Silberstreifen am Horizont Dax landet weich
09.12.2011, 17:59 Uhr
Hurra, die Deutschen werfen die Druckerpresse an?
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach einer turbulenten Berg- und Talfahrt während des EU-Gipfels schließt der deutsche Aktienmarkt komfortabel im Plus. Die Vortagesverluste werden wett gemacht. Für eine Kursrally sorgen vor allem die Aussagen der Bundesbank, die sich bereit erklärte Kredite an den IWF zu geben.
Die Nervosität der Anleger wegen des EU-Gipfels hat am Freitag für eine starke Kurspendelei an den Finanzmärkten gesorgt. Die Schwankungsbreite im Dax lag bei rund 200 Punkten. Trotz aller Zweifel, die Anleger angesichts der Schuldenkrise plagten, gab es aber auch Silberstreifen in Form von neuen Lösungsansätzen am Horizont: So zeigte sich die Bundesbank zum Beispiel grundsätzlich offen für bilaterale Kredite an den Internationale Währungsfonds IWF, der dann wiederum mehr Mittel für die Schuldenstaaten hätte.
Nach heftigem Auf und Ab notierte der Dax am Ende mit 1,9 Prozent im Plus bei 5986 Punkten. Das Tageshoch lag bei 6007 Punkten, das Tagestief bei 5802 Zählern.
In der zweiten Reihe verbesserte sich der MDax um 1,1 Prozent auf 8768 Zähler, der TecDax legte um 0,6 Prozent auf 679 Punkte zu.
Die Hoffnung, endlich den Widerstand Deutschlands beim Gelddrucken zu überwinden, wurde von den Märkten begrüßt. Banken gehörten zu den stärksten Gewinnern. Über IWF-Maßnahmen war bereits häufiger spekuliert worden. Allerdings zeichneten sich nun konkrete Schritte ab, hieß es. Laut Bundesbank werden mit der Bundesregierung bereits Gespräche über die Modalitäten geführt.
Wie Insider ferner berichteten, könnten auch China und andere asiatische Staaten dem IWF Geld zur Lösung der Schuldenkrise in der Eurozone leihen. Die Stimmung stabilisierten darüber hinaus Spekulationen, China könnte nach dem kräftigen Rückgang der chinesischen Inflationsrate die Geldpolitik lockern. Im November sind die Verbraucherpreise nur noch mit einer Jahresrate von 4,2 Prozent gestiegen nach über 5,0 Prozent Inflation noch im Oktober.
"Gordische Knoten ist nicht zerschlagen"
Die Kommentare des Handels zum EU-Gipfel fielen gemischt aus. Einige Stimmen sprachen von einer "Katastrophe", die nur die Uneinigkeit der EU demonstriert habe. Andere Händler und Analysten hoben zumindest den Minimalkonsens hervor. "Mehr war eben nicht zu erwarten", sagte ein Händler.
Die Enttäuschung geriet durch die China- und IWF-Hoffnungen mehr und mehr in den Hintergrund. In der Nacht hatten sich die Staaten der Eurozone und zunächst sechs weitere Staaten der EU geeinigt, einen separaten Vertrag für mehr Haushaltsdisziplin zu schließen.
"Der gordische Knoten ist nicht zerschlagen worden", äußerte ein Händler. Es sei zwar begrüßenswert, dass erste Schritte in Richtung einer Fiskalunion unternommen werden. Andererseits sei aber nach wie vor offen geblieben, woher die Mittel für die Rettung der Eurozone kommen sollten.
Auch weitere Abstufungen der Kreditwürdigkeit waren nicht vom Tisch. "So wie es aussieht, werden wir in der kommenden Woche die angekündigte Herunterstufung von 15 Euro-Staaten sehen", so ein Marktteilnehmer. Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte am Montag den Ausblick für 15 der 17 Staaten der Eurozone auf "Credit Watch" gesenkt. Bei einer Abstufung dürften die Mittel zur Euro-Rettung aber noch kleiner werden.
Frust wegen Großbritannien
Durchweg negativ wurde die bremsende Haltung Großbritanniens aufgenommen. "Die Ergebnisse des EU-Gipfels dürften für die Finanzmärkte nicht ausreichen", sagte ein Händler. Durch den Widerstand einzelner Länder, allen voran Großbritannien, täten sich erste Risse im EU-Konstrukt auf Vorwürfe, sein Land spalte die EU und sei nun isoliert, wies Großbritanniens Außenminister William Hague zurück. "Das schließt uns nicht aus dem Club aus", sagte er dem Sender BBC.
