Umgang mit "einer Frau Pauli" Freie Wähler mit Klärungsbedarf
26.09.2008, 12:44 UhrDie Freien Wähler sind die politischen Durchstarter in Bayern. Nachdem sie bei den Kommunalwahlen im Frühjahr bereits fast 20 Prozent der Stimmen holen konnten, können sie an diesem Sonntag mit dem Einzug in den bayerischen Landtag rechnen. "Ziel Nummer eins ist der Einzug", erklärt Hubert Aiwanger, Landesvorsitzender der Freien Wähler (FW), im Gespräch mit n-tv online und fügt hinzu: "Ziel Nummer zwei ist, die CSU unter die absolute Mehrheit zu drücken." Dann nämlich könnten in Bayern endliche einmal die Karten neu gemischt werden.
Auch für die Freien Wähler. Die bislang in erster Linie kommunal organisierte Bewegung – eine Partei wollen die FW explizit nicht sein – ist politisch höchst heterogen und landespolitisch unerfahren. Inhaltliche Forderungen orientieren sich vor allem an den Erfahrungen in den Kommunen. So fordern die Freien Wähler geringere Klassengrößen, Behebung des Lehrermangels, kostenfreie Kinderbetreuung, mehr Mitsprache für die Kommunen und die Stärkung des ländlichen Raums. So soll etwa die Versorgung mit schnellen Breitband-Internetanschlüssen vorangetrieben werden.
Aus den kommunalen Gruppierungen mit ihren rund 40.000 Mitgliedern eine landesweit schlagkräftige Truppe zu formen, wird auch nach der Wahl eine der größten Herausforderungen sein. Insbesondere, weil die Freien Wähler im Juni dieses Jahres prominenten Zulauf bekamen: Die Ex-Landrätin und CSU-Rebellin Gabriele Pauli. Ein bunter, exotisch anmutender Politik-Pfau in einer vorwiegend konservativ-bürgerlichen Bewegung.
Pauli will Einfluss nehmen
Im Gespräch mit n-tv online betont die ehemalige Landrätin zwar die Gemeinsamkeiten mit ihrer neuen politischen Heimat. "Aber es gibt nie eine 100-prozentige Übereinstimmung zwischen den Mitgliedern und einer politischen Gruppierung." Dass sich die Freien Wähler landesweit erst noch formieren müssen, findet Pauli deshalb spannend, "weil man die Richtung mit beeinflussen kann."
Solche Töne spiegeln das schwierige Verhältnis Paulis zu den FW wieder. Zwar sei die Zusammenarbeit "nach anfänglicher Skepsis gegenüber 'einer Frau Pauli'" inzwischen gut, erklärt die 51-Jährige. Doch dass Pauli mit ihrer medialen Anziehungskraft den Rest der Freien Wähler überblenden, gar zu einer Art heimlichen Vorsitzenden mutieren könnte, dürfte beim ein oder anderen in der Sammelbewegung noch immer eine Sorge sein.
Aiwanger selbst gibt sich diplomatisch, er habe da keine Probleme. "Mit Frau Pauli gehe ich ganz entspannt um", sagt er gegenüber. Schließlich profitierten die Freien Wähler auch von der größeren Aufmerksamkeit durch die Medien. "Und vielleicht holt sie in bestimmten Großstadtkreisen auch Stimmen, die wir sonst nicht bekommen hätten", meint der Vorsitzende.
Bürgerlich-wertkonservativ
Wie unterschiedlich Pauli und ihr neuer politischer Verein sind, zeigt sich bei Fragen nach der eigenen Einschätzung, politischen Zielen und möglichen Koalitionen. "Wir sind bürgerlich-wertkonservativ, im besten Sinne. Aber trotzdem modern, pragmatisch und offen – also nicht rückwärtsgewandt wie eine CSU", beschreibt der Vorsitzende Aiwanger die Freien Wähler. Er nennt auch konkrete Wählergruppen, die er erreichen will: Den öffentlichen Dienst, Landwirte und Mittelständler – allesamt Gruppierungen, die der CSU abspenstig gemacht werden sollen.
