Politik

Briten isolieren sich und bleiben Gipfel riskiert Spaltung

Die Briten wollen ihren Stern auf der EU-Flagge behalten.

Die Briten wollen ihren Stern auf der EU-Flagge behalten.

(Foto: dpa)

Großbritannien steht mit seinem Nein zu einem europäischen Fiskalpakt auf dem EU-Gipfel isoliert da. Neun weitere EU-Mitglieder wollen sich nunmehr dem Reformvertrag der 17 Euro-Staaten anschließen, wie aus einem neu aufgelegten Entwurf für die Gipfelerklärung in Brüssel hervorgeht. Damit isolieren sich die Euroskeptiker selbst.

Die Euro-Staaten und neun weitere EU-Länder wollen eine Fiskalunion gründen – und riskieren damit eine Spaltung der EU. Zuvor war es den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder trotz zehnstündiger Verhandlungen in der Nacht zum Freitag nicht gelungen, sich auf eine Änderung der EU-Verträge zu einigen. Großbritannien hatte eine gemeinsame EU-Lösung blockiert, weil es keine Sonderrechte für die Regulierung des heimischen Finanzmarkts erhielt. Verhandlungen über die von den Finanzmärkten erhoffte Mittelaufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF und des dauerhaften Rettungsfonds ESM wurden auf März 2012 verschoben

Auch wenn sich Merkel nicht in allen Punkten durchsetzen konnte, spricht sie von einem Erfolg des Gipfels.

Auch wenn sich Merkel nicht in allen Punkten durchsetzen konnte, spricht sie von einem Erfolg des Gipfels.

(Foto: REUTERS)

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach zum Abschluss des Gipfels dennoch "von einem wichtigen Schritt hin zu einem dauerhaft stabilen Euro". "Man kann auch sagen, es ist der Durchbruch zu einer Stabilitätsunion", sagte Merkel vor Journalisten in Brüssel. Die Euro-Zone ziehe gemeinsam mit den anderen EU-Staaten die Lehren aus der schweren Schuldenkrise. Dies sei "ein weiterer wichtiger Schritt auf einem längeren Weg."         

Beschlossen wurden schärfere Haushaltsregeln und eine engere Wirtschaftskooperation in der Euro-Zone. Von den zehn Nicht-Euro-Ländern in der EU beteiligen sich neun an dem Vertrag – nur die Briten stehen im Abseits.

Briten bleiben außen vor - aber in der EU

Die Regierung in London stellte umgehend klar, trotz der Isolation bei der geplanten Fiskalunion Mitglied der EU bleiben zu wollen. Die Zugehörigkeit zur Europäischen Union liege im britischen Interesse, sagte Premierminister David Cameron. Solange das der Fall sei, bleibe das Königreich Mitglied der EU und werde auch Einfluss auf deren Entscheidungen nehmen. Auch die Niederlande hätten sich bereiterklärt, britische Interessen in der Euro-Zone wahrzunehmen.

"Die 17 Mitglieder der Eurozone und sechs weitere Länder werden einen zwischenstaatlichen Vertrag schließen", sagte der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy noch am Vormittag zu Journalisten. Großbritannien werde an der Fiskalunion nicht teilnehmen, Ungarn, Schweden und Tschechien müssten erst ihre Parlamente befragen. Später kamen von drei Letztgenannten bereits vorsichtige Zeichen der Zustimmung. Der Vertrag soll bis März ausgehandelt sein.

Die Fiskalunion soll durch strikte Haushaltsdisziplin, Schuldenbremsen und automatische Sanktionen die Glaubwürdigkeit der Staaten an den Kapitalmärkten zurückgewinnen. "Wir werden eine neue Fiskalunion schaffen", erklärte Merkel. "Wir werden einen stabilen Euro innerhalb einer stabilen Union haben." Merkel fügte hinzu, dass die Fiskalunion für andere Länder, die daran teilnehmen wollten, offen sei.

