Intersexuelle Menschen Ethikrat fordert Entschädigung
23.02.2012, 11:52 UhrDer Ethikrat empfiehlt, Menschen ohne eindeutiges Geschlecht nicht auf eine Rolle als Mann oder Frau festzulegen. Wer als Kind entsprechend operiert worden sei, solle eine Entschädigung erhalten. Damit folgt der Ethikrat in weiten Teilen der Position des Vereins Intersexuelle Menschen.

Angesichts großen Leids für die Betroffenen hat der Deutsche Ethikrat einen Hilfsfonds für Menschen ohne eindeutiges Geschlecht verlangt. Anerkennung und Hilfe sollten die Opfer ärztlicher Eingriffe erfahren, die auf eine klare Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht abzielten. Das empfahl der Ethikrat in seiner Stellungnahme zur Intersexualität.
Viele Menschen seien aufs Tiefste verletzt worden durch Behandlungen, die nach heutigen Erkenntnissen nicht dem Stand der Medizin entsprechen. "Sie haben Schmerzen, persönliches Leid, Erschwernisse und dauerhafte Einschränkungen ihrer Lebensqualität erlitten."
Die Vorsitzende des Vereins Intersexuelle Menschen, Lucie Veith, forderte, dass auch für Kinder "die körperliche und seelische Unversehrtheit des Menschen" gelten müsse. An Neugeborenen sollten keine Operationen vorgenommen werden, die nicht dringend erforderlich seien, sagte Veith n-tv.de. "Den Eltern sollte jede Menge Zeit gelassen werden, um sich an ihr besonderes Kind zu gewöhnen." Veith selbst versteht sich nicht als Frau oder Mann, sondern als Mensch.
"Das ist eine Farce"
"Die Kinder sollten ab einem bestimmten Alter selbst das Recht haben, sich als Jungen oder Mädchen oder weder noch einzuordnen", so Veith weiter. Sie kritisierte Gesetze und Bürokratie, die intersexuelle Menschen ignorierten. "Auf jeder Krankenkassenkarte ist das Geschlecht des Versicherten gespeichert. Wird ein intersexueller Mensch als Frau krankenversichert, so kann er beispielsweise keine Prostatabehandlung, obwohl im Körper vorhanden, in Anspruch nehmen. Das ist eine Farce."
Der Ethikrat schildet in seiner Stellungnahme unter anderem das Schicksal eines Menschen, bei dem nach der Geburt 1965 ein uneindeutiges Geschlechtsorgan festgestellt wurde. Im Bauchraum befanden sich zudem Hoden, das Baby hatte einen männlichen Chromosomensatz. Die Ärzte entfernten den Hoden, verschwiegen dies den Eltern aber genauso wie die Tatsache, dass ihr Kind chromosomal männlich war. Sie sagten laut dem Bericht zu den Eltern: "Das Kind ist ein Mädchen und wird es bleiben, die ganze Erziehung hat sich danach zu richten."
Selbsthilfegruppen sollen laut Ethikrat öffentlich finanziell gefördert werden. Betroffene und ihre Eltern sollten nur in einem speziellen Kompetenzzentrum über die einzelnen ärztlichen Disziplinen hinweg beraten und behandelt werden. Für die regelmäßige medizinische Betreuung sollte ein Netz an geeigneten Stellen geschaffen werden.
Im Personenstandsregister sollten sich Menschen, deren Geschlecht nicht eindeutig feststellbar ist, nicht nur als "weiblich" oder "männlich", sondern auch als "anderes" eintragen können.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa