Schlechte Umfragewerte FDP hält Krisentreffen ab
07.02.2010, 10:09 Uhr
Westerwelle kommt zum Gespräch, das kein Krisengespräch sein soll.
(Foto: dpa)
Die FDP will trotz sinkender Umfragewerte und immer schärferer Kritik aus der Union ihren Kurs in Richtung weiterer Steuersenkungen beschleunigen. Die Liberalen wollen jetzt noch vor der Steuerschätzung im Mai und damit vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl ihr Konzept für weitere Steuersenkungen präsentieren. Parteipräsidium und Fraktionsvorstand beraten auf einem nächtlichen Krisentreffen über die Lage. "Es wäre doch abenteuerlich, wenn wir die Steuerstrukturreform nur von einer Steuerschätzung abhängig machen würden", sagte ein FDP-Führungsmitglied.
Die Bürger seien für ein faires Steuersystem, bekräftigte FDP-Chef Guido Westerwelle vor Beginn des Treffens. "Faire Steuern und solide Staatsfinanzen gehören zusammen", sagte er. Zudem widersprach er der Auffassung, es handle sich bei dem Gespräch um ein Krisentreffen. Eine Partei befinde sich erst dann in der Krise, wenn sie nicht mehr wisse, was sie wolle, so Westerwelle.
Die FDP geht damit auf Distanz zu dem Stillhalteabkommen, das die drei Parteichefs der Koalition vor drei Wochen in einem Sechs-Augen-Gespräch mühsam gefunden hatten. Damals hatten Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Westerwelle vereinbart, dass konkrete Zahlen über Steuerentlastungen und Sparmaßnahmen zur Gegenfinanzierung erst nach der Steuerschätzung Anfang Mai genannt werden sollen. "Wir müssen jetzt zeigen, dass Fortschritte möglich sind. Die Eckpunkte für die Steuerreform einschließlich der Sparvorschläge müssen vor der NRW-Wahl stehen", sagte ein Präsidiumsmitglied.
Rüttgers sperrt sich
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) widersprach umgehend dem FDP-Vorstoß. "Welchen Spielraum wir haben, das werden wir gemeinsam im Juni entscheiden", sagte er im ZDF. Er nahm auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in Schutz, der im "Spiegel" auf die angespannte Finanzlage der Kommunen hingewiesen und angekündigt hatte: "Nordrhein-Westfalen wird keiner Steuersenkung zustimmen, die dazu führt, dass in unseren Städten und Gemeinden Theater und Schwimmbäder geschlossen werden müssen." Schäuble verwies auf den Koalitionsvertrag und sagte: "Wir wollen - im Rahmen dessen, was möglich ist - Steuersenkungen, aber die Lage der Kommunen ist genauso wichtig."
Die Krisensitzung der FDP stand unter dem Eindruck eines massiven Verlusts von Vertrauen in die Partei, die bei der Bundestagswahl noch knapp 15 Prozent erreicht hatte. In Umfragen liegt sie jetzt bei 8 Prozent. Mit einem verschärften Kurs der Eigenständigkeit will die FDP vor allem in NRW die Stimmung zu ihren Gunsten wenden. Sie liegt dort in Umfragen bei 6 Prozent, strebt aber eigentlich 10 Prozent plus X an.
Bei dem Treffen der FDP-Spitze sollte es auch noch mal um den Alleingang des NRW-Landesvorsitzenden Andreas Pinkwart gehen, der eine Rücknahme der Steuerermäßigung für Hoteliers verlangt hatte. Westerwelle lehnte diesen Vorstoß am Sonntag erneut ab: "Das Thema ist bereits geklärt." Pinkwarts Äußerungen hatte zu heftiger interner Kritik geführt. Zusätzlichen Ärger gibt es bei den Liberalen wegen der Dauerkritik aus der Koalition an Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und der Absetzbewegung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) von einer deutlich längeren Nutzung der Atomkraft. Westerwelle bezeichnete diese Haltung als "absolut schweren Fehler".
"Ich kann auch anders"
FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, er habe Ungeduld und Veränderungswillen in der Bevölkerung unterschätzt. Die Chance der FDP sei, ihre Konzepte jetzt schneller als geplant konkret zu machen. Den Vorstoß Lindners, im April einen liberalen Entwurf für die Steuerreform vorzulegen, konterte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mit einer Warnung vor zu viel Tempo: "Wir halten gemeinsam mit der FDP am Ziel von Steuerentlastungen fest. Umfang und Schritte müssen sich an den Möglichkeiten orientieren", sagte er.
Westerwelle sagte dem Magazin "Der Spiegel" mit Blick auf den Koalitionspartner CSU: "Ich habe eine Engelsgeduld. Aber ich kann auch anders." Dies hätten die Christsozialen bereits im bayerischen Landtagswahlkampf 2008 erleben können. "Seitdem haben sie die absolute Mehrheit verloren und regieren jetzt mit der FDP. Daran sollte die CSU gelegentlich denken."
Quelle: ntv.de, dpa