Politik

Widersprüchliche Berichte aus Libyen Gaddafi vermutlich verletzt

Libyens Machthaber Gaddafi ist vermutlich verletzt und befindet sich angeblich nicht mehr in Tripolis. Das sagt Italiens Außenminister Frattini unter Berufung auf einen libyschen Bischof. Das Regime dementiert die Meldung und veröffentlicht eine Audiobotschaft Gaddafis. Derweil gehen die Kämpfe in dem Land weiter.

Über Gaddafis Zustand herrscht Unklarheit.

Über Gaddafis Zustand herrscht Unklarheit.

(Foto: REUTERS)

Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi ist nach Angaben der italienischen Regierung vermutlich verwundet und sehr wahrscheinlich nicht mehr in Tripolis. Außenminister Franco Frattini berief sich in La Bagnaia in der Toskana auf den katholischen Bischof in Tripolis, Giovanni Innocenzo Martinelli. Dieser habe erklärt: "'Gaddafi ist sehr wahrscheinlich außerhalb von Tripolis und vermutlich sogar verletzt'" worden durch die Luftangriffe der NATO. Das US-Außenministerium bestätigte die Berichte dagegen nicht.

Ein Sprecher der libyschen Regierung sagte dem Sender Al-Arabija, der Bericht über eine Verwundung Gaddafis sei falsch. Demnach rief der Sprecher persönlich bei dem Sender an, um zu erklären, dass Gaddafi bei bester Gesundheit sei. Anderslautende Gerüchte seien aus der Luft gegriffen. Bei einem NATO-Luftangriff auf ein Gelände Gaddafis waren vor zwei Wochen ein Sohn und mehrere Enkel des Diktators ums Leben gekommen. Das libysche Staatsfernsehen hatte am Mittwoch erstmals seit dem Angriff wieder Bilder von Gaddafi gezeigt. Unklar war jedoch, ob es sich um eine Aufzeichnung handelte.

Das libysche Staatsfernsehen strahlte zudem eine Audiobotschaft Gaddafis aus. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete, habe Gaddafi darin bestritten, verletzt worden zu sein. Er befinde sich an einem Ort, an dem ihn die NATO-Bomben nicht erreichen könnten. Zugleich habe Gaddafi die jüngsten Luftangriffe als "feige" verurteilt. Es handelte sich um eine reine Tonaufnahme, ein Bild Gaddafis war nicht zu sehen.

Rebellen im Westen in der Offensive

Die Aufständischen im Westen Libyens schlagen unterdessen in einem strategisch wichtigen Gebirgszug mehrere Angriffe der Truppen Gaddafis zurück. "Von Sintan bis Nalut haben seine Truppen in diesem westlichen Gebirge keine einzige Schlacht gewonnen", sagte ein Rebellen-Kommandeur einer Reporterin des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira. Der Nafusa-Gebirgszug erstreckt sich parallel zur Mittelmeerküste auf einer Länge von etwa 250 Kilometern von der tunesischen Grenze bis südlich von Tripolis. Von den Anhöhen kontrollieren die Aufständischen die darunter liegenden Ebenen.

In der libyschen Ölstadt Brega wurden angeblich mindestens 16 Zivilisten getötet. Die Menschen seien bei einem Luftangriff der NATO ums Leben gekommen, berichtete das libysche Staatsfernsehen unter Berufung auf Militärkreise. Sowohl der Sender Al Libya als auch Al Dschamahirija berichteten von 16 getöteten Zivilisten. Eine unabhängige Bestätigung lag nicht vor. Al Libya zufolge soll sich der Luftangriff in der Nacht ereignet haben. Neben den Getöteten habe es zudem dutzende Verletzte gegeben.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Luis Moreno-Ocampo, will am Montag Haftbefehle für Verantwortliche von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Libyen beantragen. Dann würden auch die Namen der Betroffenen bekannt gegeben, sagte Moreno-Ocampos Sprecherin Florence Olara. Es würden Haftbefehle gegen "drei Individuen, die offenbar die größte Verantwortung für die in Libyen begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit tragen", beantragt, teilte das Büro des Chefanklägers mit.

Streit um eingefrorenes Geld

Über die Verwendung der eingefrorenen libyschen Milliarden droht derweil ein heftiger Streit. Vertreter der finanziell klammen Rebellen werben derzeit in den USA um die Freigabe eines Teils der Mittel. Der De-facto-Regierungschef der Aufständischen, Mahmud Dschebril, bezifferte den Bedarf im nächsten halben Jahr auf drei Milliarden Dollar. Dagegen fordert die UN-Vetomacht Russland eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats über die Verwendung des Geldes und eine politische Lösung des Konflikts.

Menschen beim Freitagsgebet in der Rebellenhochburg Bengasi.

Menschen beim Freitagsgebet in der Rebellenhochburg Bengasi.

(Foto: AP)

"Wegen der eingefrorenen Mittel haben wir sehr akute finanzielle Probleme", sagte Dschebril am Donnerstag vor der Brookings Institution. Ohne eine Entscheidung drohe den Rebellen, binnen vier bis fünf Wochen das Geld auszugehen. Sollten die USA der Freigabe des Geldes zustimmen, wird erwartet, dass es für humanitäre Zwecke verwendet wird. Russland forderte dagegen, dem UN-Sicherheitsrat die Zuständigkeit über die Freigabe des Geldes zu übertragen. Das Gremium solle auch überwachen, dass die Mittel nur für humanitäre Zwecke verwendet würden, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums.

Weniger Angriffe auf Zivilisten

Die Zahl der Angriffe auf Zivilisten durch Soldaten Gaddafis nimmt nach Feststellungen der NATO ab. "Wir haben gestern keine Berichte über den Beschuss von Zivilisten in Misrata gehabt", sagte der britische Oberstleutnant Mike Bracken, Sprecher des internationalen Militäreinsatzes in Libyen, in Neapel.

Auf Lampedusa kamen erneut hunderte Flüchtlinge aus Libyen an. Nach Angaben der italienischen Küstenwache erreichten drei Schiffe mit insgesamt fast 600 Menschen an Bord die Mittelmeerinsel. Auf dem Meer sei außerdem ein in Seenot geratenes Boot mit etwa 200 Flüchtlingen aufgegriffen worden, das nach Lampedusa begleitet werde. Ein fünftes Schiff mit rund 500 Menschen befinde sich ebenfalls auf dem Weg zu der Insel. "Bis zum Abend rechnen wir mit etwa 2000 Migranten", sagte ein Vertreter der italienischen Gesundheitsbehörden der Nachrichtenagentur Ansa. Auf Lampedusa kommen seit dem Beginn des Konflikts fast täglich Flüchtlinge aus dem nordafrikanischen Land an. Sie werden von dort in Aufnahmelager auf dem Festland gebracht.

Das Deutsche Rote Kreuz äußerte sich besorgt über das Schicksal der 800.000 Libyen-Flüchtlinge. "Die Versorgung der Menschen wird immer schwerer", sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Staatengemeinschaft sei aufgerufen, die würdevolle Behandlung der Menschen sicherzustellen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/dpa

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