Strafanzeige gegen Deutschland "Gorch Fock"-Kapitän gefeuert
22.01.2011, 08:19 Uhr
Kapitän zur See, Norbert Schatz, wird eine Menge Fragen beantworten müssen.
(Foto: dpa)
Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg zieht Konsequenzen aus den Vorfällen auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock": Er ordnet die Abberufung des Kapitäns und die sofortige Rückkehr des Schiffes nach Deutschland an. Zudem stellt Guttenberg das Schicksal der "Gorch Fock" als "Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren" infrage.
Nach den Vorfällen um eine angebliche Meuterei auf der "Gorch Fock" hat Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Kapitän Norbert Schatz als Kommandant des Segelschulschiffs absetzen lassen. Das teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin mit. Außerdem ordnete Guttenberg die sofortige Rückkehr der "Gorch Fock" nach Deutschland an. Die Zukunft des Dreimasters stellte er infrage.
"Ich habe den Inspekteur der Marine angewiesen, den Kommandanten des Schiffes von der Führung des Schiffes zu entbinden", sagte Guttenberg der "Bild am Sonntag". Nach Rückkehr in den Heimathafen Kiel solle das Schiff auch bis auf weiteres nicht mehr auslaufen. Die "Gorch Fock" werde aus der Fahrbereitschaft genommen, "bis eine noch einzusetzende Kommission auch unter Mitwirkung von Abgeordneten des Deutschen Bundestags beurteilt hat, inwieweit die "Gorch Fock" als Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren Zukunft hat", sagte Guttenberg weiter.
Vorangegangen waren Berichte über Verfehlungen an Bord des Schulschiffs: So sollen Mitglieder der Stammbesatzung Kadetten drangsaliert haben. Vier Auszubildenden soll einem Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus zufolge Meuterei vorgeworfen worden sein. Im November war eine 25-jährige Offiziersanwärterin aus der Takelage in den Tod gestürzt. Gegen vier Kadetten steht der Vorwurf der Meuterei im Raum. Die trauernden Kameraden sollen gedrängt worden sein, wieder in die Masten zu klettern, obwohl sie das nach dem Unglück nicht mehr wollten. Außerdem soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.
Vorgänger Brühn übernimmt das Kommando
Nach ARD-Informationen wurde Kapitän Schatz telefonisch über seine Abberufung informiert. Die "Gorch Fock", die derzeit im Hafen von Ushuaia auf Feuerland liegt, werde voraussichtlich am 4. Februar auslaufen und auf direktem Weg nach Kiel zurückkehren. Das Kommando solle dann der Vorgänger von Schatz, Michael Brühn, haben. Brühn sei auch Mitglied der Untersuchungskommission, die am kommenden Donnerstag in Ushuaia an der Südspitze Argentiniens erwartet wird.
Grüne sprechen von "Mobbing auf See"
Kritik am Führungsstil bei der Bundeswehr kam von den Grünen. "Es ist geradezu verwegen, Offiziersanwärter der Meuterei zu bezichtigen, die sich nach einem tödlichen Unfall um die Sicherheit ihrer Kameradinnen und Kameraden sorgen. Wir brauchen Musterbeispiele für Innere Führung und nicht Mobbing auf See", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der "Passauer Neuen Presse".

Hat die "Gorch Fock" als "Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren" bald ausgedient?
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Der sicherheitspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Wenn es so sein sollte, dass der Kapitän seine Leute beim ersten Widerspruch mit dem Vorwurf der Meuterei konfrontiert hat, dann ist das ein Führungsstil, der nicht in eine moderne Marine des 21. Jahrhunderts passt."
Nach Informationen des "Hamburger Abendblatts" befinden sich weiterhin Segel-Anfänger an Bord der "Gorch Fock". Die Marine habe bestätigt, dass die 70 Offiziersanwärter, die beim Unfall der jungen Kadettin an Bord waren, durch 60 Soldaten ersetzt wurden. Viele von ihnen hätten erst im Oktober ihren Grundwehrdienst in Parow in Mecklenburg-Vorpommern angetreten. Der Wehrbeauftragte Königshaus reagierte überrascht auf den Vorgang. Er wolle prüfen, inwieweit die Ausbildung und Vorbereitung dieser jungen Soldaten für den Einsatz auf der "Gorch Fock" ausreichten, sagte er dem Blatt.
Klage gegen Deutschland eingereicht
Die Mutter der Offiziersanwärterin, die tödlich verunglückte, hat wegen fahrlässiger Tötung laut "Focus" Strafanzeige gegen die Bundesrepublik Deutschland erstattet. Die 25-Jährige war am 7. November beim Klettern in der Takelage aus 27 Metern Höhe auf das Deck des Segelschulschiffs gestürzt. Zwölf Stunden später erlag sie ihren Verletzungen.
Ihre Mutter erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehrführung. "Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb", klagte sie im "Focus". Sie vermute, dass die wahren Gründe für den Tod ihrer Tochter "vertuscht" worden seien.
CSU-Kritk an Königshaus

Der Wehrbeauftragte Königshaus wird von der CSU kritisiert, weil er die Missstände berkannt gemacht hat.
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Unterdessen kritisierten CSU-Politiker den Wehrbeauftragten Königshaus. Der FDP-Politiker hatte die angebliche Meuterei auf dem Schiff öffentlich gemacht. "Es ist wichtig, dass Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden. Aber es wird schwierig, wenn man Spekulationen Raum gibt, noch bevor alle Tatsachen ermittelt sind", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich den "Lübecker Nachrichten".
Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU): "Weder der Wehrbeauftragte noch das Verteidigungsministerium sind berechtigt, aus laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen Informationen zu veröffentlichen. Auch der Wehrbeauftragte hat eine Fürsorgepflicht gegenüber den Soldatinnen und Soldaten", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".
Kadettin wurde nicht gezwungen
Nach ZDF-Informationen haben die bisherigen Ermittlungen zu den Vorfällen auf der "Gorch Fock" keine Hinweise auf Fehlverhalten im Fall der verunglückten Kadettin ergeben. Der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sagte, die junge Frau sei nach bisherigem Stand der Ermittlungen keine Soldatin, die Druck benötigte, in die Takelage zu klettern. Das Gegenteil sei der Fall, so der Oberstaatsanwalt zum ZDF: "Sie war eine hochmotivierte Offiziersanwärterin und eine erfahrene Marinesoldatin."
Quelle: ntv.de, dpa