Politik

Sachsen-FDP schießt quer Gauck besucht die Linke

Joachim Gauck will sich auch der Linkspartei vorstellen.

Joachim Gauck will sich auch der Linkspartei vorstellen.

(Foto: APN)

Der rot-grüne Präsidentschaftskandidat Gauck wird einen Tag vor der Wahl in der Linkspartei um Stimmen werben. Drei sächsische FDP-Abgeordnete sichern ihm zudem ihre Stimmen zu. Der schwarz-gelbe Kandidat Wulff verneint derweil einen Zusammenhang zwischen der Wahl und der Lage der Bundesregierung.

Der rot-grüne Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck will unmittelbar vor der Wahl auch um die Stimmen der Linkspartei werben. Der frühere DDR-Bürgerrechtler kündigte an, dass er sich am Tag vor der Bundesversammlung bei der Linken vorstellen werde. Gauck kann auch auf Stimmen aus dem schwarz-gelben Lager hoffen. Die Wahlmänner der Sachsen-FDP wollen sogar geschlossen für ihn stimmen. Rein rechnerisch hat der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff in der Bundesversammlung aber eine klare Mehrheit.

Gauck sagte der "WAZ"-Mediengruppe zu seinem geplanten Auftritt bei der Linksfraktion: "Ich bin höflich eingeladen worden, also nehme ich diese Einladung selbstverständlich an." Die Linkspartei hat Luc Jochimsen als Kandidatin aufgestellt, ohne dass diese eine Chance hätte. In der Linken gibt es Vorbehalte gegen Gauck, der jahrelang die Behörde zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit geleitet hat.

Wulff "mit Demut"

Der Nachfolger von Bundespräsident Horst Köhler wird am 30. Juni gewählt. Das bisherige Staatsoberhaupt war Ende Mai überraschend zurückgetreten. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab, dass Union und FDP mit 644 Sitzen 21 Stimmen mehr haben als für die absolute Mehrheit erforderlich. Damit könnte sich der CDU-Bundesvize Wulff schon im ersten Wahlkampf durchsetzen - aber nur, wenn das schwarz-gelbe Lager linientreu bleibt. Falls die Wahl misslingt, wäre dies ein Debakel für die schwarz-gelbe Koalition im Bund.

Christian Wulff stellt sich den hessischen Wahlmännern und -frauen vor, links der FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn.

Christian Wulff stellt sich den hessischen Wahlmännern und -frauen vor, links der FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn.

(Foto: dpa)

Wulff warnte jedoch davor, einen Zusammenhang zwischen der Wahl und der Zukunft des Regierungsbündnisses herzustellen. "Das tut auch niemand", sagte er bei einem Auftritt vor hessischen Wahlleuten von Union und FDP am Donnerstagabend in Frankfurt am Main. Allerdings sei es "wohl nicht auszuschließen", "dass in der Öffentlichkeit die Handlungsfähigkeit der schwarz-gelben Regierungsmehrheit thematisiert würde, wenn der eigene Kandidat nicht gewählt wird". Wulff zweifelt selbst nicht daran, dass er "beste Aussichten habe, der nächste Bundespräsident zu sein". Er warte aber "mit Demut" die Entscheidung der Bundesversammlung ab.

"Jeder unter den Wahlleuten ist eh frei"

Der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen, Kurt Biedenkopf forderte im ZDF von Kanzlerin Angela Merkel erneut die Freigabe der Wahl. "Die Mitglieder der Bundesversammlung sind frei in ihrer Entscheidung. Von dieser Idee der Verfassung ist in der Wirklichkeit wenig übrig geblieben", sagte der CDU-Politiker, die Wahl sei inzwischen "das Ergebnis eines Machtkampfes". Ähnlich äußerte sich auch CDU-Vorstandsmitglied Dagmar Schipanski.

Wulff sagte zu dem Vorstoß Biedenkopfs: "Jeder unter den Wahlleuten ist eh frei. Die Wahl ist geheim." Nach seiner Auffassung könne Deutschland sowohl mit ihm als auch mit Gauck als Bundespräsident gut leben.

Dem ZDF zufolge wünschen sich 31 Prozent der Bundesbürger Wulff als neues Staatsoberhaupt. 39 Prozent plädieren für Gauck und 3 Prozent für Jochimsen. Die anderen Befragten wollten sich auf keinen der drei Kandidaten festlegen. Außerdem kandidiert auch noch ein rechter Liedermacher für die NPD. Er ist völlig aussichtslos.

Die Werte von 1989

Luc Jochimsen muss scharfe Kritik für ihre Äußerungen zur DDR einstecken.

Luc Jochimsen muss scharfe Kritik für ihre Äußerungen zur DDR einstecken.

(Foto: dpa)

In Sachsen kündigten alle drei FDP-Wahlmänner an, für Gauck zu stimmen. Landeschef Holger Zastrow sagte, er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Gauck verkörpere aber "all die Werte, für die ich selbst im Herbst 1989 in meiner Heimatstadt Dresden auf die Straße gegangen bin". Auch ein FDP-Politiker aus Bremen will dem rot-grünen Kandidaten seine Stimme geben. Bei einigen weiteren Koalitions-Wahlmännern war das Stimmverhalten zunächst noch unklar.

Die Bundes-FDP ist sich aber sicher, dass der Rest der FDP-Wahlleute praktisch geschlossen für Wulff stimmt. Mit Wulff gebe es "eine gemeinsame Wertebasis", sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger und fügte hinzu: "Die FDP steht." "Ich bin ganz sicher, dass er gewählt wird", sagte auch CDU-Politiker und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem "Hamburger Abendblatt".

Experte: Überhangmandate entscheiden Wahl

Heftig kritisierte die beiden wichtigsten Kandidaten ihre linke Mitbewerberin Jochimsen wegen deren Äußerung, die DDR sei im juristischen Sinn kein Unrechtsstaat gewesen. Wulff bezeichnete dies in der "Passauer Neuen Presse" als "weiteren traurigen Höhepunkt von Geschichtsvergessenheit". Gauck sagte der "Leipziger Volkszeitung", die DDR sei sehr wohl ein Unrechtsstaat gewesen. "Es gab unter anderem keine Herrschaft des Rechts, keine Gewaltenteilung und es fehlten rechtsstaatliche Instanzen."

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte die Linke auf, Jochimsen wegen ihrer Äußerungen über die DDR zurückzuziehen. "Wer das SED-Regime als Rechtsstaat verherrlicht, darf nicht ansatzweise mit dem Amt des Bundespräsidenten in Verbindung gebracht werden."

Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim sieht bei der Wahl in den Überhangmandaten der Union im Bundestag "einen gravierenden Systemfehler" des Wahlrechts. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er: "Ohne Überhangmandate würde die Mehrheit kippen, wenn nur wenige Wahlmänner der Koalition für Gauck stimmen." Die Mehrheit von Union und FDP beruhe "auch auf den 24 Überhangmandaten, die die Union bei der letzten Bundestagswahl erhalten hat", sagte von Arnim. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Land mehr direkt gewählte Kandidaten hat, als ihr nach den Zweitstimmen Mandate zustehen.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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