Nach Angaben von EU-Ratspräsident Van Rompuy gibt es außerdem eine Übereinkunft, dass der Internationale Währungsfonds bis zu 200 Milliarden Euro erhält. Der dauerhafte Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) soll hingegen keinen Zugang zu Krediten der Europäischen Zentralbank (EZB) erhalten, um seine Mittel im Kampf gegen die Schuldenkrise aufzustocken. Der Fonds werde nicht mit einer Banklizenz ausgestattet, sagte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Gegen einen solchen Schritt hatte sich insbesondere Deutschland gewehrt.

Euro-Bonds noch nicht vom Tisch

Von Rompuy räumte ein, dass ein zwischenstaatlicher Vertrag nicht die Optimallösung darstelle, "aber ein vollständiger Vertrag war nicht möglich". Auch sein Vorschlag, gemeinsame Staatsanleihen, sogenannte Euro-Bonds, zu begeben, habe keine Zustimmung bekommen, weshalb dieses Vorhaben "in ruhigeren Tagen" diskutiert werden müsse. Die Bundeskanzlerin hat sich somit mit ihrer Ablehnung gemeinsamer Staatsanleihen der Euro-Länder sowie eines Zugangs des ESM zu Krediten der EZB durchgesetzt.

Schwerer Rückschlag für die EU

Beobachter sehen in dem Scheitern einer gemeinsamen Lösung einen schweren Rückschlag für die EU, die sich nun mit zwei Geschwindigkeiten bewegen wird: Die Euro-Staaten und die Länder, die dazugehören wollen, werden ihre Volkswirtschaften enger verzahnen. Das euroskeptische Großbritannien wird weiter in die Isolation gedrängt – oder sich selbst ins Abseits stellen. Mit schwer absehbaren Folgen für die Union.

Spaltung schwächt Merkels Vorhaben

Merkel wusste vorab, dass sie nicht alle 27 Staaten wird überzeugen können.

Merkel wusste vorab, dass sie nicht alle 27 Staaten wird überzeugen können.

(Foto: AP)

Die Spaltung wird auch die von Merkel angestrebte stabile vertragliche Basis für die schärferen Haushaltsregeln schwächen. Denn ohne Zustimmung aller 27 EU-Staaten kann das Gemeinschaftsrecht und die Kompetenz der EU-Kommission nur auf Umwegen gestärkt werden. So darf der zwischenstaatliche Vertrag, der nun geschlossen wird, nicht gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Darin sind aber unter anderem die bisherigen laxeren Sanktionsregeln festgelegt. Der neue Vertrag sei "nicht die rechtlich sauberste Lösung", wurde in Delegationskreisen eingeräumt.

EZB bleibt vorsichtig

Eine radikale Lösung der Euro-Schuldenkrise lässt somit weiter auf sich warten. Bereits am Vortag hatte die EZB den Hoffnungen auf eine stärkere Beteiligung an der Bewältigung der Krise eine Absage erteilt. Auf die Frage, ob die EZB zu Gegenleistungen für einen angestrebten "Fiskalpakt" der Eurozone-Staaten bereit sei, antwortete EZB-Präsident Mario Draghi in Frankfurt: "Die Antwort ist Nein." Bei einer Anhörung in der vorigen Woche hatte er hingegen die Erwartung geweckt, die EZB würde sich nach Abschluss eines "Fiskalpakts" zu größeren Staatsanleihekäufen bereitfinden.

Finanzmärkte enttäuscht vom Gipfel

An den Finanzmärkten machte sich Ernüchterung über die mageren Ergebnisse breit. Die bisher bekannt gewordenen Beschlüsse vom EU-Gipfel wurden von Marktteilnehmern nicht als der erhoffte Befreiungsschlag gewertet. "So wie es momentan aussieht, werden wir in der kommenden Woche die angekündigte Herabstufung von 15 Euro-Staaten sehen", sagte ein Händler. Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte am Montag eine Senkung der Kreditwürdigkeit angedroht, wenn es keinen durchschlagenden Erfolg beim EU-Gipfel gebe. Analysten von Geschäftsbanken sagten nun, mit diesem enttäuschenden Gipfelergebnissen seien die Vorsetzungen für eine baldige Abstufung erfüllt.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts

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