Der britische Premier Cameron hatte für die von Merkel und Sarkozy vorangetriebenen Vertragsänderungen im Gegenzug weitreichende Sonderregeln für den Finanzplatz London gefordert. Das aber lehnten die EU-Partner als unzumutbar ab. Die Londoner City ist für die britische Volkswirtschaft von sehr großer Bedeutung. Ungarn stand an der Seite Großbritanniens. Schweden und Tschechien wollen erst die Parlamente zu dem neuen Vertrag hören.
Der Markt habe das Vertrauen in das Finanzierungsvermögen der Länder weitgehend verloren, meinte ein weiterer Beobachter. Daher seien die Hoffnungen der Finanzakteure an die EZB so hoch. habe den Spekulationen, die EZB werde die Rolle als " " übernehmen, aber am Vortag klar eine Absage erteilt.
Bundesbank als letzte Bastion fällt
Umso mehr fielen die Äußerungen der Bundesbank ins Gewicht. "Damit fällt in Europa die letzte Bastion der Geldwert-Stabilität", sagte ein Händler. "Der Markt wertet es als Zeichen, auch die Deutschen werfen die Druckerpresse an". Die Bundesbank hatte sich am Mittag bereit erklärt, Kredite an den Internationalen Währungsfonds zu vergeben. Dies sei nur ein verschleierter Umweg für direkte Hilfen, da der IWF wiederum als Geldgeber der europäischen Schuldenstaaten auftrete, hieß es im Handel.
Für die Märkte seien dies "natürlich" gute Nachrichten, da die Liquiditätsversorgung der Banken damit gesichert sein könne. Das Kredit-Risiko, unter dem Europa immer gegenüber dem US-Dollar-Raum gelitten habe, könnte damit gemindert werden. Die Enttäuschung über die EZB-Aussagen vom Donnerstag würden damit relativiert.
Bankentitel außer Rand und Band
Banken und Versicherer gehörten nach den Bundesbank-Aussagen zu den stärksten Gewinnern. Commerzbank legten 3,7 Prozent zu, Deutsche Bank 4,7 Prozent. Auch Allianz stiegen um 3,2 Prozent. Zudem hatte Goldman Sachs den europäischen Bank-Sektor auf "Neutral" nach zuvor "Underweight" erhöht. Gut weggesteckt wurde der Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht EBA. Sie sieht einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 5,3 Mrd. Euro bei der Commerzbank und gut 3 Mrd. Euro bei der Deutschen Bank. Letztere teilte jedoch mit, bereits zum Jahresende 2011 die verschärften Eigenkapitalanforderungen erreichen zu wollen.
Auch Konjunkturwerte profitierten von der Hoffnung, eine Lösung der Finanzkrise werde einen Einbruch der Realwirtschaft vermeiden. ThyssenKrupp legten 3,6 Prozent, Heidelcement 3,6 Prozent und Daimler 4,1 Prozent zu.
Siemens gewannen nur 1,5 Prozent, nachdem die Analysten von JP Morgan die Aktien auf "Neutral" von "Overweight" gesenkt hatten. Nach Gewinnwarnungen von Texas Instruments und Altera und einem gesenkten Branchenausblick verloren Infineon gegen den Markttrend 1,7 Prozent.
Positiv für Deutsche Telekom werteten Händler die Meldung, das US-Justizministerium wolle nicht mehr gerichtlich gegen eine Übernahme von T-Mobile USA durch AT&T vorgehen. "Das erhöht zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass der Deal doch noch klappt", so ein Händler. Telekom stiegen um 2,3 Prozent.
Bayer stiegen um 2 Prozent. Hier machte sich Erleichterung breit über das Urteil eines Beratergremiums der US-Gesundheitsbehörde FDA zur Anti-Baby-Pille "YAZ"/"Yasmin". Die Behörde forderte nur eine deutlichere Kennzeichnung der Risiken vor Nebenwirkungen. Das Gremium sei zu dem Schluss gekommen, dass insgesamt die Nutzen des Wirkstoffs die Risiken überwiegen.
Quelle: ntv.de, ddi/rts/DJ/dpa