Seehofer und Wulff empfangen Staatsoberhaupt Gaucks erster Tag als Schlossherr
19.03.2012, 13:00 Uhr
Vorgänger Wulff (l.) und Bayerns Ministerpräsident Seehofer (r.; mit Gattin) empfangen den neuen Präsidenten Gauck und dessen Lebensgefährtin Daniela Schadt.
(Foto: dpa)
Deutschlands neuer Bundespräsident geht an die Arbeit: Vor dem Schloss Bellevue wird Gauck von Vorgänger Wulff und Interimsstaatsoberhaupt Seehofer empfangen, die ihm Hilfe bei den ersten Schritten im neuen Job anbieten. Nach erstem Abtasten muss der 72-Jährige dann schon erste Weichenstellungen für seine Amtszeit vornehmen.
Bundespräsident Joachim Gauck ist im Schloss Bellevue eingetroffen, um seine Amtsgeschäfte aufzunehmen. Der frühere DDR-Bürgerrechtler war am Sonntag . Vor dem Präsidentensitz erwarteten ihn der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der als Präsident des Bundesrates vier Wochen lang kommissarisches Staatsoberhaupt war, sowie der am 17. Februar zurückgetretene Ex-Präsident Christian Wulff. Gauck wurde von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet.
Auf Fragen von Reportern ging Gauck nur kurz ein. Er empfinde großen Respekt, sagte er. Auf sein Herz deutend meinte er: "Mir pochert es hier drin." Der 72-Jährige erhielt in der Bundesversammlung 991 von 1228 gültigen Stimmen. Das entspricht einer Zustimmung von gut 80 Prozent. Jedoch versagten Gauck mindestens 103 Delegierte aus dem Lager von Union, FDP, SPD und Grünen, das ihn aufgestellt hatte, die Zustimmung.
Für Gaucks Gegenkandidatin Beate Klarsfeld votierten 126 Delegierte. Damit erhielt die 73-Jährige mindestens drei Stimmen von Vertretern anderer Parteien. Insgesamt 108 Mitglieder der Bundesversammlung enthielten sich. Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Die Vereidigung des elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen.
Erste Reise nach Polen?
Für die kommenden Tage wurden die ersten Weichenstellungen des neuen Bundespräsidenten erwartet. Gauck muss im Präsidialamt mehrere Posten neu besetzen. Als neuer Staatssekretär ist der Theologe und Jurist David Gill im Gespräch. Der aus Sachsen stammende langjährige Weggefährte Gaucks war zuletzt Oberkirchenrat bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Für die kommenden Tage wurde auch die Entscheidung über Gaucks erstes Reiseziel im Ausland erwartet.Gauck äußerte bereits das Ansinnen, nach Polen zu reisen. Dies wäre sein Wunschziel, "wenn es nach meinem Herzen geht", sagte Gauck im Gespräch mit n-tv. Die genaue Planung stehe aber noch nicht fest. Gaucks Vorgänger Christian Wulff hatte seine erste Reise nach der Wahl 2010 nach Frankreich unternommen, dessen Vorgänger Horst Köhler wählte 2004 Polen als erstes Auslandsziel.
Seinen politischen Schwerpunkt sieht Gauck nach eigenen Worten darin, Menschen zum Engagement "im öffentlichen Raum" zu aktivieren. "Wenn wir Freiheit als Verantwortung sehen, sind wir ein ganzes Stück weiter", sagte Gauck bei n-tv. Er warnte davor, seinen Begriff von Freiheit misszuverstehen: Es gehe ihm nicht um die "Freiheit der Jungen, der Starken", die sich eine "Gesellschaft des Egoismus wünschten", sagte Gauck.
Erneut bat Gauck, ihn nicht mit überhöhten Erwartungen zu befrachten. Den Bürgern wolle er sagen: "Ihr habt in mir keinen Heilsbringer, keinen Heiligen, keinen Engel." Er sei vielmehr ein "Mensch aus der Mitte der Bevölkerung".
Hinterlassene Themen
Gauck kündigte an, dass er auch an wichtige Themen seines Vorgängers Wulff anknüpfen werde. Dieser habe ihm zum Beispiel das Integrationsthema hinterlassen, "an dem ich nicht vorbeigehen kann", sagte er dem Sender Phoenix.
Er wolle hier mit seinen eigenen Ideen und Worten die von Wulff eingeschlagene Richtung fortsetzen, sagte Gauck im ZDF. Er kündigte an, diejenigen zu kritisieren, die nicht integrationswillig seien. "Ich möchte, dass die Menschen, die hier mit uns wohnen, die Grundlagen dieses Staates, den sie ja offensichtlich schätzen, sonst wären sie nicht hierher gekommen, achten, dass sie die Gesetze dieses Landes achten." Dies sei den allermeisten Zuwanderern aber auch "völlig klar".
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der "Leipziger Volkszeitung", Gaucks Amtszeit sei zunächst "eine Chance, dieses fürchterlich ramponierte Amt des Bundespräsidenten wieder zu der Reputation zu führen, die es früher immer hatte". Die Annahme, dass sich Gauck nur auf die Freiheit als Thema konzentriere, sei eine Fehlwahrnehmung. Die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch appellierte in der ARD an das neue Staatsoberhaupt, sich die Frage der sozialen Gerechtigkeit und sozialen Spaltung auf die Fahnen zu schreiben.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP