Arafats Haus geplündert Fatah schlägt zurück
16.06.2007, 11:34 UhrDer gewaltsame Machtkampf zwischen Fatah und Hamas hat auf das Westjordanland übergegriffen. Hunderte Fatah-Kämpfer stürmten von der Hamas kontrollierte Einrichtungen, darunter das Parlamentsgebäude und das Regierungsbüro in Ramallah. Ein Sprecher kündigte die Übernahme aller Hamas-Einrichtungen als Reaktion auf die Eroberung des Gazastreifens durch die radikalislamische Organisation an.
Im Parlament versuchten die Angreifer, einen stellvertretenden Präsidenten der Volksvertretung - den Unabhängigen Hassan Kreische - in ihre Gewalt zu bringen. Angestellte der Fatah hinderten sie aber daran. Auf dem Dach des Gebäudes hissten Fatah-Kämpfer die Fahne ihrer Organisation und feuerten in die Luft. Andere drangen in das Bildungsministerium und das Büro des Ministerpräsidenten vor.
In Nablus stürmten Fatah-Kämpfer die Stadtverwaltung. Sieben Hamas-Aktivisten wurden entführt. Auch in Hebron kam es zu Angriffen: Fatah-Aktivisten übernahmen nach eigenen Angaben die Kontrolle in Büros des Innen- und des Bildungsministeriums. Sie warnten Angestellte, die loyal zur Hamas stehen, vor einer Rückkehr an den Arbeitsplatz.
Während im Gazastreifen die Hamas inzwischen die alleinige Kontrolle hat, wird das Westjordanland weiter von der Fatah von Präsident Mahmud Abbas regiert. Rund 50 führende Fatah-Vertreter, die vor der Hamas aus dem Gazastreifen geflohen waren, trafen am Samstag im Westjordanland ein.
Arafats Haus geplündert
In Gaza plünderten Anhänger der Hamas das Haus des früheren palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat. Sie ließen Möbelstücke, Wandkacheln und persönliche Gegenstände des langjährigen Vorsitzenden der Fatah und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) mitgehen, wie Fatah-Funktionäre mitteilten. Beobachter werteten die Übergriffe als Versuch, nach dem Sieg der Hamas im Gazastreifen auch das höchste Symbol der geschlagenen Fatah zu zerstören. Am Grenzübergang Eres zu Israel plünderten nach Augenzeugenberichten hunderte Palästinenser Stützpunkte der palästinensischen Polizei.
Der designierte neue Ministerpräsident Salam Fajjad rang unterdessen um ein neues Kabinett. Ihm sollten nach Angaben eines Vertrauten von Abbas vor allem Unabhängige angehören. Die Hamas hat die Absetzung des bisherigen Regierungschefs Ismail Hanija nicht akzeptiert. Hamas-Führer Chaled Maschaal erklärte jedoch, Abbas werde weiterhin als der gewählte und legitime Präsident der Palästinenser betrachtet. Die Legitimität einer neuen Regierung unter Fajjad stellte die Organisation hingegen in Frage. Jedes Kabinett, das nicht die Zustimmung des Parlaments habe, werde als verfassungswidrig betrachtet, sagte der Hamas-Politiker Ahmed Bahar. Im Parlament hat die Hamas die Mehrheit, die Volksvertretung ist jedoch seit Monaten gelähmt.
UN-Blaumhelmtruppe?
In der Unionsfraktion im Bundestag wird die Entsendung einer UN-Blauhelmtruppe in den Nahen Osten erwogen. Die jüngsten Ereignisse in Gaza zeigten, dass die Palästinenser entweder nicht willens oder nicht in der Lage seien, einen lebensfähigen Staat zu bilden, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckart von Klaeden der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Deshalb müsse man den Einsatz einer UN-Truppe ernsthaft in Betracht ziehen. Voraussetzung sei aber, dass Hamas und Fatah zustimmen.
Die Vereinten Nationen in New York hatten bereits aus der Krisenregion selbst den Ruf nach einer Friedenstruppe für den Gazastreifen erhalten. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der israelische Regierungschef Ehud Olmert hätten einen internationalen Einsatz telefonisch bei ihm angesprochen, berichtete UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Mittwoch. Es gebe aber viele Fragen zu klären, unter anderem den Einsatzort und die Aufgabe einer möglichen Truppe. Ban: "All das ist unklar."
Quelle: ntv.de