"Ausgerechnet unser Deutschland" Gurkenkrise bei Spaniens Bauern
29.05.2011, 17:24 UhrSpanische Bauern sind wütend auf Deutschland. Sie werfen deutschen Stellen vor, Landwirte in Spanien vorschnell mit dem EHEC-Erreger in Verbindung gebracht zu haben. Im Süden des Landes liegt der Gurken- und Tomatenanbau lahm. Die Produkte finden keine Abnehmer mehr.

Spanische Gurken sind in Deutschland momentan unverkäuflich. Im Ernteland werden sie nach wie vor gehandelt.
(Foto: REUTERS)
Gurken bleiben ungeerntet und vergammeln in den Gewächshäusern. Die Bauern in Südspanien werfen ganze Ladungen auf den Müll. Niemand will das Gemüse mehr kaufen, seit der Verdacht aufkam, Gurken aus den südspanischen Provinzen Almería und Málaga könnten die EHEC-Darminfektionen in Deutschland und anderen Ländern ausgelöst haben. Die spanischen Exporteure blieben allein in den ersten zwei Tagen nach dem "Gurken-Alarm" auf 200 Tonnen sitzen.
"Die Bestellungen aus Deutschland wurden praktisch zu 100 Prozent storniert", sagt Fulgencio Torres, Verbandspräsident der Obst- und Gemüseproduzenten in der südspanischen Region Andalusien. Auch Tomaten, Zucchini oder Melonen aus Südspanien finden in Deutschland, dem wichtigsten Abnehmerland, kaum noch Käufer. Eine ganze Wirtschaftsbranche liegt lahm. Fachkreise beziffern den Schaden nach Angaben des staatlichen Rundfunks RNE auf acht bis zehn Millionen Euro am Tag.
Lebensgrundlage entzogen
"Man hat für unsere Produkte praktisch die Grenzen geschlossen", beklagt der Landwirt Antonio García in der Gegend von Málaga. "Das gibt uns den Rest." Die spanischen Bauern sind wütend auf Deutschland. "Die Anschuldigungen der deutschen Behörden waren verantwortungslos, voreilig und wissenschaftlich unbegründet", meint Andrés Góngora vom Bauernverband COAG. "Man darf nicht mit dem Finger auf einen ganzen Sektor zeigen, von dem Tausende von Familien leben." Der Obst- und Gemüseanbau ist nicht nur ein Grundpfeiler der spanischen Exportwirtschaft, sondern bildet auch die Lebensgrundlage in Gegenden wie der Provinz Almería.
Wenn die spanischen Gurken wirklich der Ausgangspunkt der EHEC-Infektionen wären, hätte es längst auch Krankheitsfälle in Spanien geben müssen, argumentieren die Bauern. Aber nach Angaben der Regierung wurde in dem Land bisher kein einziger Fall gemeldet. "Deutschland hat im Schnellverfahren der andalusischen Landwirtschaft den Prozess gemacht", beklagt die Zeitung "El País". Das Lokalblatt "La Voz de Almería" meint: "Ausgerechnet unser geliebtes Deutschland, das beim Festival der Eurovision uns immer seine Stimmen gab, das unsere Gastarbeiter aufnahm und uns Touristen ins Land schickt, fügt einer abgelegenen spanischen Provinz schwere Schäden zu."
Der Ruf ist ruiniert

Gewächshäuser, soweit das Auge reicht: Ein "Plastikmeer" durchzieht die südspanische Provinz Almería.
(Foto: dpa)
Das Ausmaß ist nicht abzusehen. Wie auch immer die Analysen der Proben ausgehen, die in zwei südspanischen Agrarbetrieben genommen wurden: Es wird lange dauern, bis die Verbraucher das Vertrauen in spanische Produkte zurückgewonnen haben. Schon in der Vergangenheit waren immer wieder Berichte laut geworden, dass Paprika oder Erdbeeren aus Südspanien in bestimmten Fällen zum Beispiel zu hohe Werte an Pestiziden enthielten. Um das Image der Agrikultur zu verbessern, förderte Spanien die ökologische Landwirtschaft und erreichte, dass die Region Andalusien zu einem der Vorreiter wurde.
Nun wurde jedoch ausgerechnet der Öko-Betrieb Frunet Bio als eines von zwei spanischen Unternehmen genannt, aus denen nach Informationen deutscher Stellen EHEC-infizierte Gurken stammen sollen. "In 24 Stunden hat man die Arbeit von 15 Jahren zunichtegemacht", beklagt der Frunet-Geschäftsführer Antonio Labao. Er will, wenn die in seinem Betrieb vorgenommen Proben keinen EHEC-Befall ergeben, die deutschen Stellen auf Schadensersatz verklagen. Auch andere spanische Agrarbetriebe erwägen Klagen.
Quelle: ntv.de, AFP