Politik

"Sprechen mit uns wie mit Tieren" Flüchtlinge besetzen Berliner Fernsehturm

Unter den Flüchtlingen sind auch Frauen.

Unter den Flüchtlingen sind auch Frauen.

(Foto: Refugee fights)

Es ist eine verzweifelte Aktion: Rund 40 Flüchtlinge besetzen die Aussichtsplattform des Berliner Fernsehturms. Tasim und seine Mitstreiter kämpfen seit Jahren gegen das bestehende Asylrecht, nur hört ihnen niemand zu. Das wird sich nun ändern.

Ein gewaltiger Blitz schlägt in die Spitze des Fernsehturmes am Berliner Alexanderplatz ein. Nach der drückenden Schwüle des Tages verspricht das heftige Gewitter Linderung: Endlich ist der Druck raus. Für die rund 40 Flüchtlinge, die nur eine knappe Stunde zuvor die Kugel des Fernsehturmes besetzt haben, fühlt sich der Wetterumschwung wie eine Parabel auf ihre verzweifelten Versuche an, gehört zu werden: " Überall werden wir abgelehnt. Jeder hat die gleiche Antwort für uns, jeder schiebt uns weiter, niemand hört uns zu", sagt Tasim, der zusammen mit seinen Mitstreitern gegen das bestehende Asylgesetz und für ein Bleiberecht kämpft. Jetzt ist plötzlich alles anders: Alle Augen sind auf die Flüchtlinge gerichtet. Sie haben das berühmteste Wahrzeichen der Hauptstadt besetzt.

"Das jahrelange Warten, die Lagerpflicht, die Residenzpflicht, keine Arbeitserlaubnis, kein Recht auf Bildung und kein Recht auf Deutschkurse machen unser Leben unerträglich", bringt Tasim die Probleme Tausender Asylsuchender in Deutschland auf den Punkt. Der junge Mann ist das Sprachrohr der Gruppe, die sich auf dem Fernsehturm verschanzt hat. Er spricht ruhig, seine Stimme klingt am Telefon fast schüchtern - dennoch ist Tasims Entschlossenheit deutlich zu spüren: "Wir werden unsere Sitzblockade nicht auflösen, bevor wir nicht mit einem Politiker gesprochen haben, der für uns zuständig ist."

"Sie leugneten unsere Probleme"

Zuständigkeit: ein Wort, das Tasim und die anderen Flüchtlinge schon lange nicht mehr hören können. Zuständig ist im Normalfall nämlich niemand, das hat die Gruppe von Flüchtlingen aus mehreren deutschen Städten bei ihren politischen Aktionen in den vergangenen zwei Jahren mehr als einmal erfahren. Erst in der vergangenen Woche besetzte ein Teil von ihnen das Bundesamt für Migration in Nürnberg, um dort direkt mit den Verantwortlichen sprechen zu können - vergebens: "Wir sprachen mit Ihnen über unsere Probleme, doch auch sie schoben uns einfach weiter, ohne eine Lösung für uns parat zu haben. Sie leugneten viele unserer Probleme und gaben an, dass einzig und allein die Politiker in Berlin etwas ändern könnten."

Na gut, dachten sich Tasim und seine Mitstreiter: dann eben Berlin. Am Mittwoch reisen die Aktivisten aus ganz Deutschland an, lösen reguläre Zeitfenster-Tickets - und bleiben. Nun sitzen sie da oben in 203 Metern Höhe auf dem Teppichboden in der Kugel des Turmes und harren der Dinge, die da kommen: Menschen verschiedenster Nationalitäten und Altersgruppen, auch ein paar Frauen unter ihnen, die Shirts der Flüchtlingsinitiative "Kein Mensch ist illegal" tragen.

Unten im Foyer haben Unterstützer Plakate ausgerollt: "Gegen Lagerhaltung - ein deutsches Produkt" und andere Slogans sind auf ihnen zu lesen. Und davor Hundertschaften der Polizei, die bereits jetzt eine Wiederholung des Besetzungstraumas der Gerhart-Hauptmann-Schule aus der vergangenen Woche befürchten.

Wie es jetzt weitergeht, wissen auch die Beamten nicht. Die müssen erst einmal mit dem Besitzer des Fernsehturmes klären, ob "überhaupt ein Hausfriedensbruch" vorliegt, sagt eine Sprecherin. Dann werde man weitersehen. Wieder einmal fühlt sich niemand für die Flüchtlinge zuständig. Gespräche zwischen Besetzern und Polizei gibt es trotzdem schon, sagt Tasim: "Aber sie sprechen mit uns wie mit Tieren. Dabei sind wir doch auch nur Menschen."

Quelle: ntv.de

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