CSU im Amigo-Mief Für Seehofer läuft es nicht rund
26.04.2013, 16:22 Uhr
Eigentlich kann CSU-Chef Seehofer gar nichts dafür, dass die christsoziale Fraktion sich in Bayern dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ausgesetzt sieht. Aber nun fällt Seehofer sein Ruf als lose Kanone auf die Füße. Ein potenzieller Nachfolger lästert schon über den "eiskalt gehopften Hallodri".
Man muss ziemlich tief in die Kiste der abgedroschenen Fußball-Zitate greifen, um die Lage der CSU zu beschreiben. "Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu." Der Spruch des Essener Stürmers Jürgen Wegmann trifft es ganz gut.
Denn einerseits trifft Horst Seehofer keine unmittelbare Schuld am aktuellen CSU-Skandal. Andererseits trägt er natürlich die politische Verantwortung, wenn etwas schiefläuft in seinem Laden. Die Regelung, die es Abgeordneten im bayerischen Landtag ermöglichte, Ehepartner oder Kinder als Mitarbeiter zu beschäftigen, sei ihm nicht bekannt gewesen, sagt Seehofer. Das mag stimmen: Als die Altfall-Klausel beschlossen wurde, war Seehofer Unionsfraktionsvize in Berlin.

Fraktionschef Schmid stolperte über einen völlig legalen Vorgang: Er zahlte seiner Frau monatlich zwischen 3500 und 5500 Euro.
(Foto: dpa)
Und doch macht es einen miesen Eindruck, wenn der Chef nicht weiß, dass seine Mitarbeiter den Staat nach Kräften abzocken - wobei, das muss betont werden, nicht gegen Gesetze verstoßen wurde. Außer vielleicht vom CSU-Abgeordneten Georg Winter, der seine 13 und 14 Jahre alten Söhne eingestellt hatte. Es könnte sein, dass Winter nun 10.000 Euro zurückzahlen muss, weil der jüngere seiner Buben aus Gründen des Jugendschutzes Papis Computer nicht hätte warten dürfen. Legal waren dagegen die bis zu 5500 Euro, die der zurückgetretene Fraktionschef Georg Schmid seiner Frau monatlich zahlte.
Lästige Fragen im Fall Hoeneß
Nahtlos schloss die Abzocker-Affäre an den Fall des mutmaßlichen Steuerbetrügers Uli Hoeneß an. Der Bayern-Präsident ist kein CSU-Mitglied, doch er gilt als CSU-nah; so ist etwa Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber Vorsitzender des Verwaltungsbeirats des FC Bayern. Und dummerweise hatte Seehofer schon früh durchblicken lassen, dass er bereits "vor einer geraumen Zeit" über die Steuerermittlungen gegen Hoeneß informiert worden war.
Ein gefundenes Fressen für die Opposition, wenn es bislang auch nur Fragezeichen sind, die hinter ihren Vorwürfen stehen: "Interessant wäre die Frage, ob die bayerischen Landespolitik oder die bayerische Landesregierung, vielleicht sogar der Ministerpräsident selbst, Einfluss darauf genommen hat, wie damit umzugehen sein wird", sagte etwa SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier über die Causa Hoeneß. Die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt bemerkte, bei Seehofer stelle sich "schon die Frage, zu welchem Zeitpunkt er von Hoeneß' Schweizer Konto wusste".
Abgerundet werden derlei Fragen durch die Nachricht, dass es nicht genügend Steuerfahnder in Bayern gibt: "Die bayerische Steuerverwaltung ist im Ländervergleich bei der Personalausstattung bei allen Kennziffern Schlusslicht", sagt der bayerische SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Auch hier stellt sich mindestens eine Frage: Schaut die CSU-Landesregierung mit Absicht nicht so genau hin?
"Die alte Amigo-CSU ist nicht tot"
Im Landtag schallt der CSU bereits der Schlachtruf "Amigo" entgegen. Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause sagt, die "alte Amigo-CSU ist nicht tot, sondern lebendiger denn je". Ihre Diagnose: Die CSU ist "in heller Aufregung". Kein Wunder: Vor 20 Jahren führte die "Amigo-Affäge" zum Rücktritt des damaligen CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl. Wie bei den meisten Affären war der eigentliche Rücktrittsgrund weniger der ursprüngliche Vorwurf, bei dem es um Zuwendungen aus der Wirtschaft ging, sondern Streibls hanebüchene Unbelehrbarkeit im Umgang damit.
