Ein "riesiger Erfolg" Friedliche Wahlen im Irak
31.01.2009, 20:18 UhrOhne größere Zwischenfälle haben die Iraker mit großem Enthusiasmus bei der ersten Wahl seit 2005 ihre Stimme abgegeben. Umgeben von Stacheldrahtverhauen und Polizeiketten wählten die Menschen in 14 der 18 Provinzen neue Kommunalparlamente. Die Wahlen galten als wichtiger Test für die Sicherheitslage, die sich in den vergangenen Monaten vor dem geplanten Abzug der US-Truppen verbessert hat.
Tausende von irakischen Polizisten und Soldaten sicherten die Gebiete um die Wahllokale. In einem Großteil des Landes herrschte dennoch Ferienstimmung: In der normalerweise staugeplagten Hauptstadt Bagdad nutzten Kinder ein Fahrverbot zum Fußballspielen.
Obama gratuliert
US-Präsident Barack Obama hat dem irakischen Volk zu den Provinzwahlen gratuliert. Millionen Iraker in allen Landesteilen hätten friedlich ihre Stimmen abgegeben, hieß es in einer vom Weißen Haus veröffentlichten Erklärung. Es sei nun wichtig, dass die Provinzräte ihre Arbeit im Namen des Volkes aufnähmen, das sie gewählt habe.
Obama hob zugleich hervor, dass die irakische Regierung die Wahlen mit Unterstützung des Büros der Vereinten Nationen organisiert habe und irakische Polizei- und Militärkräfte für Sicherheit bei der Stimmabgabe gesorgt hätten. "Dieser wichtige Schritt vorwärts sollte den Prozess der Übernahme der Verantwortung der Iraker für die eigene Zukunft fördern", betonte der Präsident.
Ergebnisse erst "in Wochen"
Mit ersten Ergebnissen der Wahlen ist frühestens am kommenden Mittwoch zu rechnen. Der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission, Faradsch al-Haidari, sagte nach Schließung der Wahllokale, das amtliche Endergebnis werde möglicherweise sogar erst "in mehreren Wochen vorliegen". Er appellierte an alle politischen Kräfte, geduldig auf die Ankündigung des Endergebnisses zu warten.
Die erste Phase der Stimmenauszählung begann nach Angaben von Beobachtern in den Wahllokalen, anschließend sollten die Wahlurnen zur Wahlkommission gebracht werden.
"Fast wie eine Hochzeit"
Das Verteidigungsministerium erklärte nach Schließung der Wahllokale, es habe keine Sicherheitsprobleme bei der Wahl gegeben. "Es lief alles so ab, wie wir geplant und gehofft hatten", sagte ein Sprecher. "Ich werte das als riesigen Erfolg - fast wie eine Hochzeit."
Der Leiter des Büros der Vereinten Nationen im Irak, Staffan de Mistura, lobte derweil den Ablauf der Wahl. Er sagte: "Ich gratuliere (...), dies ist ein Tag der Demokratie." Die Wahlbeteiligung war laut de Mistura, hoch. Genauere Angaben wollte die zentrale Wahlkommission am Sonntagvormittag veröffentlichen. Insgesamt überwachten 800 internationale Beobachter die Abstimmung.
Fahrzeuge wurden nicht in die Innenstädte gelassen, um Anschläge mit Autobomben zu verhindern. Flughäfen und Grenzen blieben geschlossen. Sicherheitskräfte untersuchten Wähler nach Sprengstoffwesten und Rückständen von Bomben. Über den Städten schwebten neben Ballons mit politischen Botschaften der Kandidaten auch Luftschiffe, mit denen die US-Truppen versuchten, mögliche Raketen- oder Granatenangriffe aufzuspüren.
Landesweit gab es lediglich Berichte über zwei Zwischenfälle. In Tikrit, der Heimatstadt des früheren Machthabers Saddam Hussein, schlugen drei Mörsergranaten nahe eines Wahllokals ein. Niemand wurde verletzt. Bei einem Feuergefecht mit Soldaten in dem Bagdader Elendsviertel Sadr City erschossen irakische Sicherheitskräfte nach einem Gerangel zudem einen Zivilisten und verletzten eine weitere Person. Während des Wahlkampfs waren bei Anschlägen mindestens fünf Kandidaten gestorben.
"Unsere Chance auf Veränderung"
Nach dem Anfang des Jahres in Kraft getretenen Sicherheitsabkommen übergibt das US-Militär der irakischen Armee immer mehr Verantwortung im Land. Die Gewalt ist in den vergangenen Monaten zwar deutlich zurückgegangen, trotzdem kommt es immer wieder zu Anschlägen. Die 2003 in den Irak einmarschierten US-Truppen sollen das Land bis Ende 2011 wieder verlassen. Der neue Präsident Barack Obama hatte aber im US-Wahlkampf immer wieder betont, die Soldaten innerhalb von 16 Monaten nach Hause zu holen.
"Mein Leid hat mich dazu gebracht, zu wählen", sagte der Wahlhelfer Asad Wahajab in der südirakischen Stadt Basra. Nach der Abstimmung sei er wieder arbeitslos, erklärte der Mann. "Wir haben viel erduldet, und dies ist unsere Chance auf Veränderung." In einer Wüstenstadt nahe der syrischen Grenze erklärte der 19-jährige Jamil Kirtohamo am Rande einer von Schlaglöchern gesäumten Straße: "Es ist meine erste Wahl und ich bin wirklich aufgeregt. Ich hoffe, dass, wer auch immer die Abstimmung gewinnt, er diese Straße befestigt." Über ihm bewegten sich Scharfschützen der Polizei auf dem Dach der Schule, in der das Wahllokal untergebracht war.
Stimmungsbarometer für die Parlamentswahl
Für den ersten Urnengang seit 2005 waren 15 Millionen der 28 Millionen Iraker registriert. Die Wahllokale öffneten um 5.00 Uhr MEZ und schlossen nach einstündiger Verlängerung um 16.00 Uhr MEZ. In drei kurdischen Provinzen wird getrennt gewählt. Zudem wurde in dem ölreichen Gebiet von Kirkuk der Urnengang abgesagt, weil sich niemand auf die Abstimmungsregeln einigen konnte.
Der Ausgang der Abstimmung gilt auch als Stimmungsbarometer für die Parlamentswahl, die ebenfalls in diesem Jahr ansteht und bei der sich Ministerpräsident Nuri al-Maliki zur Wiederwahl stellen will. Al-Maliki sieht sich zahlreichen Herausforderungen in den verschiedenen Regionen gegenüber. Im Süden fordern schiitische Rivalen seine Regierung heraus, im Westen wollen sunnitische Stammesführer nach ihrem Kampf gegen die radikal-islamische Al Kaida ihren Einfluss in religiösen Parteien stärken, während im Norden arabische Gruppen nach dem Boykott der letzten Wahlen versuchen, den Kurden einen Teil der regionalen Macht abzunehmen.
Quelle: ntv.de, Von Wisam Mohammed und Peter Graff, Reuters