Politik

"Abenteuerliche Vorstellung" Gauck soll Stimmen abwerben

Gauck inmitten seiner rot-grünen Unterstützer.

Gauck inmitten seiner rot-grünen Unterstützer.

(Foto: APN)

Kaum ist die Nominierung von Niedersachsens Ministerpräsident Wulff als Regierungskandidat für das Amt des Bundespräsidenten klar, zücken SPD und Grüne ihr Ass. Für Rot-Grün geht Gauck ins Rennen. Er soll dem schwarz-gelben Lager einige Stimmen entlocken. Doch die Ost-CDU hält dies für "naiv".

Nach der Nominierung von Joachim Gauck zum Präsidentschaftskandidaten von SPD und Grünen rechnet der Sprecher der ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten, Arnold Vaatz, nicht mit Abweichlern in den eigenen Reihen. "Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass die Ost-Abgeordneten ohne jeden Abstrich für Christian Wulff stimmen werden", sagte Vaatz der "tageszeitung". Es sei eine "naive und abenteuerliche Vorstellung, die Bundesversammlung kippen zu können", fügte er hinzu.

Vaatz hatte sich wie Gauck in der DDR gegen das Regime engagiert.

Vaatz hatte sich wie Gauck in der DDR gegen das Regime engagiert.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Genau dieser Ansicht sind aber offenbar SPD und Grüne. Sie  rechnenl trotz der schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung auch mit Koalitionsstimmen für ihren Gegenkandidaten Gauck. Die Opposition kritisierte bei der Vorstellung Gaucks scharf, dass sich Kanzlerin Angela Merkel für Christian Wulff entschied und den rot-grünen Vorschlag für den Nachfolger von Horst Köhler ablehnt. "Das Amt des Bundespräsidenten sollte von innerparteilichen Machtkämpfen befreit werden", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Gauck schätzt seine Wahlchancen als gering ein. "Ich bin Realist, und ich kann zählen", sagte er. Andererseits habe er in seinem Leben Ereignisse erlebt, die lange als unwahrscheinlich gegolten hätten. Insofern gehe er mit "froher Gelassenheit" in die Wahl am 30. Juni, sagte der Theologe und frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen. Union und FDP verfügen in der Bundesversammlung über eine komfortable Mehrheit von gut 20 Stimmen.

Bogen seiner Biographie

"Ich bin weder Rot noch Grün, sondern Joachim Gauck."

"Ich bin weder Rot noch Grün, sondern Joachim Gauck."

(Foto: APN)

Gauck sagte, mit seiner Haltung, dass Freiheit Verantwortung bedeute, sei er auch für Wertkonservative wählbar. Er betonte zugleich seine Unabhängigkeit. "Ich bin weder Rot noch Grün, sondern Joachim Gauck." Als Präsident wolle er sich für die Überwindung der "bitteren Distanz zwischen Regierenden und Regierten" einsetzen. "Wir müssen sie überwinden", sagte der DDR-Bürgerrechtler. Trotz aller Krisen sprach er sich gegen eine "westeuropäische Sorgenmentalität" aus.

In seiner Vorstellungsrede spannte er einen Bogen von seiner Geburt während der Nazi-Diktatur über das Aufwachsen in der DDR, seine Rolle in der Wende-Zeit bis zu seiner Arbeit bei der Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit. Vor einigen Jahren hätte er bei einer Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten Stolz empfunden, heute sei es Dankbarkeit, sagt Gauck vor der Bundespressekonferenz.

"Honorabler Mann"

Wulffs Sieg dürfte Dank der Mehrheit nur wenig im Wege stehen.

Wulffs Sieg dürfte Dank der Mehrheit nur wenig im Wege stehen.

(Foto: REUTERS)

Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer nannte Gauck bei n-tv einen "sehr honorablen Mann. Er hat bestimmt auch viele Freunde in den Regierungsparteien. Andererseits hat er natürlich keine Chance, weil jedem in der Regierung und bei den Delegierten klar sein muss, dass jetzt Geschlossenheit bei den Regierungsparteien gefordert ist."

Grünen-Chef Cem Özdemir hält es für möglich, dass sich einige in der Union - vor allem aus Ostdeutschland für Gauck entscheiden könnten. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: "Ich bin mir sicher, dass er nicht nur öffentliche Unterstützung erfährt, (...) sondern dass das auch dem einen oder anderen in der Bundesversammlung zu denken gibt, ob man hier wirklich nach kleinkarierter parteipolitischer Ordnung entscheiden darf."

Unverständnis äußerte Gabriel über die Entscheidung der Linkspartei, Gauck nicht mitwählen zu wollen. Er wisse nicht, welche Argumente "für eine demokratische Linkspartei gegen Herrn Gauck sprechen". Er könne sich nicht vorstellen, dass die Linke Gauck das Streben nach Aufklärung des DDR-Unrechts zum Vorwurf mache.

CDU wirbt für Wulff

Die CDU wirbt derweil an ihrer Basis für Wulff. "Er ist einer von uns", schrieb CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe an Bundestagsabgeordnete und Parteiverbände. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat die Nominierung seines Parteifreundes als "ganz ausgezeichnete Entscheidung" begrüßt. "Christian Wulff bringt alles mit, um dieses Amt gut auszufüllen. Auch die Motivation, es gut auszufüllen", sagte Koch beim Hessentag in Stadtallendorf. Er sei froh, dass es Union und FDP so rasch gelungen sei, eine Lösung zu finden. Eine "nicht sehr würdevolle Hängepartie" sei vermieden worden. Berichte, nach denen er Vorbehalte gegen eine Kandidatur von der Leyens gehabt habe, bezeichnete Koch als "völligen Quatsch".

"Niederlage für Merkel"

Gabriel sieht in der Entscheidung gegen von der Leyen allerdings einen Misserfolg für die CDU-Chefin. "Es ist die schwerste Niederlage als Parteivorsitzende." Merkel habe von der Leyen vorn gesehen. "Sonst hätte sie sie ja auch nicht ein paar Tage laufen lassen."

Wulff wird bis zur Bundespräsidenten-Wahl seine Aufgaben als Regierungschef erfüllen. Die Bundesversammlung kommt am 30. Juni zusammen. Die Mehrheit der Bundesbürger findet den überraschenden Rücktritt Köhlers falsch. 25 Prozent halten ihn für richtig, ergab das ZDF-"Politbarometer".

Quelle: ntv.de, tis/sba/dpa/rts

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