"Ministerium hat falsch informiert" Guttenberg gerät unter Druck
21.01.2011, 09:04 Uhr
"Ich fühle mich gut informiert". Allerdings teilen nicht alle Bundestagsabgeordneten die Einschätzung Guttenbergs.
(Foto: dpa)
Die skandalösen Vorfälle bei der Bundeswehr bringen Guttenberg in Erklärungszwang. Nicht nur SPD und Grüne sind unzufrieden mit der Informationspolitik seines Ministeriums. Guttenberg weist die Vorwürfe zurück: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Der Bundeswehrbeauftragte Königshaus stellt trotzdem die Frage nach der Führungsverantwortung.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerät im Zusammenhang mit mehreren Vorfällen bei der Bundeswehr zunehmend unter Druck. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, sagte der "Berliner Zeitung", Guttenberg müsse sich im Fall des in Afghanistan erschossenen Soldaten nachsagen lassen, sein Ministerium unterrichte den Bundestag objektiv falsch. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Susanne Kastner, übte ebenfalls scharfe Kritik an der Informationspolitik des Verteidigungsministeriums. "Das Ministerium hat den Verteidigungsausschuss nicht nur falsch informiert, sondern verschleppt, und verschweigt immer wieder Informationen", sagte sie dem Blatt. Seit den Vorfällen in Afghanistan und dem Tod auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" hätte schon viel Aufklärungsarbeit geleistet werden können, ergänzte die SPD-Politikerin.
Guttenberg wies die Vorwürfe zurück. "Es wurde am Tag danach (...) die Öffentlichkeit korrekt unterrichtet", sagte der Minister der ARD. Bereits bei seinem Besuch mit Kanzlerin Angela Merkel vor Weihnachten in Afghanistan habe er darauf hingewiesen, dass der tödliche Schuss aus der Waffe eines Kameraden stamme. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Guttenberg hatte damals gesagt: "Selbstverständlich ist es auch eine Herzensfrage, diesen Kameraden, von dem das Unglück ausging, und seine Familie aufzufangen."
"Fühle mich gut informiert"
Auch die Kritik an seinem eigenen Wissensstand über Vorfälle bei der Bundeswehr wies der Minister zurück. "Ich fühle mich gut informiert", sagte Guttenberg. Er selbst kritisierte das "große Geschrei" und forderte stattdessen eine sachliche Debatte. Vor allem weil es sich hier um schwere Vorwürfe gegen einen 20-jährigen Soldaten handele.
Der Verteidigungsminister kündigte eine rückhaltlose Aufklärung an und schloss "harte Konsequenzen" für den Fall nicht aus, dass die Ermittlungen Verfehlungen nachweisen. Das gelte auch für den Zwischenfall auf der "Gorch Fock". Hier könne er sich zum Beispiel Veränderungen bei der Ausbildung der Kadetten vorstellen. Den Marinesoldaten wird nach dem Tod einer Kameradin Meuterei vorgeworfen
In der Affäre um die "Gorch Fock" sind nun Ermittler der Marine am Zug. Der Dreimaster liegt seit Donnerstagabend im argentinischen Hafen Ushuaia. Dort wartet die Besatzung auf die Ermittler. Guttenberg sicherte "rückhaltlose Aufklärung" zu.
CDU-Politiker murren
Eine 25-jährige Offiziersanwärterin war auf der "Gorch Fock" im vergangenen November aus der Takelage in den Tod gestürzt. Gegen vier Kadetten steht der Vorwurf der Meuterei im Raum. Die trauernden Kameraden sollen gedrängt worden sein, wieder in die Masten zu klettern, obwohl sie das nach dem Unglück nicht mehr wollten. Nach dem Tod der Frau hatten Besatzungsmitglieder Vorgesetzten Versagen vorgeworfen. Zudem sei das Vertrauen zwischen der Stammmannschaft und den Offiziersanwärtern gestört gewesen. Die Ermittler müssen Vorwürfen nachgehen, die Stammbesatzung habe Offiziersanwärter bedroht und sexuell belästigt.

