Bundesrat-Sperrminorität FDP droht mit Blockade
13.01.2009, 13:03 UhrDie FDP will das geplante Konjunkturpaket der Bundesregierung im Bundesrat nachbessern. "Liberale können dieser Verstaatlichungs- und Verschuldungspolitik nicht zustimmen", sagte Parteivize Rainer Brüderle dem "Handelsblatt".
Nach der Wahl in Hessen müsse im Bundesrat über die einzelnen Konjunkturmaßnahmen noch einmal deutlich gesprochen werden. "Erst steigt der Staat bei der Commerzbank ein, dann werden Steuermilliarden für absurde Maßnahmen verschleudert: Das ist maßlos, wahllos und verantwortungslos", sagte Brüderle.
Sollte die FDP in Hessen nach der Landtagswahl am kommenden Sonntag an die Macht kommen, könnten die Liberalen im Bundesrat Gesetze der Koalition blockieren. Umfragen sehen derzeit eine Mehrheit für CDU und FDP in dem Land.
"Mut zur Entlastung fehlt"
FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, der Bundesregierung fehle der Mut, die Bürger spürbar zu entlasten. Die durchschnittliche Steuerentlastung, die von der Koalition vorgesehen sei, werde bei einem normalen Haushalt gerade bei zehn oder 15 Euro im Monat liegen. "Es ist albern zu glauben, mit so banalen Beträgen die Konjunktur stabilisieren zu können."
Zudem hätten Union und SPD jede finanzpolitische Solidität aufgegeben. "Diese Koalition wird in die Geschichte eingehen als Regierung, die einerseits die größte Steuererhöhung seit Gründung der Republik beschlossen hat und andererseits so hohe Schulden gemacht hat wie noch nie eine Regierung zuvor", sagte Westerwelle dem "Münchner Merkur".
"Typische Klientelpolitik"
Kritik kam auch von den Grünen. "Es ist das Sammelsurium, das wir erwartet hatten", sagte Fraktionschef Fritz Kuhn. "Die Wirkungen sind sehr fragwürdig und sie haben ein großes Problem, nämlich sie entlasten nicht die sozial Schwachen."
Die stellvertretende Fraktionschefin Christine Scheel sagte bei n-tv, man habe den Eindruck, Union und SPD hätten "in ziemlich unsystematischer Art und Weise" ihre Handschrift in den Konjunkturpaket hinterlassen. "Das heißt, es ist für jeden ein bisschen was dabei. Aber vieles wird der Konjunktur sicherlich nicht nutzen."
Scheel kritisierte vor allem die "Rekord-Neuverschuldung". Die Regierung habe in den letzten Jahren massiv die Steuer- und Abgabenbelastung erhöht "und jetzt gibt es auch noch Schulden obendrauf für die nächste Generation. Das ist ziemlich wahnsinnig."
Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth sagte, die Koalition habe "typische Klientelpolitik" betrieben. Die Koalition habe nicht verstanden, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise eng mit der Klimakrise verbunden sei. Gut wäre es gewesen, Investitionen von Firmen zu fördern, die auf klimafreundliche und energieeffiziente Technologien setzen.
"Nur Almosen für Arme"
Wie Kuhn kritisierte Linksparteichef Lothar Bisky, die unteren Einkommen würden zu wenig berücksichtigt. "Es reicht hinten und vorne nicht", so Bisky.
Darüber ist auch der Paritätische Wohlfahrtsverband enttäuscht. "Während großzügige Schutzschirme für Unternehmen gespannt wurden, werden die Bedürftigen einmal mehr im Regen stehen gelassen und mit ein paar Almosen abgespeist", erklärte der Verband. Zwar seien die Investitionen in Bildung und Betreuung wichtig und die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder von 6 bis 13 Jahren "ein erster richtiger Schritt, doch müssten nun zwingend weitere Maßnahmen der Armutsbekämpfung folgen". Die Regelsätze werden von 60 auf 70 Prozent erhöht.
"Der Steinmeier-Plan"
Lob für die Beschlüsse kommt erwartungsgemäß von SPD und Union. Beide nutzten das Konjunkturprogramm zugleich für den Wahlkampf. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte bei n-tv, das Konjunkturpaket sei "im Wesentlichen der Steinmeier-Plan und das, was (Finanzminister) Peer Steinbrück erarbeitet hat".
Heil betonte vor allem die Investitionen in Bildung und Infrastruktur, die allerdings nur einen Anteil von rund 36 Prozent an den 50 Milliarden Euro haben. "Ich glaube, das wird bleiben, das wird kommunale Infrastruktur stärken und Beschäftigung sichern." Heils Fazit: "Unterm Strich ein gutes Paket, um Deutschland durch schwierige Zeiten zu führen."
"Strukturreform kommt später"
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte bei n-tv, die Koalition habe "die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir am Ende die Chance haben, gestärkt aus der Krise hervorzugehen". "Die wirkliche Strukturreform zur Abschaffung der kalten Progression muss in der nächsten Legislaturperiode erfolgen und das bleibt weiter unser Ziel."
Weiter sagte Pofalla, die Koalition habe vereinbart, "dass wir noch in dieser Legislaturperiode auf der einen Seite eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankern werden und auf der anderen Seite im Kabinett Ende Januar eine klare Vereinbarung über den Tilgungsplan für diese zusätzlichen Tilgungen vereinbart wird".
Krankenkassen und Städte zufrieden
Die gesetzlichen Krankenkassen begrüßten den geplanten höheren Steuerzuschuss für eine Senkung des Beitragssatzes um 0,6 Prozentpunkte auf 14,9 Prozent. "Es ist gut für die Beitragszahler und die Konjunktur, dass der Steueranteil an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung schneller als bisher vom Gesetzgeber geplant ausgebaut wird", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz. Ursprünglich war geplant, dass der Bund für Aufwendungen der Krankenkassen für Familien im Jahr 2009 vier Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds zahlt. Erst ab dem Jahr 2010 sollten sich die Leistungen des Bundes weiter um jährlich 1,5 Milliarden Euro bis zu einer Gesamtsumme von 14 Milliarden Euro erhöhen.
Positiv reagierte auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Das Konjunkturpaket sei ein Hoffnungssignal für die Kommunen wie auch für die Wirtschaft, sagte der Verbands-Geschäftsführer Gerd Landsberg. Mit dem Investitionsvolumen von 18 Milliarden Euro würden die Städte und Gemeinden in die Lage versetzt, endlich marode Schulen zu sanieren sowie Gebäude und Straßen in einen besseren Zustand zu bringen. "Das kann Aufbruchstimmung erzeugen, wenn das Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden wieder besser wird", sagte Landsberg.
Vertreter der Wirtschaft gaben sich eher enttäuscht. "Wo wir Schwerpunkte gesetzt hätten, wäre eine klarere Senkung der Abgaben, insbesondere bei Rente und Arbeitslosenversicherung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben, bei n-tv. Die Entlastung bei der Krankenversicherung sei "ein Kaschieren von einer falschen Reform". Wansleben forderte "eine Nachbesserung der Unternehmenssteuer". Das von der Koalition beschlossene Investitionsprogramm dagegen nannte er "so schlecht auch nicht".
Quelle: ntv.de