Politik

Razzia im Präsidialamt Gabriel beklagt neuen "Tiefpunkt"

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Die Ermittlungen gegen den Wulffs Ex-Sprecher Glaeseker sind längst bekannt. Dass dabei jedoch die Räume des Bundespräsidialamts durchsucht werden, hat eine neue Qualität. SPD-Chef Gabriel fordert von Kanzlerin Merkel, endlich den Weg für eine Neubesetzung der Spitze des Staates frei zu machen. Auch die FDP wird langsam ungeduldig.

Die SPD verschärfte den Ton wegen der Durchsuchung im Präsidialamt. In der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff und dessen Ex-Sprecher Olaf Glaeseker ist das aus Sicht der Sozialdemokraten ein beispielloser Vorgang. Parteichef Sigmar Gabriel hält die neuerliche Entwicklung für "unglaublich", wie er am Rande der SPD-Vorstandsklausur in Potsdam sagte. "Das ist schon ein Tiefpunkt in der demokratischen und politischen Kultur unseres Landes."

"Es steckt offensichtlich ein System dahinter. Es ist der Versuch unternommen worden, sich ein Land wie Niedersachsen zur Beute zu machen", sagte Gabriel. Er könne sich nicht vorstellen, dass Wulff in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident von den Aktionen Glaesekers überhaupt nichts mitbekommen habe. Gabriel forderte Kanzlerin Angela Merkel erneut auf, gemeinsam einen Nachfolger für Wulff zu finden. "Die SPD kann den Rücktritt von Herrn Wulff nicht durchsetzen", betonte Gabriel.

Staatsanwalt hat "qualifizierten Tatverdacht"

"Die ganze Affäre beschädigt nicht nur Christian Wulff, sondern inzwischen auch das Amt des Bundespräsidenten und Deutschlands Ansehen in der ganzen Welt", legte Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, in der "Welt" nach. Durchsuchungen wegen möglicher Korruption im unmittelbaren Umfeld des Bundespräsidenten seien ein schwerwiegender Vorgang. "Es wäre an der Zeit für einige klärende Worte von Angela Merkel. Es reicht." Angela Merkel stellte sich derweil erneut vor den Bundespräsidenten.        

Jahrelang unzertrennlich: Sprecher Glaeseker und Politiker Wulff.

Jahrelang unzertrennlich: Sprecher Glaeseker und Politiker Wulff.

(Foto: dapd)

Auch Vertreter der Regierungskoalition reagierten mit Entsetzen auf die neuen Berichte. Aus der FDP kamen Rufe nach einer öffentlichen Erklärung Wulffs. "Staatsanwaltschaft und Polizei haben Anlass, Deutschlands erste Adresse zu durchsuchen, der Hausherr aber bleibt wieder einmal sprachlos", erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter. "Man fragt sich, ob der prominente Mieter in Bellevue noch irgendetwas vom realen Leben draußen mitbekommt oder sich schon im Panikraum des Schlosses verschanzt hat."    

Ein Staatsanwalt und Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen hatten das ehemalige Büro des langjährigen Sprechers von Wulff im Bundespräsidialamt vergangene Woche durchsucht, wie nun erst bekannt wurde. "Wir haben Unterlagen und Computerdateien beschlagnahmt, die jetzt ausgewertet werden müssen", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover. Es gebe einen "qualifizierten Tatverdacht" gegen Glaeseker.

Glaeseker bleibt Zutritt verwehrt

Gegen Manfred Schmidt wird wegen des Verdachts der Bestechung ermittelt.

Gegen Manfred Schmidt wird wegen des Verdachts der Bestechung ermittelt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Nach Angaben des Bundespräsidialamts wollte Wulffs Ex-Sprecher sein Dienstzimmer am vergangenen Wochenende ausräumen. Mit Hinweis auf ein "mögliches Ermittlungsinteresse der Staatsanwaltschaft Hannover" sei ihm der Zugang verweigert worden, sagte Wulffs Sprecherin Petra Diroll.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den engen Wulff-Vertrauten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Glaeseker soll dienstliche und private Belange miteinander vermischt haben und sich wirtschaftliche Vorteile verschafft haben. Wulff selbst steht seit Wochen wegen einer Kredit- und Medienaffäre in der Kritik.

Vor dem Hintergrund der Vorwürfe legte Glaeseker kurz vor Weihnachten sein Amt als Sprecher des Bundespräsidenten nieder. Mitte Januar geriet er dann ins Visier der Justiz: Bei einer Razzia durchsuchten Ermittler am 19. Januar die Privat- und Geschäftsräume von Glaeseker und des Eventmanagers Manfred Schmidt.

Schmidt: "Kontakte müssen ja mal hergestellt werden"

Glaeseker soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwischen 2007 und 2009 die Finanzierung der von Schmidt ausgerichteten Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" im Rahmen seiner damaligen Dienstgeschäfte "gefällig gefördert" haben. Als Gegenleistung soll Glaeseker mehrfach unentgeltlich Urlaube in Feriendomizilen Schmidts verbracht haben. Glaeseker war damals niedersächsischer Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs.

Der Partymanager Schmidt räumte unterdessen ein, dass ihm die niedersächsische Staatskanzlei bei der Suche nach Geldgebern für den "Nord-Süd-Dialog" geholfen hatte. Ohne die Kontakte und Empfehlungen des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und seines Sprechers Glaeseker wäre die Durchführung des Events kaum möglich gewesen. "Es müssen ja mal Kontakte hergestellt werden, wenn so etwas von der Wirtschaft finanziert werden soll", sagte Schmidt dem "Spiegel".

Zugleich wies er den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, Glaeseker mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen zu haben. Er sei seit 30 Jahren mit dem Journalisten befreundet. In dieser Zeit habe er Glaeseker zu Urlauben eingeladen, umgekehrt habe aber auch er Glaeseker besucht. Zweimal sei er sogar mit dem Freund und dessen Frau im Liegeabteil eines Autoreisezugs in den Süden gefahren. "Das macht man nur, wenn man sich richtig kennt.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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