Feldpost der Bundeswehr wurde geöffnet. Das soll aber nicht im Zusammenhang mit dem Tod eines Soldaten stehen, heißt es in einem Feldjägerbericht.
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Nicht nur die Opposition ist nach den beiden Vorfällen unzufrieden mit der Aufklärung Guttenbergs und seines Ressorts. Im Afghanistan-Fall beklagten sich neben den Grünen auch Abgeordnete der CDU im Verteidigungsausschuss des Parlaments über eine mangelhafte Informationspolitik des Ministeriums, wie die "Stuttgarter Zeitung" berichtet. Die Staatsanwaltschaft in Gera versucht derzeit die wahren Umstände des Todes zu klären und ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Nach einem internen Bundeswehrbericht, aus dem die "Bild"-Zeitung zitiert, starb der Hauptgefreite, weil ein Kamerad mit seiner Pistole vom Typ Heckler & Koch P8 gespielt haben soll.
Bericht spricht von Unfall
Wie die "Stuttgarter Zeitung" weiter berichtet, widersprechen Mitglieder des Ausschusses der Darstellung des Ministeriums, sie seien am 21. und am 27. Dezember über die wahren Umstände des Todes informiert worden. "Wir haben bis zum vorgestrigen Mittwoch nur die Information gehabt, ein Soldat sei durch einen Schuss verletzt worden und bei der Notoperation verstorben", zitierte die Zeitung Aussagen aus dem Ausschuss.
Nach den Informationen soll bereits am 27. Dezember ein Untersuchungsbericht der deutschen Militärpolizei vorgelegen haben. Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey habe noch am Mittwoch die Frage verneint, dass es einen solchen Bericht gebe. Der Feldjägerbericht geht davon aus, dass der Tod eines 21 Jahre alten Hauptgefreiten "aller Wahrscheinlichkeit" nach "ein Unfall" war. Nach den ersten Ermittlungen der Bundeswehr sei "vorsätzliches Handeln auszuschließen", berichtete die "Leipziger Volkszeitung".
Ein Zusammenhang mit dem jüngsten Post-Zwischenfall bei der Bundeswehr in Afghanistan sei, nach den ersten Untersuchungen beim Führungsstab der Bundeswehr, dem Zeitungsbericht zufolge aber "nahezu ausgeschlossen". Es hätten sich zehn Fälle von beschädigter oder fehlender Feldpost durch Aussagen betroffener Soldaten ergeben. Keiner dieser zehn Fälle stehe "im engeren Umfeld" zu den Soldaten, die bei dem tödlichen Zwischenfall dabei gewesen seien.
Königshaus stellt Führungsfrage
Der Bundeswehrbeauftragte Hellmut Königshaus wirft im Zusammenhang mit den verschiedenen Vorfällen die Frage über mögliches Führungsversagen auf. "Es muss überprüft werden, ob die Führung versagt hat", sagte Königshaus in der "Passauer Neuen Presse" und verlangte, dass die beteiligten Vorgesetzten angehört werden. Welche Informationen Guttenberg und der militärischen Führung wann vorgelegen haben, "das muss jetzt untersucht werden", sagte der FDP-Politiker.
Verteidigungsminister Guttenberg sieht dagegen kein generelles Versagen der Streitkräfte-Führung. "Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, so hätten wir es aller Wahrscheinlichkeit nach mit individuellem Fehlverhalten zu tun", sagte der CSU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Von eventuellen Einzelverfehlungen auf den größten Teil der Bundeswehr zu schließen, "wäre völlig ungerechtfertigt". Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sieht "kein Führungsproblem in der Bundeswehr". Er sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Es gibt Probleme mit dem Führungsverhalten in Teilbereichen." Er habe auch "nicht das Gefühl, dass etwas vertuscht wird".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP