Drama im Jemen Geistliche verurteilen Morde
17.06.2009, 07:54 UhrDie Gemeinschaft der islamischen Geistlichen im Jemen hat die Ermordung von drei ausländischen Helfern scharf verurteilt. Unterdessen geht die Suche nach einer entführten deutschen Familie weiter.
Die Gemeinschaft der islamischen Geistlichen im Jemen hat die Geiselnahme und Ermordung von drei ausländischen Helfern in dem arabischen Land scharf verurteilt. "Es ist ein übles Verbrechen, diese Menschen zu entführen und Frauen zu töten, die in einem Krankenhaus arbeiteten, um den Menschen zu helfen", hieß es in einer Erklärung der Religionsgelehrten, die von der staatlichen Nachrichtenagentur SABA verbreitet wurde. Der Mord an den zwei deutschen Frauen und der koreanischen Lehrerin widerspreche nicht nur den Prinzipien des Islam, sondern auch den Traditionen der Araber "seit den Tagen des Propheten Mohammed". Unterdessen fehlt von den anderen Geiseln, einer fünfköpfigen deutschen Familie mit drei Kleinkindern und einem Briten, weiter jede Spur.
Die Gruppe war am Freitag während eines Ausfluges in der nordwestlichen Provinz Saada verschleppt worden. Am Montag fanden Hirten in einem Tal die Leichen der drei Frauen. Die Ausländer hatten alle im Dschumhuri-Krankenhaus in Saada gearbeitet. Bislang hat sich niemand als Geiselnehmer zu erkennen gegeben.
"Sie war ein Engel"
Der frühere Außenstaatssekretär Jürgen Chrobog, der 2005 mit seiner Familie selbst Opfer einer Geiselnahme im Jemen war, sieht den Fall als "blanken Terrorismus". Zwar seien Geiselnahmen im Jemen "Teil der Kultur". In den meisten Fällen wollten die Entführer aber die eigene Regierung unter Druck setzen, Gefangene freipressen oder Investitionen durchsetzen. Zu ihren Geiseln seien sie sehr gastfreundlich und ließen diese frei, sobald ihre Forderungen erfüllt seien. Das habe er am eigenen Leibe erfahren. Im aktuellen Fall seien aber keinerlei Forderungen bekanntgeworden.
Der Vater einer der getöteten Frauen zeigte sich tief bestürzt. "Sie war ein Engel", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Diejenigen, die seiner Tochter das angetan hätten, seien "skrupellose Verbrecher, die möchten, dass wir leiden". Er hoffe nun, dass die übrigen Geiseln mit dem Leben davonkommen werden. Er habe mit seiner Tochter einen Tag vor der Entführung zum letzten Mal am Telefon sprechen können, sagte der Vater. "Sie war sehr glücklich, den Menschen im Jemen helfen zu können."
Die beiden getöteten deutschen Frauen stammen aus dem niedersächsischen Landkreis Gifhorn. Sie waren Studentinnen der Bibelschule Brake im nordrhein-westfälischen Lemgo und arbeiteten als Pflegehelferinnen in dem Krankenhaus in Saada.
Entführte aus Sachsen?
Die Suche nach den anderen Entführten, an der Stammesangehörige, Regierungstruppen und Rebellen teilnehmen, läuft weiter auf Hochtouren. "Eine Armee von Menschen beteiligt sich an der Suche", sagte der Parlamentarier und Stammesführer Fais al-Awjari aus Saada. Das Innenministerium in der Hauptstadt Sanaa erklärte am Abend, dass die Belohnung für Hinweise auf das Versteck der Geiselnehmer nun auf 250.000 US-Dollar erhöht worden sei.
Die entführte deutsche Familie soll mehreren Medienberichten zufolge aus dem Kreis Bautzen in Sachsen stammen. Demnach handelt es sich um ein Ehepaar mit drei kleinen Kindern im Alter von knapp einem bis vier Jahren. Die Familie soll seit gut fünf Jahren im Jemen gelebt haben. Hier sollen die Eltern als Krankenschwester und Techniker in einem Krankenhaus gearbeitet haben. Das Auswärtige Amt in Berlin wollte die Berichte über die Herkunft der Familie am Mittwoch weder bestätigen noch dementieren, wie in solchen Fällen üblich.
Deutsche Ermittler vor Ort
Wer hinter der Entführung steckt, ist nach wie vor völlig unklar. In jemenitischen Medienberichten war von einem Machtkampf zwischen einem lokalen Drogenschmuggler und den Sicherheitskräften in Saada die Rede. Nach dieser offiziell nicht bestätigten Version sollen die Ausländer angeblich von einem Drogenboss als Faustpfand entführt worden sein, um die Behörden zur Herausgabe einer in der vergangenen Woche beschlagnahmten großen Drogenlieferung zu zwingen. Die Regierung sei darauf nicht eingegangen, weshalb die Entführer zunächst die Frauen ermordet hätten. Beobachter in Saada halten es aber auch für möglich, dass islamistische Extremisten der Al-Kaida die Ausländerinnen umgebracht haben.
In der Hauptstadt Sanaa traf nach Angaben aus jemenitischen Sicherheitskreisen ein deutsches Ermittlerteam ein. Ein zweites Team, zu dem auch Ärzte gehörten, werde noch erwartet, hieß es.
Quelle: ntv.de, dpa