Kein Links-Rechts-Schema
Was bei Aiwanger so klar formuliert ist, klingt bei Gabriele Pauli allerdings etwas anders. "Meine Position lässt sich nicht in ein Links-Rechts-Schema einordnen", sagt sie. Und: "Bei jeder Partei finde ich Positionen, die ich unterstützen kann." Pauli geht es nach eigenen Angaben nicht um gezielte Wählergruppen und strategische Ziele – sie will "den Stil in der Politik ändern". Sie will den Beginn einer "ganzheitlichen Politik" einleiten, wie sie ihr persönliches Wahlprogramm betitelt.
Deshalb lehnt Pauli es auch ab, sich auf mögliche Koalition mit anderen Parteien festzulegen. "Ich habe einen anderen Ansatz: Es gibt bei allen Parteien Abgeordnete, mit denen man gut zusammenarbeiten kann." Es sollte eine Koalition quer durch alle Parteien geben, die aus Abgeordneten besteht, die sich auf Inhalte verständigten – nicht nach Parteibuch. Schon bei der CSU habe sie dafür plädiert, jemanden aus einer anderen Partei ins Kabinett mit aufzunehmen. "Dieses Parteiendenken brauchen wir nicht."
Koalitionswillig
Ihr Landesvorsitzender scheint das etwas anders zu sehen. Er hofft durchaus, nach dem möglichen Wegfall der CSU-Alleinherrschaft, Teil einer Parteienkoalition zu sein. "Gesprochen wird mit jedem, außer der Linkspartei", erklärt Aiwanger n-tv.de. Dass Ministerpräsident Günther Beckstein in dieser Woche aber eine Koalition mit FDP und Freien Wählern ausgeschlossen hat, mache die Sache im Fall der CSU schwieriger. Wobei Aiwanger nicht sicher ist, ob Beckstein nach der Wahl überhaupt noch Ministerpräsident sein könnte. "Wenn sie stark verliert, wird es in der CSU sicher einige personelle Veränderungen geben. Deshalb wissen wir heute noch gar nicht, mit wem wir dann eigentlich verhandeln sollen."
Während Aiwanger aufgrund der Umfrageergebnisse von sieben bis acht Prozent mit gestärktem Selbstbewusstsein auf die Wahl und die Arbeit im Landtag blickt, gibt Pauli die Bescheidene. Sie streben keine Posten an, stelle sich "in den Dienst der Freien Wähler", sagt die Frau, die auf ihrer Internetseite einen eigenen Fan-Artikel-Bereich hat.
So tritt Pauli im Wahlbezirk Mittelfranken zwar nur auf Listenplatz acht an. Doch erlaubt es das bayerische Wahlsystem, einzelne Kandidaten direkt anzukreuzen, weshalb die ehemalige Landrätin durchaus darauf hofft, als "wohl der bekanntester Name auf dieser Liste" nach vorne gewählt zu werden. Wenn die Freien Wähler über fünf Prozent erzielten, habe sie gute Chancen in den Landtag zu kommen.
Keine falsche Bescheidenheit
Darauf angesprochen, ob sie beim Einzug in den Landtag sich die Fraktionsführung vorstellen könne, übt Pauli sich erneut in demonstrativer Zurückhaltung: "Ich brauche dieses Amt nicht." Zugleich will sie diese Option aber auch nicht ganz ausschließen. "Wenn die Fraktion der Meinung ist, ich wäre die geeignete Kandidatin, dann bin ich gerne bereit", erklärt sie.
Da dürfte Aiwanger etwas dagegen haben. Zwar betont auch er, dass die Landtagsabgeordneten das zu entscheiden hätten. Aber: "Ich kann mir vorstellen, dass es auf mich zulaufen könnte." Die Karten werden nach der Landtagswahl neu gemischt. Auch bei den Freien Wählern.
Quelle: ntv.de