Wulff begrüßt Nachfolger Gauck erkundet Bellevue
19.03.2012, 12:37 Uhr
Deutschlands neuer Bundespräsident geht an die Arbeit: Vor dem Schloss Bellevue wird Gauck von Vorgänger Wulff und Interimsstaatsoberhaupt Seehofer empfangen, die ihm Hilfe bei den ersten Schritten im neuen Job anbieten. Nach dem Abtasten muss der 72-Jährige dann schon erste Weichenstellungen für seine Amtszeit vornehmen.

Der neue Präsident und die neue First Lady halten ihre Nasen in die Berliner Sonne. Sie werden jetzt ins Schloss Bellevue eingeführt.
(Foto: dpa)
Am Tag nach seiner Wahl hat der neue Bundespräsident Joachim Gauck die Amtsgeschäfte aufgenommen. Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt trafen im Berliner Schloss Bellevue ein. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der als Präsident des Bundesrates vier Wochen lang kommissarisches Staatsoberhaupt war, sowie Altpräsident Christian Wulff begrüßten Gauck. Der frühere DDR-Bürgerrechtler war am Sonntag .
Auf Fragen von Reportern ging Gauck nur kurz ein. Er empfinde großen Respekt, sagte er. Auf sein Herz deutend meinte er: "Mir pochert es hier drin." Nach Gesprächen mit Seehofer und Wulff war am Nachmittag auch ein Treffen mit dem Personal des Bundespräsidialamtes vorgesehen.
108 "Abweichler"
Der 72-jährige Gauck erhielt am Sonntag in der Bundesversammlung 991 von 1228 gültigen Stimmen. Seine Kandidatur wurde von Union, SPD, Grünen und FDP unterstützt. Das entspricht einer Zustimmung von gut 80 Prozent. Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Die Vereidigung des elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen.
Für Gaucks Gegenkandidatin Beate Klarsfeld votierten 126 Delegierte. Damit erhielt die 73-Jährige mindestens drei Stimmen von Vertretern anderer Parteien. Insgesamt 108 Mitglieder der Bundesversammlung enthielten sich. Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Die Vereidigung des elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen.
Erste Reise nach Polen?
Für die kommenden Tage wurden die ersten Weichenstellungen des neuen Bundespräsidenten erwartet. Gauck muss im Präsidialamt mehrere Posten neu besetzen. Als neuer Staatssekretär ist der Theologe und Jurist David Gill im Gespräch. Der aus Sachsen stammende langjährige Weggefährte Gaucks war zuletzt Oberkirchenrat bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Am Dienstag soll Gauck beim Festakt anlässlich des 800-jährigen Bestehens des Thomanerchors in Leipzig dabei sein.
Für die kommenden Tage wird auch die Entscheidung über Gaucks erstes Reiseziel im Ausland erwartet. Gauck äußerte bereits das Ansinnen, nach Polen zu reisen. Dies wäre sein Wunschziel, "wenn es nach meinem Herzen geht", sagte Gauck im Gespräch mit n-tv. Die genaue Planung stehe aber noch nicht fest. Gaucks Vorgänger Christian Wulff hatte seine erste Reise nach der Wahl 2010 nach Frankreich unternommen, dessen Vorgänger Horst Köhler wählte 2004 Polen als erstes Auslandsziel.
Seinen politischen Schwerpunkt sieht Gauck nach eigenen Worten darin, Menschen zum Engagement "im öffentlichen Raum" zu aktivieren. "Wenn wir Freiheit als Verantwortung sehen, sind wir ein ganzes Stück weiter", sagte Gauck bei n-tv. Er warnte davor, seinen Begriff von Freiheit misszuverstehen: Es gehe ihm nicht um die "Freiheit der Jungen, der Starken", die sich eine "Gesellschaft des Egoismus wünschten", sagte Gauck.
Erneut bat Gauck, ihn nicht mit überhöhten Erwartungen zu befrachten. Den Bürgern wolle er sagen: "Ihr habt in mir keinen Heilsbringer, keinen Heiligen, keinen Engel." Er sei vielmehr ein "Mensch aus der Mitte der Bevölkerung".
Integration bleibt Thema
Gauck kündigte an, dass er auch an wichtige Themen seines Vorgängers Wulff anknüpfen werde. Dieser habe ihm zum Beispiel das Integrationsthema hinterlassen, "an dem ich nicht vorbeigehen kann", sagte er dem Sender Phoenix.
Er wolle hier mit seinen eigenen Ideen und Worten die von Wulff eingeschlagene Richtung fortsetzen, sagte Gauck im ZDF. Er kündigte an, diejenigen zu kritisieren, die nicht integrationswillig seien. "Ich möchte, dass die Menschen, die hier mit uns wohnen, die Grundlagen dieses Staates, den sie ja offensichtlich schätzen, sonst wären sie nicht hierher gekommen, achten, dass sie die Gesetze dieses Landes achten." Dies sei den allermeisten Zuwanderern aber auch "völlig klar".
Glückwünsche und Appelle
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der "Leipziger Volkszeitung", Gaucks Amtszeit sei zunächst "eine Chance, dieses fürchterlich ramponierte Amt des Bundespräsidenten wieder zu der Reputation zu führen, die es früher immer hatte". Die Annahme, dass sich Gauck nur auf die Freiheit als Thema konzentriere, sei eine Fehlwahrnehmung. Die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch appellierte in der ARD an das neue Staatsoberhaupt, sich die Frage der sozialen Gerechtigkeit und sozialen Spaltung auf die Fahnen zu schreiben.
Auch im Ausland wurde die Wahl Gaucks beachtet. Der russische Kreml-Chef Dmitri Medwedew gratulierte Gauck zu seiner Wahl und würdigte dabei die engen Beziehungen beider Länder. Russland und Deutschland leisteten mit ihrer "stabilen Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Sicherheit", hob Medwedew in einer heute in Moskau veröffentlichten Botschaft hervor.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP