Porträt Gerhard Stoltenberg
24.11.2001, 12:23 UhrGerhard Stoltenberg galt als kühler Rechner aus dem Süden. Seinen letzten viel beachteten öffentlichen Auftritt hatte der mehrfache Bundesminister und frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg (CDU) im Januar im Spenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Damals stellte er sich nicht als Minister oder Landesvater im Ruhestand vor, sondern als pensionierter Universitätsdozent.
Zuvor war es längere Zeit still um ihn geworden, nur im Oktober vergangenen Jahres stand er noch einmal im Rampenlicht. Bei der Festveranstaltung zum 50. Jahrestag der Gründung der Bundes-CDU trat er als Zeitzeuge auf und berichtete über den tiefen Eindruck, den Konrad Adenauer und Ludwig Erhard auf dem Gründungskongress bei ihm hinterließen. Am Freitag erlag Stoltenberg im Alter von 73 Jahren einem Krebsleiden.
Der 1928 in Kiel geborene Stoltenberg trat 1947 noch als Primaner in die CDU ein. Als Beweggrund nannte er ein frühes Interesse an Zeitgeschichte und seine christliche Erziehung und Prägung - sein Vater war Pastor. Schon 1954 wurde Stoltenberg Landtagsabgeordneter, 1957 zog er in den Bundestag ein, bereits 1965 wurde er zum ersten Mal Bundesminister, damals für Wissenschaft und Forschung. Von 1971 bis 1982 regierte er als Ministerpräsident sein Heimatland Schleswig-Holstein.
Mit der innenpolitischen Wende des Jahrs 1982 erreichte ihn der Ruf des neuen Bundeskanzlers Helmut Kohl ins Bonner Kabinett. In seiner neuen Position als Finanzminister profilierte das Nordlicht sich als kühler, klarer Rechner und erreichte Sympathiewerte, die die seines Chefs zeitweise in den Schatten stellten. Stoltenbergs heimatliche Machtbasis jedoch verfiel im Sog der Engholm-Barschel-Affäre in Schleswig-Holstein.
Der Schnellaufsteiger, der Mitte der 70er-Jahre noch als Aspirant auf die Kanzlerkandidatur der Union gegolten hatte, musste als Landesvorsitzender bei der Landtagswahl 1988 herbe Stimmenverluste hinnehmen und zog sich alsbald aus der Führung seines Landesverbandes zurück.
Auf der Bonner Bühne wechselte er 1989 vom Finanz- ins Verteidigungsressort, in dem er die Veränderung der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen durch die deutsche Einheit und den Zerfall des Warschauer Pakts bewältigen musste. Einen Schatten auf seine Leistungen warf 1992 das Bekanntwerden einer Lieferung von 15 Bundeswehrpanzern an die Türkei trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Haushaltsausschusses. Stoltenberg trat zurück und schied 1998 aus dem Bundestag aus.
Hans-Jürgen Moritz, Reuters
Quelle: ntv.de