Politik

Pro-Seite will Diskussion beenden Fall Sarrazin treibt Keil in die SPD

Das abrupte Ende des Ausschlussverfahrens gegen Thilo Sarrazin sorgt in der SPD für Streit. Führende Politiker äußern offen ihren Unmut, erste Mitglieder treten aus. Die Unterstützer des umstrittenen Ex-Bundesbankers wollen die Diskussion beenden - Klaus von Dohnanyi preist Sarrazin gar als einen unverzichtbaren "Querdenker".

(Foto: picture alliance / dpa)

Namhafte SPD-Politiker haben sich hinter den Beschluss gestellt, Thilo Sarrazin nicht aus der SPD auszuschließen. "Die SPD ist die Partei mit der größten Meinungsvielfalt", rechtfertigte der Chef der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer, den Verbleib des wegen seiner integrationspolitischen Thesen umstrittenen Ex-Bundesbankers. "Wir müssen Meinungsverschiedenheiten aushalten", rief er seine Partei in der "Rheinischen Post" zu einem Ende der internen Auseinandersetzung auf. "Es bringt nichts, weiter darüber zu streiten", befand auch der Sprecher des liberalen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, in der "Rheinischen Post".

Wegen Sarrazins heftig kritisierten Thesen zu Zuwanderern hatte die SPD ein Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator angestrengt. Nach einer schriftlichen Erklärung von Sarrazin bei einer Sitzung der Kommission hatten überraschend die vier Antragsteller ihre Ausschlussanträge zurückgezogen. Nach der Entscheidung der Berliner SPD-Schiedskommission ist vor allem Generalsekretärin Andrea Nahles parteiintern stark unter Druck geraten. Die Basis in Berlin brachte ihren Unmut in der "Berliner Erklärung" zum Ausdruck, erste Austritte künden von der Sprengkraft der Entscheidung.

Der geschäftsführende Bundesvorstand der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte der "Berliner Zeitung" (Mittwoch), er könne die Einstellung des Verfahrens "nicht nachvollziehen", da Sarrazin von seinen Thesen nicht zurückgetreten sei. "Nach dieser Entscheidung werden viele Wähler nichtdeutscher Herkunft der SPD den Rücken kehren", prophezeite Kolat, der den Arbeitskreis Integration und Migration der SPD leitet.

Einigung als Wahltaktik?

Streitet für Sarrazin: Klaus von Dohnanyi.

Streitet für Sarrazin: Klaus von Dohnanyi.

(Foto: picture alliance / dpa)

Selbst Teile der SPD-Parteiprominenz wie Innenexperte Dieter Wiefelspütz äußern sich deutlich: "Das Denken Sarrazins hat in der SPD nicht zu suchen", wetterte er in der "Tageszeitung". Viele Genossen vermuten, dass die Führung nur aus Rücksicht auf die kommenden Wahlen den in Teilen der Bevölkerung beliebten Sarrazin von einem Ausschluss verschont hatte.

Sarrazins Beistand vor der Schiedskommission, der frühere Hamburger Oberbürgermeister Klaus von Dohnanyi, wiedersprach diesem Vorwurf energisch. Im "Hamburger Abendblatt" behauptete er: "Es war nichts vorab abgesprochen. Und es hat auch nie einen taktischen Deal gegeben." Dohnanyi räumte ein, Sarrazins Buch sei kompliziert und nicht immer transparent. Aber auch "die selektiven Vorabveröffentlichungen in den Medien" hätten dazu geführt, dass Sarrazin "vielfach missverstanden" worden sei. Die SPD dürfe gegenüber "eigenwilligen Charakteren wie Sarrazin nicht zu verschlossen und skeptisch sein", fügte der SPD-Politiker hinzu. Die Partei brauche mehr "Querdenker wie Sarrazin".

NPD darf nicht mir Buchzitat werben

Die rechtsextreme NPD darf derweil in Berlin nicht mehr mit einem Satz aus Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" für sich werben. Das Berliner Landgericht untersagte der Partei in einer einstweiligen Verfügung, Zitate des ehemaligen Bundesbankers sowie seinen Namen in der Wahlwerbung zu verwenden, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Sollte die NPD dagegen verstoßen, droht ihr ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro.

Auf einer NPD-Postkarte war ein aus dem Zusammenhang gerissener Halbsatz aus Sarrazins Buch gedruckt: "Ich möchte nicht, dass wir zu Fremden im eigenen Land werden". Im Buch heißt es weiter: "Der gefürchtete Rechtsradikalismus wird nicht dadurch gefördert, dass wir unsere legitimen Präferenzen klar äußern und das politische Handeln nach ihnen ausrichten, sondern dadurch, dass wir die Dinge schleifen lassen." Das Gericht folgte der Argumentation von Sarrazins Anwalt Christian Schertz, wonach die NPD das Buch und den Namen Sarrazins missbrauche, um für ihre ausländerfeindlichen Ziele zu werben.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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