Politik

SPD plant bereits mit der CDU Grüne sauer auf Wowereit

Die rot-grünen Koalitionsgespräche in Berlin sind an drei Kilometern Autobahn gescheitert. Die Grünen sind sauer und sprechen von einer nachhaltigen Belastung für künftige rot-grüne Projekte. SPD-Chef Gabriel weist das zurück. Er rät den Grünen zu einem Umdenken bei Verkehrsprojekten. Die SPD plant bereits die kommenden Gespräche mit der CDU.

Berliner Grüne hätten die Autobahnverlängerung ihrer Basis mit abringen können.

Berliner Grüne hätten die Autobahnverlängerung ihrer Basis mit abringen können.

(Foto: dpa)

Nach dem Aus für Rot-Grün in Berlin attackieren sich SPD und Grüne mit gegenseitigen Vorwürfen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel rief die Grünen nach dem Abbruch der Berliner Koalitionsgespräche wegen des Streits über den Weiterbau der Autobahn 100 dazu auf, ihre Haltung zu Verkehrsprojekten zu überdenken. Grünen-Chef Cem Özdemir konterte: "Fortschritt bemisst sich für die Sozialdemokraten immer noch vor allem darin, möglichst viel Beton zu verbauen". Die SPD will nun mit der CDU über eine Koalition verhandeln. Die Gespräche sollen am kommenden Mittwoch beginnen, vereinbarten die Unterhändler beider Seiten.

Trotz der scharfen Töne sehen SPD und Grüne im Berliner Scheitern einen Einzelfall. Die Grünen machen dafür vor allem den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit von der SPD verantwortlich. Die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin, Bundestagsfraktionschefin Renate Künast, sprach aber auch von langfristigen Folgen für das rot-grüne Verhältnis. "Ich bin mir sicher, kein Grüner wird das der SPD vergessen", sagte sie der "Leipziger Volkszeitung".

"Keine Abnicker wie die Linkspartei"

Die Grünen warfen Wowereit zudem vor, eine Koalition mit ihnen nie gewollt zu haben. Parteichefin Claudia Roth sagte der "Frankfurter Rundschau", die Grünen hätten sich auch bei ihrem "Kernanliegen", dem Nein zum Autobahn-Ausbau, kompromissbereit gezeigt. Wowereit habe jedoch jede Verhandlung darüber abgelehnt. Der CO-Vorsitzende Cem Özdemir sagte den "Ruhr Nachrichten": "Wowereit fürchtet offenkundig um die Mehrheit in den eigenen Reihen." Die Grünen seien eben "keine Abnicker wie die Linkspartei", sondern selbstbewusst.

Müller und Wowereit werden ab kommender Woche mit der CDU verhandeln.

Müller und Wowereit werden ab kommender Woche mit der CDU verhandeln.

(Foto: dapd)

SPD-Landeschef Michael Müller kündigte derweil zügige Koalitionsgespräche mit der CDU an. Ziel sei es, bis Ende November oder Anfang Dezember den Regierenden Bürgermeister zu wählen. Am Mittwoch waren die rot-grünen Koalitionsgespräche schon in der ersten Runde an Meinungsverschiedenheiten zum Weiterbau der Stadtautobahn A100 gescheitert. SPD und CDU haben zusammen 86 der 149 Sitze im neuen Abgeordnetenhaus. SPD und Grüne hätten zusammen nur 76 Sitze gehabt, gerade einen mehr als die absolute Mehrheit von 75 Sitzen.

"Die Bundesebene ist die Bundesebene"

Seit zehn Jahren war Berlin von SPD und Linken regiert worden, doch diese Konstellation hatte bei den Senatswahlen im September keine Mehrheit mehr gefunden. Von 1991 bis 2001 hatten SPD und CDU unter umgekehrten Vorzeichen bereits miteinander in Berlin regiert - die SPD als Juniorpartner in dem vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) geführten Senat.

Die Stadtautobahn 100 endet derzeit an der Grenzallee.

Die Stadtautobahn 100 endet derzeit an der Grenzallee.

(Foto: dpa)

Wowereit bestritt, dass das Scheitern von Rot-Grün in Berlin Auswirkungen auf die Bundespolitik nach der Bundestagswahl 2013 habe. "Die Bundesebene ist die Bundesebene. Die Situation in Berlin ist eine ganz andere, das hat keine Auswirkungen auf Rot-Grün im Bund", sagte Wowereit. Selbstverständlich sei die SPD dafür, 2013 Schwarz-Gelb in der Bundesregierung abzulösen. "Rot-Grün wäre eine gute Grundlage dafür", sagte der 58-Jährige SPD-Bundesvize. Doch in Berlin hätten sich die Grünen als nicht regierungsfähig gezeigt. SPD-Chef Gabriel äußerte sich ähnlich. "Im Bund gibt es keinerlei Option, mit einer so in sich zerstrittenen CDU/CSU Politik machen zu wollen", sagte er. Die besondere Situation der Berliner Grünen werde sich auf Bundesebene nicht wiederholen.

Der Berliner CDU-Vorsitzende Frank Henkel hob sein gutes Verhältnis zu den Spitzenvertretern der Sozialdemokraten hervor. "Ich glaube, es wird von Anfang an wichtig sein, dass man partnerschaftlich und fair miteinander umgeht", sagte er dem RBB. Wichtig sei Vertrauen.

"Hier gibt es eine Konfliktlinie"

Gabriel forderte mit Blick auf die Bundesebene nach dem unlösbaren Streit um den rund drei Kilometer langen A100-Weiterbau von den Grünen ein Umdenken. Eine wirtschaftsfreundliche Infrastruktur sei die Grundlage des Wohlstands in Deutschland, dazu gehörten auch Autobahnen, Schienenwege, Stromtrassen und Pipelines, sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Es sei ein großer Irrtum der Grünen, wenn sie meinten, das alles sei im 21. Jahrhundert nicht mehr so wichtig. Özdemir wies dies im "Handelsblatt" zurück und sagte, die SPD sei bei der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik in den 70er Jahren stecken geblieben. Hier gebe es eine Konfliktlinie.

Die Bundes-SPD hatte mit Blick auf die Mehrheiten im Bundesrat und die Signalwirkung für die Bundestagswahl 2013 auf Rot-Grün in der Hauptstadt gehofft. Mit dem Erstarken der Piratenpartei wäre derzeit ohnehin eine rot-grüne Mehrheit bei einer Bundestagswahl gefährdet. In letzten Umfragen kamen SPD und Grüne zusammen auf 45 Prozent - immer noch elf Punkte mehr als die 34 Prozent von Schwarz-Gelb. Reicht es für Rot-Grün nicht, wäre die SPD in einer unangenehmen Situation, weil dann die große Koalition mit der Union die einzige Machtoption sein könnte - in Umfragen liegt die Union aber vor der SPD und könnte den Kanzler stellen.

Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Volker Beck, wertete die gescheiterten Koalitionsverhandlungen anders als Wowereit als Gefahr für den erhofften Regierungswechsel im Bund. "Das ist keine kluge Entscheidung im Hinblick auf die Ablösung von Schwarz-Gelb im Bund", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Auch schwänden die Chancen, über den Bundesrat aktiv Einfluss auf die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung zu nehmen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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