Angriffe auf Syrien Gefährlicher Krieg der Symbole
14.04.2018, 14:25 Uhr
Als Reaktion auf den Giftgasangriff von Duma haben die USA zusammen mit Frankreich und Großbritannien in der Nacht zum Samstag drei Anlagen in der syrischen Hauptstadt Damaskus angegriffen, die Teil des syrischen Chemiewaffenprogramms sein sollen. Es ist vor allem ein Zeichen - und dennoch nicht ohne Risiko. Ein Überblick.
Militärisch begrenzt, dennoch gefährlich: Der Militärschlag war mit mehr als 100 abgefeuerten Marschflugkörpern deutlich härter als der vor einem Jahr, mit dem US-Präsident Donald Trump ebenfalls auf einen Chemiewaffeneinsatz reagiert hatte. Dennoch ist es ein begrenztes militärisches Eingreifen. Tote gab es nicht, weitere Angriffe sind vorerst nicht geplant, auch wenn Trump, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May für den Fall, dass Syrien erneut Giftgas einsetzt, mit weiteren Maßnahmen drohten. Andererseits haben die USA einen Verbündeten Russlands militärisch angegriffen - in Syrien sind bekanntlich russische Truppen stationiert, Russland kämpft an der Seite des Assad-Regimes. Dies macht das Vorgehen der USA, Frankreichs und Großbritanniens so gefährlich.
Konfrontation im Neuland: "Unsere Beziehungen zu Russland sind schlechter als sie je waren", schrieb Trump vor ein paar Tagen auf Twitter, "und das schließt den Kalten Krieg ein." Ob diese Beziehungen wirklich schlechter sind, sei einmal dahingestellt, sie sind auf jeden Fall hochgradig beunruhigend. Denn die Konfrontation zwischen den USA und Russland ist anders als im Kalten Krieg. Es gibt kein Vorbild, keine eingeübten Strategien, wie mit dem Konflikt umzugehen ist - oder was zu tun ist, sollte es, und sei es versehentlich, zu einer Eskalation kommen. US-Generalstabschef Joseph Dunford sagte, Russland sei im Vorfeld des Angriffs auf Damaskus nicht über die Ziele informiert worden. Man kann nur hoffen, dass das nicht stimmt - dass die USA und Russland darauf bedacht sind, nicht Truppen des jeweils anderen Landes in Gefahr zu bringen.
Der Schatten der Russland-Ermittlungen: Für das schlechte amerikanisch-russische Verhältnis macht Trump unter anderem die Russland-Ermittlungen verantwortlich. Das ist nicht einmal teilweise wahr, aber es hilft, die Motive des US-Präsidenten zu erklären. Sonderermittler Robert Mueller prüft, ob und inwieweit Russland versuchte, Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen 2016 in den USA zu nehmen und ob es illegale Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfteam und der russischen Regierung gab. Dieser Verdacht belastet eher Trump als die amerikanisch-russischen Beziehungen. Allenfalls indirekt: Mitunter schien es, etwa bei der Reaktion der USA auf den Fall Skripal, als sehe Trump sich gegen seinen Willen zu einem harten Vorgehen gegen Russland gezwungen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er gehe zu nachgiebig mit Putin um.
Trump hat sich selbst in Zugzwang gebracht: Für Trump ging es bei dem Angriff auf Damaskus offenkundig auch darum, sein Gesicht zu wahren. Trump ist nicht der erste Staatschef, der aus einem solchen Grund einen Militärschlag anordnet: Als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln können auch kriegerische Akte reine Symbole sein - eine Folge der hilflosen Klage, man könne diesem Krieg doch nicht einfach zusehen. Aber Trump hat sich auf sehr spezielle Art in diese Lage gebracht. Nicht nur, weil er sich schon im Wahlkampf als Bewunderer des russischen Präsidenten gezeigt hat, sondern auch, weil seine Drohungen gegen Syrien so extrem waren, dass es ihm sowohl in Washington als auch in Moskau als Schwäche ausgelegt worden wäre, wenn er nichts getan hätte.
Die Öffentlichkeit muss erst noch überzeugt werden: Wie so häufig in vergleichbaren Fällen ist nicht eindeutig geklärt, wer hinter dem Giftgasangriff von Duma steckt. Trump macht die syrische Regierung verantwortlich und gibt Moskau indirekt eine Mitschuld. 2013 hätten Präsident Putin und seine Regierung "der Welt versprochen, dass sie die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen garantieren", sagte er in seiner kurzen Ansprache, in der er den Angriff auf Damaskus verkündete. Sowohl der Giftgasangriff als auch der amerikanische Militärschlag seien "die direkte Folge von Russlands Scheitern, dieses Versprechen zu halten". Aber Trump selbst hat dafür gesorgt, dass ein Teil der amerikanischen Öffentlichkeit Putin mittlerweile für einen Staatsmann hält, der hart durchgreift. Die russische Regierung hat zunächst bestritten, dass es überhaupt einen Angriff mit Chemiewaffen in Duma gab und hat dann Großbritannien und den syrischen Weißhelmen vorgeworfen, das Kriegsverbrechen inszeniert zu haben. Macron sagte, es gebe Belege für den Giftgasvorwurf. Veröffentlicht hat er sie allerdings nicht. Die Annahme, das Assad-Regime habe die Chemiewaffen eingesetzt, ist durchaus plausibel, wie Autoren des Spiegel zeigen. Aber solange die Beweise nicht veröffentlicht werden, ist dies letztlich eine Glaubensfrage.
Trump steckt in einem Dilemma: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieser Präsident, der seinem Vorgänger stets totales Versagen in Syrien vorgeworfen hat, nun in einem ähnlichen Dilemma steckt. Wie Obama will Trump mit dem syrischen Krieg so wenig wie möglich zu tun haben - aber auf einen Giftgasangriff nicht zu reagieren, kommt für ihn auch nicht infrage. Noch vor einer Woche wollte er die US-Truppen binnen 48 Stunden aus Syrien zurückholen. Auch am Freitagabend sagte er, er freue sich auf den Tag, an dem die USA ihre "großartigen Kämpfer" nach Hause bringen könnten. Was soll es also sein: Angriff oder Rückzug?
Militärisch war der Angriff auf Damaskus möglicherweise sinnlos, in seiner politischen Wirkung ist er zweifelhaft. Bleibt die Gesichtswahrung. Und die Hoffnung, dass der Konflikt zwischen Russland und den USA nicht eskaliert.
Quelle: ntv.de