Eine solche Unbelehrbarkeit lässt sich auch heute wieder besichtigen. "Nach wie vor bin ich der festen Überzeugung, dass ich mich immer rechtlich und politisch korrekt verhalten habe" lautet der erste Satz von Schmids Rücktrittserklärung. Seehofer hätte Schmid wohl in jedem Fall zum Rücktritt gedrängt, doch diese Haltung war es, die den CSU-Chef vor allem geärgert hat: "Ein Problem wird erst durch einen Sekundärfehler zum richtigen Problem", sagte er Teilnehmern zufolge am Mittwoch in einer Sondersitzung der CSU-Fraktion.
Die lose Kanone
Jetzt muss Seehofer den Laden zusammenhalten. Dabei gehen einige der CSU-Probleme am Ende doch klar auf sein Konto. Nach dem Vorbild von CDU-Chefin Angela Merkel hat Seehofer die CSU zu einer inhaltlich weitestgehend beliebigen Partei gemacht - mit dem Unterschied, dass Merkel zwar von den Konservativen in der Union für ihre zahlreichen Kurswechsel kritisiert wird, bei den meisten Wählern und auch in ihrer Partei jedoch gut ankommt.
Seehofer dagegen gilt als unberechenbar, als lose Kanone auf dem Schiff der Union. Kaum eine Gelegenheit, die er auslässt, wenn es darum geht, Merkel in die Parade zu fahren. Die Kanzlerin schließt eine Senkung der Stromsteuer aus? Seehofer fordert sie trotzdem. Merkel lehnt die Pkw-Maut kategorisch ab? Seehofer zuckt mit den Schultern. Die Union debattiert über eine Änderung ihrer Haltung zur Homo-Ehe? Aus München kommt ein klares Njet.
Auch nach innen pflegt Seehofer die Konfrontation. Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg? Ein Glühwürmchen. Bayerns Finanzminister Markus Söder? Von Ehrgeiz zerfressen. Verkehrsminister Peter Raumsauer? Zar Peter, höhö. Seehofer lässt keinen Zweifel daran, wie sehr er seine potenziellen Nachfolger verachtet. So führt man keine selbstbewusste Partei, so führt man jeden Club ins Chaos.
Der Rebell genießt und wartet
Und doch hat das System Seehofer bislang gut funktioniert: In Umfragen liegt die CSU seit Monaten stabil zwischen 46 und 49 Prozent, meist im oberen Bereich dieses Spektrums. Heißt: Die absolute Mehrheit, einst der Normalfall für die bayerische Staatspartei, ist in greifbare Nähe gerückt. Heißt aber auch: Selbst ein Plus von 3 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl von 2008 wäre kein Erfolg. Damals entschieden sich nur 43,4 Prozent der Wähler für die Christsozialen.
Für Seehofer ist nun Ruhe die erste Bürgerpflicht. Neuer Fraktionschef wurde nicht Söder, sondern die frühere Sozialministerin Christa Stewens. Sie ist 67 und kandidiert nicht erneut für den Landtag, ist also eine klare Übergangslösung. Seehofer wollte um jeden Preis verhindern, dass infolge der Vettern-Affäre eine Kabinettsumbildung nötig wird. "Eine Person aus dem Kabinett kommt nicht infrage", sagte er. Damit war Söder aus dem Rennen - für Seehofer sicher ein angenehmer Nebeneffekt: Er will Söder kleinhalten und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner als Kronprinzessin installieren. Das könnte schiefgehen, spätestens seit der Ehrgeiz-Lästerei gilt Söder in der CSU nicht mehr als Streber, sondern als Rebell.
Söder genießt - und wartet. Am Donnerstagabend dachte er beim Münchner Maibockanstich laut darüber nach, welches Bier wohl zu seinem Chef passe. Die Antwort: "Eiskalt gehopfter Hallodri!" Elf Freunde müsst ihr sein, hieß die Empfehlung der Sportreporterlegende Sammy Drechsel. Davon ist die CSU weit entfernt.
Quelle: ntv.de