Fleisch der Tiere aus Niedersachsen offenbar nicht gekommen (Archivbild: Kontrolle im Fleischversorgungszentrum Mannheim).

In den Handel ist das Fleisch der Tiere aus Niedersachsen offenbar nicht gekommen (Archivbild: Kontrolle im Fleischversorgungszentrum Mannheim).

(Foto: dapd)

Sie kritisierte zudem eine mangelhafte Kontrolle in der Lebensmittelindustrie. "Das Eigenkontrollsystem der Lebensmittel und Futterwirtschaft hat nicht funktioniert", sagte Höhn in der Sendung "Das Duell" bei n-tv. "Insofern ist es ein massiver Fehler, dass die Zahl der staatlichen Kontrolleure abgebaut wurde. Es ist auch ein massiver Fehler, dass das häufig auf die Kommunen übertragen wurde, obwohl ganz viele Kommunen klamm sind." Sie forderte, EU-Fördermittel nur noch für Bauern auszugeben, die "im Einklang mit der Natur" wirtschafteten.

Zu wenig Kontrolleure

Höhn kritisiert zudem das Verbraucherschutzministerium. Diese hätte mehr handeln können, das Problem von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner sei, dass "sie keine Strategie hat". "Ich erlebe permanent, dass in einem Skandal groß aufgeheult wird, aber nachher passiert wenig".

Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham, bemängelte die zu geringe Zahl an Kontrolleuren. "Uns fehlen 1.200 Kontrolleure. Eine Person braucht 20 Jahre um alle Betriebe zu prüfen", sagte er in der Sendung "Das Duell". Zwar werde bei den großen Markenartikelherstellern ständig kontrolliert und jeder Besenstiel in der Werkstatt angemahnt. Richtig wäre es aber, so Abraham weiter bei n-tv, "bei den Risikobetrieben, der Ursuppe der Lebensmittelproduktion, also den Dünge- und Futtermitteln stärker hinzuschauen".

Bio-Eier sind Mangelware

Jetzt wollen alle Bio-Eier.

Jetzt wollen alle Bio-Eier.

(Foto: dapd)

Die Verbraucher kaufen als Reaktion verstärkt Lebensmittel aus ökologischer Produktion. "Bio-Eier sind ausverkauft", sagte Prof. Ulrich Hamm, Experte für Lebensmittelmarketing im Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Uni Kassel, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Dies hätten zahlreiche Händler und große Erzeuger berichtet. Beim Anbauverband Naturland hieß es hingegen: "Ausverkauft sind die Bio-Eier noch nicht, der Umsatz damit ist aber um das Drei- bis Vierfache gestiegen."

Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) versuchte, die Gemüter etwas zu beruhigen. "Wer gelegentlich ein Schnitzel, Würstchen, Schinken oder Wurstwaren isst, braucht nicht mit einer unmittelbaren Wirkung zu rechnen", sagte BfR-Experte Helmut Schafft. Tückisch seien, wie bei dioxinbelasteten Eiern auch, aber mögliche Langzeit-Folgen. "Je älter ein Mensch wird, desto mehr Dioxin lagert sich im Fett ein", ergänzte Schafft.

Quelle: ntv.de, dsi/dpa/AFP

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