Affäre Bo Xilai Generationswechsel ist futsch
19.08.2012, 17:09 Uhr
Die Gesichter des chinesischen Polit-Thrillers: Bo Xilai (v.l.), Aston Martin und Gu Kailai.
(Foto: REUTERS)
Geht es bloß um einen Mordprozess oder steckt doch viel mehr dahinter? Das Verfahren gegen die Frau des geschassten chinesischen Polit-Stars Bo Xilai wirft jede Menge Fragen auf. Sicher ist: Der sorgfältig geplante Generationswechsel wurde empfindlich gestört.
Der Polit-Krimi um den gestürzten Spitzenpolitiker Bo Xilai und seine des Mordes angeklagte Frau Gu Kailai hätte für Chinas Führung zu kaum einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Eigentlich wollte die KP sich in Ruhe auf den im Herbst geplanten Parteitag vorbereiten und dort einen sanften Generationswechsel vollziehen. Bo Xilai spielte dabei eine wichtige Rolle: Der 63 Jahre alte "Prinzling" war einer der Favoriten, um in das höchste Machtgremium - den Ständigen Ausschuss des Politbüros - aufzurücken.
Die Affäre rund um den Giftmord an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood brachte Bo jedoch zu Fall und stürzte die chinesische Parteiführung in ihre schwerste Krise seit mehr als zwei Jahrzehnten. Welche Rolle hat Bo Xilai aber genau gespielt? Seit seiner Absetzung als Parteichef der Stadt Chongqing und seinem Ausschluss aus dem Politbüro schießen Spekulationen ins Kraut.
Bos Sturz war vor allem ein schwerer Schlag für die "neue Linke" in der Kommunistischen Partei. Wegen seiner "roten" Kampagne und seiner neo-maoistischen Linie war er zur Galionsfigur der linkskonservativen Kräfte geworden. Mit seiner Hilfe hofften sie, ihren Einfluss auszuweiten und sich gegen den marktorientierten Kurs der Reformer stemmen zu können. Nicht jedem in Peking gefiel das.
Die englischsprachige Zeitung "Global Times" schrieb, Bos Fall sei die Folge seines "überhöhten Drangs nach Einfluss". Seine guten Beziehungen zu anderen "Prinzlingen", wie die Kinder von Chinas Parteihelden genannt werden, und zu mehreren Generälen ließen Gerüchte aufkommen, um Bo habe sich eine linke Parteifraktion geformt, die nach mehr Macht strebe.
Kritiker warfen ihm vor, den geplanten Übergang an der Führungsspitze untergraben zu wollen. Vorgesehen ist, dass Vizepräsident Xi Jinping als neuer Staats- und Parteichef Hu Jintao beerbt und Vizepremier Li Keqiang Nachfolger von Regierungschef Wen Jiabao wird. Ungeachtet der Vorwürfe haben zahlreiche Parteimitglieder und auch gewöhnliche Bürger Bo öffentlich unterstützt - was zu Verwarnungen und sogar zu Festnahmen führte.
Gu Kailai: Schmutzige Geheimnisse
Im Giftmordprozess gegen Bos Frau Gu Kailai soll die 53-Jährige nach einem Bericht der "Washington Post" gesagt haben, die Staatsanwaltschaft habe "die Vorhänge ein klein wenig geöffnet, um schmutzige Geheimnisse zu lüften". Doch was genau sie damit gemeint hat, ist unklar. "Der hastige Prozess gegen Gu hat mehr Fragen denn Antworten gebracht", schrieb Menschenrechtsaktivist He Weifang. "Ist sie womöglich mit einer anderen Bedrohung konfrontiert worden, über die nicht gesprochen werden darf?"
Noch in diesem Monat soll auch dem früheren Polizeichef von Chongqing, Wang Lijun, der Prozess gemacht werden. Dieser war jahrelang Bos Verbündeter gewesen, hatte aber im Februar die Affäre ans Licht gebracht. Wang war damals kurzzeitig in das US-Konsulat der Stadt Chengdu geflohen und hatte dort von dem Mordverdacht gegen Bos Frau berichtet. Der Polizeichef habe Material vorgelegt, um eine sichere Ausreise in die USA auszuhandeln, hieß es. Er bekam aber kein Asyl und stellte sich anschließend der Polizei.
"Wang hat China davor bewahrt, einen ultralinken Kurs einzuschlagen", schrieb ein liberaler Kommentator in Peking. Sein Prozess werde zwar ein weiteres Kapitel schließen. Ohne eine Ankündigung darüber, was mit Bo geschehen solle, werde Chinas Öffentlichkeit aber nicht akzeptieren, dass der Skandal beendet sei. Bislang werden dem 63-Jährigen offiziell nur "ernste Disziplinarverstöße" vorgeworfen. Es heißt, er habe die Ermittlungen gegen seine Familie verhindern wollen. "Es dreht sich alles um einen internen Parteikonflikt. Mit dem Gesetz hat das nichts zu tun", ist der Soziologe Zhou Xiaozheng überzeugt.
Quelle: ntv.de, Bill Smith, dpa