"Es gibt Nicht-Integrationswillige" Friedrich verteidigt Muslim-Studie
02.03.2012, 07:11 Uhr
Die Diskussion um Ansatz, Ursachen und Interpretation der Studie zur Integrationswilligkeit junger Muslime ist in vollem Gange. Die Grünen bemängeln die "populistische Darstellung", auch die Bundesjustizministerin äußert Zweifel am Sinn der Untersuchung. Unterstützung bekommt Innenminister Friedrich vom Zentralrat der Muslime.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU hat die neue Studie seines Hauses zur Integrationsfähigkeit junger Muslime im Grundsatz gegen Kritik verteidigt. "Diese Studie ist sehr ausführlich, in der es um sehr viele komplexe Randerscheinungen geht", sagte Friedrich. Er stellte klar: "Die Moslems lehnen in ihrer großen Mehrheit ganz scharf den Terrorismus ab, und die allermeisten sind gerne bereit, sich in Deutschland zu integrieren."
Daneben sehe er aber kritische Aspekte: "Es gibt eine Zahl von Nicht-Integrationswilligen, und es gibt sicher auch eine Zahl von vor allem jungen Leuten, die für Radikalisierung anfällig sind." Friedrich betonte: "Gerade morgen jährt sich der erste islamistische Anschlag auf deutschem Boden von einem jungen Mann in Frankfurt, der sich selbst radikalisiert hat. Ich kann diese Phänomene doch nicht ignorieren."
Diskussion um Ursachen
Die Studie des Ministeriums hatte zuvor für Streit in der schwarz-gelben Koalition gesorgt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP stellte die Aussagekraft der Studie infrage. Es bestehe die Gefahr, damit lediglich Schlagzeilen zu produzieren. Auch die Opposition griff Friedrich wegen der Studie an, unter anderem wegen der Methodik der Untersuchung.
Die Grünen warfen der Bundesregierung eine populistische Darstellung durch die Erstveröffentlichung der Studie in der "Bild"-Zeitung vor. Auch die "mit Scheuklappen versehenen Kommentare von Unionspolitikern" zielten auf eine Spaltung der Gesellschaft ab, bemängelte der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic. "Nicht Religion oder die Einwanderungsgeschichte sind die entscheidende Ursache für Jugendgewalt, sondern Chancen- und Perspektivlosigkeit." Die Benachteiligung von Jugendlichen aus Einwandererfamilien auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt müsse endlich aufhören.
Für Aufregung sorgten vor allem die Zahlen über junge Muslime, die eine Integration in Deutschland ablehnen. Demnach stehen 22 Prozent der deutschen Muslime zwischen 14 und 32 Jahren einer Eingliederung eher zurückhaltend gegenüber. Bei den Muslimen ohne deutschen Pass hätten sogar 48 Prozent starke Separationsneigungen. Die Studie erfasste "streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz". In der Gruppe der jungen Muslime treffe dies auf 15 Prozent bei den deutschen und etwa 24 Prozent bei den nichtdeutschen Jugendlichen zu.
Zentralrat der Muslime bestätigt Ergebnisse
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeigte sich besorgt über Radikalisierungstendenzen junger Muslime. "Die Studie bestätigt unsere Erkenntnisse: Diskriminierung begünstigt Extremismus. Wenn dann noch fanatisierte Religionsvorstellungen dazu kommen, kann das bei einigen Jugendlichen wie ein Brandbeschleuniger wirken", sagte er. Jetzt sei die Politik gefragt, so Mazyek. Sie müsse die Muslime noch stärker als bisher in der Präventionsarbeit unterstützen.
Der Kriminologe Christian Pfeiffer warnte vor pauschaler Angstmache. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" reagierte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen verärgert auf die Studie: "Wenn wir den Muslimen bereits als Grundschüler die Hand reichen, landen sie auch nicht in der Ecke der Frustrierten, wo sie sich hinter der Religion verschanzen." Pfeiffer forderte eine "mutmachende Nachhilfe" für die Sechs- bis Zwölfjährigen. Die Studie habe mit einigen hundert Befragten zu wenige Teilnehmer gehabt, die zudem bereits zu alt gewesen seien, und sie vernachlässige regionale Aspekte.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa