Kleine Partei mit großen Plänen FDP will deutsche Mentalität reformieren
16.05.2015, 16:26 Uhr
FDP-Chef Linder sieht viel Reformbedarf in Deutschland.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die FDP konnte in Bremen und Hamburg jüngst wieder in zwei Landesparlamente einziehen. Mit diesem Erfolg im Rücken will die Partei nun die gesamte Republik vor einer "Wohlfühlstagnation" retten.
Nachdem seine Partei zuletzt den Einzug in einige Landesparlamente wieder geschafft hat, bläst FDP-Chef Christian Linder zum Generalangriff auf die im Bundestag vertretenen Parteien. Diese betrieben eine Politik des Stillstands, so Lindner, dessen Partei 2013 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Die FDP sehe ihre Aufgabe nun darin, die in "Wohlfühlstagnation" erstarrte Gesellschaft aufzurütteln, sagte der Vorsitzende auf dem Parteitag der Liberalen in Berlin. "Die erste Reform, die wir unserem Land empfehlen, ist eine Reform der Mentalität."
Lindner beklagte, dass sich eine "breite Phalanx aus Kulturpessimisten, Globalisierungsgegnern und so genannten Verbraucherschützern" jedem Fortschritt in den Weg stelle. Dabei gebe es in Deutschland großen Reformbedarf - im Bildungswesen, bei der Rente, im Steuersystem und im Einwanderungsrecht. Die FDP habe "den Mut, den Wandel in die Hand zu nehmen", sagte Lindner.
Den 662 Delegierten liegt ein 14-seitiger Leitantrag vor, in dem der Bundesvorstand der Partei die programmatischen Leitlinien der FDP ausformuliert hat. Am Nachmittag soll der Parteitag über die Vorlage mit dem Titel "Mehr Chancen durch mehr Freiheit" debattieren und abstimmen. Zuvor war Lindner mit über 92 Prozent für zwei Jahre als FDP-Bundesvorsitzender wiedergewählt worden. Die Freien Demokraten sind seit Herbst 2013 nicht mehr im Bundestag vertreten, hatten zuletzt aber überraschende Wahlerfolge in Hamburg und Bremen gefeiert.
Nach der Schulden- nun die "Steuerbremse"
In der Bildungspolitik fordert der Leitantrag einen radikalen Systemwechsel. Länder und Kommunen sollen viele Zuständigkeiten an den Bund abgeben, der künftig für die Finanzierung und Koordinierung des Bildungssystems verantwortlich sein soll. Die Leistung von Schulen soll an bundesweiten Bildungsstandards gemessen werden, ihr Erfolg soll auch Einfluss auf die Bezahlung der Lehrer haben. Eltern sollen "Bildungsgutscheine" für Schulen bekommen, dadurch soll der Wettbewerb der Institutionen gestärkt werden.
Das Steuersystem wollen die Liberalen "Schritt für Schritt radikal vereinfachen". Der Solidaritätszuschlag soll ab 2019 wegfallen. Bei der Einkommensteuer könnte nach Vorstellung des FDP-Vorstands am Ende auch eine "Flat Tax" stehen - also der gleiche Steuersatz für alle. Analog zur Schuldenbremse für die öffentlichen Haushalte fordert der Leitantrag eine "Steuerbremse": Dem Staat solle es verboten sein, mehr als die Hälfte der Einkünfte eines Bürgers zu vereinnahmen.
Die Liberalen wollen zudem Deutschland als Einwanderungsland attraktiver machen: Asylbewerber sollen arbeiten dürfen, Ausländer sollen unter bestimmten Umständen schon nach vier Jahren eingebürgert werden, die Einwanderung soll über ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild geregelt werden. In deutschen Behörden soll Englisch als Zweitsprache erprobt werden, um die Anwerbung von Fachkräften zu erleichtern.
Bankenrettung verbieten
In der Euro-Rettungspolitik setzt die FDP auf einen harten Kurs gegenüber Schuldenstaaten: Das Ausscheiden eines Staats aus der Gemeinschaftswährung dürfe "nicht tabuisiert" werden, heißt es in dem Leitantrag. Die staatliche Rettung von Banken will die FDP im Grundgesetz verbieten lassen.
Die Ehe soll nach Vorstellung der Liberalen ohne Einschränkung auch für homosexuelle Paare geöffnet werden. Für andere Formen des Zusammenlebens will die FDP ein neues Rechtsinstitut der "Verantwortungsgemeinschaft" einführen - etwa für alte Menschen in Senioren-Wohngemeinschaften. Die Liberalen wollen zudem den Datenschutz stärken, den Renteneintritt flexibler gestalten und die Gründung von Unternehmen vereinfachen.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP