Merkel, Gabriel und Seehofer müssen entscheiden Gesundheitsstreit wird zur Chefsache
19.11.2013, 00:42 Uhr
Die Gespräche zwischen den Gesundheitsexperten Jens Spahn (li.) und Karl Lauterbach sind gescheitert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Koalitionsgespräche sind vorerst geplatzt: SPD-Fachmann Lauterbach und Unionsexperte Spahn können sich nicht einigen, ob Bürger oder Firmen Milliardenkosten im Gesundheitssystem tragen sollen. Nun müssen die Parteichefs entscheiden.
Union und SPD sind in den Koalitionsverhandlungen mit der Suche nach einer Lösung in zentralen Finanzierungsfragen zur Kranken- und Pflegeversicherung gescheitert. Offene Themen müssten nun von den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) geklärt werden, wie die Verhandlungsführer Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) mitteilten.
"Uns ist in der Finanzierung nichts geglückt", sagte Lauterbach zu den gescheiterten Gesprächen der Facharbeitsgruppe. Das bislang erzielte Ergebnis könne die SPD ihren Mitgliedern zum Basis-Entscheid so nicht vorlegen. "Das ist kein Ergebnis, zu dem wir stehen können." "Wir müssen nicht liefern, damit Genossen glücklich sind, sondern wir müssen liefern, damit es dem Land gut geht", hielt Spahn mit Blick auf die Forderung der SPD dagegen, die Union müsse liefern.
Strittig ist, ob es weiter pauschale Zusatzbeiträge allein zulasten der Krankenversicherten geben soll. Lauterbach sagte, die SPD lehne dies ab, weil vielen Versicherten in drei Jahren 30-Euro-Aufschläge pro Monat drohten. Die SPD möchte die Zusatzbeiträge prozentual nach der Einkommenshöhe erheben, wodurch Geringverdiener weniger zahlen müssen als Gutverdiener.
Beschäftigte gegen Arbeitgeber
Spahn betonte dagegen, bei den pauschalen Zusatzbeiträgen handele es sich um ein wichtiges Wettbewerbsinstrument. Die Zusatzbeiträge können Kassen in Not von ihren Mitgliedern verlangen. Dies dürfte wieder verstärkt kommen: Aus den heutigen Milliardenreserven der Krankenversicherung droht bis 2017 ein zweistelliges Milliardenloch zu werden.
Strittig ist zudem, ob die Arbeitgeber wieder genauso stark wie Arbeitnehmer zur Finanzierung in der Krankenversicherung herangezogen werden sollen. Seit Juli 2005 müssen Beschäftigte einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent ihres beitragspflichtigen Brutto aus eigener Tasche zahlen. Arbeitnehmer führen 15,5 und Arbeitgeber 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens ab. Dieser Sonderbeitrag soll laut SPD entfallen.
Die Union will den Arbeitgeberbeitrag weiter gedeckelt lassen. "Steigende Gesundheitskosten dürfen nicht die Lohnnebenkosten in Deutschland erhöhen", sagte Spahn. "Die Rückkehr zur Parität wäre eine Belastung der Arbeitgeber von knapp fünf Milliarden Euro", warnte er.
Keine Bürgerversicherung in Sicht
Keine Lösung fanden die Unterhändler für Privatversicherte, die oft hohe Beiträge zahlen müssen. Anders als geplant wird es laut Spahn und Lauterbach keine erleichterte Mitnahme von Altersrückstellungen geben. Spahn meinte, an der privaten Krankenversicherung werde sich nach dem jetzigen Stand der Verhandlungen nichts ändern. Mehr Wechselmöglichkeiten wegen hoher Prämien im Alter etwa für Beamte seien nicht vorgesehen.
Allerdings soll der Investitionsfonds in Höhe von 500 Millionen Euro zum Umbau maroder Krankenhäuser zu Versorgungszentren oder Pflegeheimen nun doch kommen. Die Kliniken sollten daraus Geld erhalten, wenn sie dies beantragten, sagte Lauterbach. Die CSU hatte sich zuletzt gegen den Fonds gestemmt.
Pflegebeitrag wird steigen
Einig sind sich Union und SPD auch, dass es eine Pflegereform geben soll. Ziel ist es, mehr Pflegepersonal zu gewinnen und die Situation der Betroffenen zu verbessern. Der Beitragssatz soll dazu um bis zu 0,5 Prozentpunkte steigen. Wann und in welcher Höhe ist laut Spahn aber unklar. Der "Pflege-Bahr" soll bleiben: Bei Mindesteinsatz von 10 Euro für eine private Pflegezusatzversicherung fließen dabei derzeit 5 Euro vom Staat.
Die Union konnte sich derweil nicht mit ihrer Forderung nach einer Kapitalrücklage in der Pflege durchsetzen, in die ein Teil der Beitragseinnahmen fließen soll. Auf diese Weise will sie die Lasten für Beitragszahler in der Zukunft abmildern. Auch über diese Reserve soll nun auf höherer Ebene entschieden werden. Auch Merkel hat sich dafür ausgesprochen.
Quelle: ntv.de, hvg/rts/dpa