Unruhe auf der rechten Seiten Flügel-Balance der CDU gestört
25.05.2010, 18:15 UhrNach Kochs Abgang ist völlig unklar, wer künftig die Galionsfigur der Konservativen in der CDU werden soll. Dass so jemand gebraucht wird, ist auch der Parteizentrale klar.
Eigentlich könnte man vermuten, Angela Merkel müsse sich über den angekündigten Rückzug den hessischen Ministerpräsidenten aus der Politik freuen. Schließlich hatte Roland Koch die Politik der Kanzlerin in den vergangenen Wochen öffentlich kritisiert. Deshalb glaubten einige Beobachter dem von Merkel geäußerten Bedauern nicht, wird doch in der Politik oft unterstellt, dass öffentliche Bekenntnisse in Wahrheit das Gegenteil bedeuten.
Beim Rückzug Kochs dürfte dies aber nach Ansicht führender Christdemokraten nicht der Fall sein. Denn man muss unterscheiden zwischen seinen beiden Rollen als Ministerpräsident und als CDU-Parteivize. Absehbar war, dass Koch in Hessen nicht ein viertes Mal zu Landtagswahlen antreten würde. Das Ende seiner Zeit als Landeschef war also zu erwarten. Auch aus Sicht der Kanzlerin war klar, dass sie sich mit einem personellen Wechsel in Wiesbaden würde abfinden müssen.
In der CDU jedoch verstärkt der Rückzug Kochs die ohnehin großen Probleme von Parteichefin Merkel. Zwar ist nun mit Koch die Zahl ihrer möglichen Herausforderer weiter geschrumpft. Aber im "System Merkel" wie auch in gut geführten Unternehmen ist dies kein Vorteil, sondern ein Nachteil: Eine Volkspartei braucht eine ganze Reihe starker Persönlichkeiten, um erfolgreich zu sein - gerade, wenn sie eine so stark moderierende Vorsitzende hat wie Merkel.
Kochs Rückzug verstärkt aber die bereits aufgebrochenen Flügelkämpfe - und macht sie unkontrollierbarer. Denn in Wahrheit brechen der Parteichefin, die stets auf eine Machtbalance zwischen den verschiedenen Gruppen baute, derzeit gleich mehrere etablierte Flügel-Sprecher weg. Am linken Rand der CDU erlitt Jürgen Rüttgers bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen eine herbe Niederlage. Selbst wenn er im Amt bleiben sollte, wird die Stimme des "Arbeiterflügels" nicht mehr so laut zu hören sein.
Unruhe im konservativen Flügel
Noch größer ist aber die Unruhe auf der konservativen Seite. Schon vergangene Legislaturperiode monierten Konservative und Wirtschaftsreformer, unter Merkel verliere die CDU langsam ihr früheres Profil. Koch konnte diese Missstimmungen am rechten Rand kanalisieren, weil er wegen seiner Innenpolitik und seines ökonomischen Sachverstandes von den Kritikern geschätzt und respektiert wurde. Trotz seines Profils hat er aber stets die Meinung Merkels geteilt, dass sich die CDU grundlegend modernisieren müsse - auch mit einer anderen Familien- oder Einwanderungspolitik. Der Wechsel zwischen Kritik und Partei-Loyalität funktionierte, weil die Machtfrage zwischen beiden längst geklärt war, auch wenn Koch als Mitglied des "Andenpakts" - einer Seilschaft westdeutscher CDU-Politiker - bis zuletzt Verschwörungsgelüste unterstellt wurden.
Nun ist völlig unklar, wer künftig die Galionsfigur der Konservativen in der CDU werden soll. Dass so jemand gebraucht wird, ist auch der Parteizentrale und Merkel klar, die diese Rolle selbst nicht spielen kann. Wie dringlich eine Mobilisierung dieses Flügels für künftige Wahlerfolge ist, hat soeben die massenhafte Wahlenthaltung klassischer CDU-Anhänger in Nordrhein-Westfalen gezeigt.
Als Sprecher des konservativen Flügels bietet sich zwar Steffen Mappus an. Lautstark hat der baden-württembergische Ministerpräsident in den vergangenen Wochen etwa in der Atomfrage angekündigt, bundesweit mitmischen zu wollen. Im Kreise der CDU-Granden allerdings schüttelte man lagerübergreifend den Kopf, als er gleich den Rücktritt des Merkel-Vertrauten und Umweltministers Norbert Röttgen forderte - und damit selbst dafür sorgte, dass sein Vorstoß verpuffte.
"Mappus muss aufpassen, dass Christian Wulff nicht bald wieder der jüngste Ministerpräsident der CDU ist", frotzelt man in der Partei. In der CDU-Spitze verweist man aber in moderatem Ton auf mangelnde Erfahrung des erst 44-jährigen Ministerpräsidenten. Ein wirklicher Trost für die CDU-Chefin ist das nicht.
Quelle: ntv.de, Andreas Rinke, rts