Merkel und Sarkozy stimmen sich ab G20-Gipfel beginnt
24.09.2009, 22:45 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zum G20-Weltfinanzgipfel in Pittsburgh (US-Bundesstaat Pennsylvania) eingetroffen. Sie und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy werden vor dem Beginn des Treffens der 20 stärksten Wirtschaftsnationen der Welt noch einmal ihre Positionen abstimmen. Das verlautete nach der Ankunft Merkels in den USA aus den Delegationen.
Offensichtlich gibt es die Sorge, dass die USA und Großbritannien eine Reform des globalen Finanzsystems verwässern könnten. Die starken Finanzzentren in New York und London versuchen, allzu strenge Auflagen durch die G20 zu verhindern.
Merkel setzt Prioritäten
Unmittelbar vor Beginn des Gipfels hatte sich Merkel besorgt über die Erfolgschancen der verabredeten Weltfinanzreform gezeigt. Die Kanzlerin warnte vor ihrer Abreise in die USA, der Elan könne jederzeit nachlassen. Sie fürchtet, die von US-Präsident Barack Obama angestoßene Grundsatzdebatte über Handelsungleichgewichte könnte die Finanzreform auf dem zweitägigen Gipfel überlagern.
Wie Präsidialamtssprecher Robert Gibbs an Bord der Air Force One von New York nach Pittsburgh sagte, schließen sich beide Themen gegenseitig nicht aus. Gibbs unterstrich, dass die Reform der Finanzmärkte das wichtigste Thema beim Treffen der 20 großen Industrie- und Schwellenländer sei. Ebenfalls Priorität habe aber auch die Beseitigung von wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Welt.
Von Klimaschutz bis Weltwirtschaftsregierung
Die Gipfel-Agenda reicht vom Klimaschutz über den Welthandel und künftige Wachstumsstrategien bis hin zur Debatte über eine IWF-Reform und die Schaffung einer Art Weltwirtschaftsregierung. Auf Einladung von US-Präsident Barack Obama findet zuerst ein Abendessen statt. Die Arbeitssitzungen finden am Freitag statt. Dann soll eine gemeinsame Erklärung fertig sein.
Schwierige Verhandlungen werden unter anderem in der Frage erwartet, wie Bonuszahlungen an Bankmanager begrenzt werden können. Auf der Tagesordnung steht außerdem die Frage, wie Banken effektiver beaufsichtigt werden und sich stärker gegen künftige Krisen wappnen können - etwa durch höhere Anforderungen an die Ausstattung mit Eigenkapital.
Deutschland will Finanzmärkte regulieren
Merkel hatte vor ihrem Abflug aus Berlin den Gipfel in Pittsburgh als "entscheidende Wegmarke" für eine bessere Kontrolle von Banken und Finanzmärkten bezeichnet. Gemeinsam mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) will die Bundeskanzlerin vor allem für weitere Schritte zur Regulierung der Finanzmärkte werben. Merkel sagte, wie von den USA und Großbritannien gewünscht, könne auf dem Gipfel auch über Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft, Währungsrisiken und Wachstumsstrategien geredet werden. Es dürften aber nicht Ersatzthemen gesucht werden, um vom zentralen Feld der Finanzmarkt-Stabilisierung abzulenken, warnte die Kanzlerin.

Zusammen mit Steinbrück will Merkel den Vorrang der Politik gegenüber der Wirtschaft durchsetzen.
(Foto: AP)
Die Bundesregierung will in Pittsburgh verhindern, dass die wiedererstarkte angelsächsische Bankenlobby verschärfte Regeln untergräbt. Ein Stück weit müsse die Politik den Mut haben, etwas zu machen, das die großen Banken nicht begrüßen, sagte Merkel. Auch Finanzminister Steinbrück will sich dem Druck von Wall Street und Londoner City nicht beugen. "Franz Josef Strauß hat einmal gesagt: Man darf einem Hund nicht den Wurstvorrat zur Bewachung überlassen."
Der "Passauer Neuen Presse" sagte Steinbrück: "Ich hoffe, dass wir die Amerikaner weiter im Boot halten können." Merkel erklärte im Bayerischen Rundfunk, es gebe Tendenzen, dass die Banken schon wieder sagten: "Lasst uns mal machen, dann wächst die Wirtschaft auch wieder richtig". Deshalb müsse festlegt werden: "Keine Bank darf so groß sein, dass sie wieder Staaten erpressen darf. Das ist für mich der wichtigste Punkt." In den USA und Europa waren in der Krise mit gigantischen Summen an Steuergeld große Finanzkonzerne gerettet worden, um einen Zusammenbruch der Märkte zu verhindern.
Guttenberg mahnt zur Vorsicht
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mahnte beim Reizthema Eigenkapital für Banken zur Vorsicht. "Wir müssen darauf achten, dass neue Eigenkapitalanforderungen zum rechten Zeitpunkt mit dem nötigen Augenmaß eingeführt werden", sagte er dem "Handelsblatt" (Donnerstag). "Die Zeit dafür dürfte erst reif sein, wenn die gegenwärtige Krise überwunden ist." Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte in Berlin: "Ich hoffe sehr (...), dass aus den Grundsätzen, die auf den Weltfinanzgipfeln in New York und in London behandelt worden sind, endlich Politik wird."
Bundesbankpräsident Axel Weber erwartet vom G20-Gipfel "deutliche Änderungen" im weltweiten Finanzsystem. Zum Thema Managergehälter sagte er im Deutschlandfunk: "Es geht darum, die richtigen Anreize zu setzen, was die Vergütungssysteme betrifft. Kurzfristiger Unternehmenserfolg sollte nicht mehr im Mittelpunkt stehen."
Kritik von der Opposition
Der Chef der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, kritisierte Merkel und Steinbrück. Beide könnten außer populistischen Ankündigungen nichts vorzuweisen. "Weder haben sie Geschäfte mit Steueroasen und Geschäfte außerhalb der Bilanz verboten, noch den Handel mit verbrieften Schrottpapieren", sagte Lafontaine.
Ähnlich äußerte sich Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin im "Hamburger Abendblatt": "Schwarz-Rot hat keine Steueroase geschlossen, keine Verschuldungs- oder Eigenkapitalregeln für die Banken erlassen, keine wirksame Finanzaufsicht auf EU Ebene geschaffen. Merkels und Steinbrücks Lautsprecherei auf internationalem Parkett ist vollkommen unglaubwürdig." Und auch der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte in Stuttgart: "Die Bundesregierung sagt in Pittsburgh, was alles zu tun ist für die Neuregelung der Bankenaufsicht, hat es aber zu Hause nicht zustande gebracht."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP