"Nicht selbst einschränken" Generalinspekteur Breuer lehnt Losverfahren nach Musterung ab
03.11.2025, 00:21 Uhr Artikel anhören
Jedem Wehrdienstleistenden sollte die "Sinnhaftigkeit seines Dienstes" bewusst sein, sagte Breuer.
(Foto: picture alliance/dpa)
Generalinspekteur Carsten Breuer will den gesamten Jahrgang mustern. Erst nachzumustern, wenn es im Ernstfall darauf ankomme, würde zu lange dauern. Breuer warnt zudem vor Kollateralschäden beim Abschuss von Drohnen und schlägt eine andere Lösung vor.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hält eine Musterung aller jungen Männer für unabdingbar, um Deutschland verteidigungsfähig zu machen, sagte er im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Aus militärischer Sicht ist es entscheidend, dass jeweils der gesamte Jahrgang gemustert wird", stellte Deutschlands oberster Soldat klar. "Nur so wissen wir, wer zur Verfügung steht und auf wen wir im Verteidigungsfall, den wir verhindern wollen, zugreifen könnten. Das verschafft uns die personellen Reserven und die Flexibilität, die wir brauchen." Erst nachzumustern, wenn es darauf ankommt, würde in einer Krisensituation zu lange dauern, erklärte Breuer. "Wir sollten uns in unseren Handlungsmöglichkeiten nicht selbst einschränken."
Breuer sagte, dass heute niemand mit Gewissheit sagen könne, wie die Bedrohungslage in den nächsten Jahren aussehe. Deshalb sei "ein verlässliches Aufwuchspotenzial" unerlässlich, "also die Möglichkeit, unsere Truppen bei Bedarf schnell zu verstärken", erklärte der Generalinspekteur der Bundeswehr.
Die Möglichkeit eines Losverfahrens nach der Musterung mit dem Ziel, aus dem Pool der Tauglichen die erforderliche Zahl der Rekruten zu gewinnen, wenn sich freiwillig nicht genug melden, lehnte Breuer im RND-Interview ab: "Wir sollten uns in unseren Handlungsmöglichkeiten nicht selbst einschränken", sagte Breuer. "Ein Modell, wonach diejenigen zuerst einberufen werden, die besonders qualifiziert und motiviert sind, birgt für die militärische Ausbildung entscheidende Vorteile."
Zahl der aktiven Soldaten soll auf 260.000 wachsen
Jedem Wehrdienstleistenden sollte die "Sinnhaftigkeit seines Dienstes" bewusst sein. Die jungen Männer und Frauen sollten aus ihrer Ausbildung "positive Erfahrungen" mitnehmen und einen Wehrdienst absolvieren, der "sinnstiftend und attraktiv" sei.
Erst wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreiche und eine verpflichtende Einberufung durch Kabinett und Bundestag beschlossen werde, werde die Bundeswehr diejenigen heranziehen, die "besonders qualifiziert und motiviert" sind. Dabei orientiere sich die Bundeswehr am jeweiligen Bedarf, sagte Breuer. Dies treffe beispielsweise auch bei Berufen wie IT-Spezialisten zu.
Die Bundeswehr braucht nach eigenen Angaben 260.000 statt wie bisher 180.000 aktive Soldatinnen und Soldaten sowie 200.000 Reservisten, um den Anforderungen der Nato angesichts der russischen Bedrohung gerecht werden zu können.
"Zunahme von hybriden Angriffen"
Beim Eindringen von Drohnen in den deutschen Luftraum wolle Breuer möglichst auf einen Abschuss verzichten. Grund sei die Gefahr von Kollateralschäden. "Es geht darum, den Nutzen der Drohnen für den Gegner zu begrenzen und gleichzeitig unsere eigene Handlungsfähigkeit zu sichern", sagte er dem RND. "Das kann man zwar erreichen, indem man Drohnen abschießt - aber dabei entsteht ein Problem: Die getroffene Drohne stürzt ab, und auch die verschossene Munition fällt irgendwo zu Boden." Im Umfeld von Städten könne so größerer Schaden entstehen. Die Bundeswehr setze deswegen auf andere Techniken wie das elektronische Abbringen vom Kurs, die Übernahme oder das Einfangen mit Netzen.
Breuer verwies auf eine "Zunahme von hybriden Angriffen", zu denen er auch Luftraumverletzungen durch Drohnen zählte. "Das ist nicht mehr ganz Frieden. Aber es ist auch kein offener Krieg." Russland begreife Krieg als Kontinuum und denke nicht in den Kategorien von Frieden, Krise und Krieg, wie man sie hierzulande kenne. Er habe in seinen 40 Jahren als Soldat "noch keine Lage erlebt, die so gefährlich war wie die aktuelle Bedrohung durch Russland", sagte der Generalinspekteur.
Quelle: ntv.de, bho/rts