Vorwahlen in den USA Gelbe Kartei fürs Establishment
19.05.2010, 15:53 UhrDer Auftakt der Kongressvorwahlen bringt einigen Amtsinhabern von Demokraten und Republikanern empfindliche Niederlagen. Die demokratische Senatorin Blanche Lincoln übersteht die erste Wahlrunde in Arkansas schwer angeschlagen. Ihr Entwurf für eine strenge Reglung des Derivate-Markts dürfte damit hinfällig sein.

"So sieht Demokratie aus - ein Sieg des Volkes über das Establishment, über den Status Quo, selbst über Washington", jubelt Joe Sestak.
(Foto: AP)
In einer Reihe parteiinterner Vorwahlen in den USA haben die Wähler den Parteiführungen einen Denkzettel verpasst. Prominentestes Opfer war der demokratische Senator Arlen Specter, den die Parteibasis nach 30-jähriger Amtszeit nicht mehr für eine weitere Kandidatur für die Wahl im November nominierte. Bei einer Nachwahl für einen Sitz im Repräsentantenhaus errang die Partei von Präsident Barack Obama einen Sieg.
Bei den Vorwahlen in Pennsylvania, Kentucky und Arkansas ging es darum, Senatskandidaten per Urwahl für die Wahl im Herbst zu nominieren. Die zeitgleich abgehaltene Nachwahl in einem Wahlkreis im Bundesstaat Pennsylvania diente dazu, einen Nachfolger für den verstorbenen demokratischen Abgeordneten John Murtha zu bestimmen. Die Kampagnen waren dominiert von Unmut und Wut vieler Wähler über die schlechte Konjunktur und steigende Staatsverschuldung.
Der 80-jährige Senatsveteran Specter musste sich bei der Vorwahl der Demokraten in Pennsylvania einem parteiinternen Herausforderer, dem Abgeordneten Joe Sestak, geschlagen geben. "So sieht Demokratie aus - ein Sieg des Volkes über das Establishment, über den Status Quo, selbst über Washington", jubelte der frühere Admiral Joe Sestak. Specter hatte im Wahlkampf die Unterstützung von Präsident Obama genossen. Viele Wähler an der Parteibasis hatten ihm aber seinen Parteiwechsel als opportunistisches Manöver übelgenommen: Specter war erst im April 2009 von den Republikanern zu den Demokraten gewechselt.
Fundamentalist siegt in Kentucky
Auch die republikanische Basis ließ die Parteiführung ihren Unmut spüren. Bei der Senatsvorwahl in Kentucky setzte sich der Arzt Rand Paul, der sich der ultrakonservativen "Tea Party"-Basisbewegung zurechnet, klar gegen den vom Partei-Establishment gestützten Kandidaten Trey Grayson durch. "Dies ist der Tag der Abrechnung", sagte Paul. "Wir sind gekommen, um uns unsere Regierung zurückzuholen."
Republikanische Parteistrategen fürchten zunehmend, dass die Spannungen zwischen der von Politikverdrossenheit getriebenen Basisbewegung und dem Partei-Establishment die Wahlchancen im November schmälern könnte. Erst vor wenigen Wochen hatte in Utah der republikanische Senator Bob Bennet bei einer parteiinternen Abstimmung gegen "Tea Party"-Kandidaten verloren.
Folgen für Finanzmarktreform
Bei der Vorwahl der Demokraten in Arkansas verweigerte die Parteibasis der langjährigen Senatorin Blanche Lincoln einen Sieg in der ersten Runde. Lincoln blieb unter den erforderlichen 50 Prozent und muss sich nun im Juni einer Stichwahl mit einem Kandidaten vom linken Parteiflügel stellen. Das dürfte Folgen haben: Experten halten es für unwahrscheinlich, dass Lincoln jetzt noch ihre umstrittenen Vorschläge für den billionenschweren amerikanischen Derivate-Markt als Teil der Finanzmarktreform durchsetzen kann. Umfragen zufolge dürfte sie bei der eigentlichen Wahl ohnehin gegen Republikaner verlieren.
Als ermutigend werteten Obamas Demokraten den Sieg ihres Kandidaten Mark Critz gegen einen republikanischen Gegner bei der Nachwahl für einen Sitz im Repräsentantenhaus in einem Wahlkreis in Pennsylvania. Die Republikaner hatten sich Hoffnungen gemacht, den Demokraten den Wahlkreis abzunehmen. Parteichef Tim Kaine wertete das Ergebnis als gutes Omen für die Kongresswahl im November, bei der der Partei bislang herbe Verluste prognostiziert werden.
Die Vorwahlen ziehen sich je nach Bundesstaat bis Oktober hin. In November wird das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Umfragen zufolge werden die Amerikaner mit Wut im Bauch zu den Urnen gehen. Sie werfen ihren Abgeordneten vor, nicht genug gegen die Wirtschaftskrise zu unternehmen.
Quelle: ntv.de, AFP/rts