Vor Parteitag in Hamburg Gysi arbeitet an Unterwerfung der Linken
15.02.2014, 09:15 Uhr
(Foto: imago/Reiner Zensen)
Seit es die Linke gibt, bekämpfen sich ihre Flügel. Um Regierungschancen zu wahren, wollen die Vorsitzenden für Ruhe sorgen. Die Partei macht aber weiter wie bisher. Vor allem Gregor Gysi demonstriert, wie viel Macht er hat.
Es gibt für die Linke viel zu gewinnen in diesem Jahr. Neben der Europawahl stehen elf Kommunalwahlen und drei Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern an. In Thüringen gibt es eine realistische Chance, dass Bodo Ramelow zum ersten Ministerpräsidenten aus der Linkspartei wird. Für die Partei wäre das eine enorme Chance, aus der Schmuddelecke herauszukommen und sich in der ersten Reihe der Politik zu beweisen. Die Linke würde damit auch auf Bundesebene so nah an eine Regierungsbeteiligung heranrücken wie noch nie.
Damit das klappt, braucht es vor allem eins: Ruhe. Die Parteivorsitzenden wagen im Moment keine großen Attacken, wollen Fehler vermeiden. Katja Kipping und Bernd Riexinger haben die letzten Wochen vor allem damit verbracht, eine zu radikal wirkende Formulierung aus dem Leitantrag für den anstehenden Parteitag in Hamburg zu eliminieren. In letzter Minute klappte es: Die EU wird nun nicht mehr als "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht" bezeichnet. Stattdessen heißt es nun, die EU habe "ihr Ziel, Frieden - auch sozialen - zu schaffen und zu erhalten, aus den Augen verloren". Die populistische Spitze wurde rundgeschliffen. Angestoßen hatte die Debatte Gregor Gysi, der die Linke gerne regierungsfähig ausrichten würde.
Wagenknecht wärmt Euro-Kritik auf
Sind die Spannungen durch den Kompromiss nun beseitigt? Mitnichten. Die Parteiflügel schaffen es einfach nicht, sich gegenseitig in Ruhe zu lassen. Die Anführerin des radikaleren Teils der Partei, Sahra Wagenknecht, nahm zwar hin, dass die Formulierung gestrichen wurde, steht aber weiterhin zu der scharfen Kritik. Ihr Lebensgefährte Oskar Lafontaine, der noch immer großen Einfluss hat, kritisierte die Änderung sogar generell.
Wagenknecht wärmte auch ihre Euro-Kritik auf, mit der sie auf dem Parteitag in Dresden gescheitert war. Im Interview mit "Zeit Online" plädierte sie auf ein neues Währungssystem anstelle des Euro. In den Anträgen zum Europawahlprogramm findet sich das bislang nicht wieder.
Gysi stellt sich gegen Listenvorschlag des Vorstandes
Von der pragmatischen Seite der Partei droht Ärger bei der Kandidatenaufstellung für die Europawahl. Der Bundesausschuss der Partei hatte eine Liste zusammengestellt, auf der von den ersten zehn Plätzen mehr aus dem Westen als aus dem Osten besetzt wurden. Fraktionschef Gysi hat aber andere Vorstellungen. Er unterstützt eine geheime Liste, auf der die ostdeutschen Pragmatiker mehr Gewicht bekommen, berichtet die "Welt". Eine Einigung im Vorfeld gelang nicht. Die Gysi-Freunde werden sich in Hamburg auch ohne den Segen der Parteiführung bewerben. Solche Kampfkandidaturen hatte der Bundesausschuss mit seinem Vorschlag eigentlich verhindern wollen.
Aus dem Osten bekommt die Linke mehr Wählerstimmen und hat mehr Mitglieder. Sie ist in den neuen Bundesländern an mehreren Landesregierungen beteiligt und macht eine pragmatische Politik. Die Verbände im Westen sind kämpferischer und stehen eher für eine Fundamentalopposition zu den anderen Parteien. Wenn die Linke 2017 eine Chance auf Ministerposten haben will, muss sich der pragmatische Osten durchsetzen. Der Zugriff auf ein Regierungsamt stünde zuerst Gregor Gysi zu.
Dass Gysis Liste gegen die West-Linken gute Chancen hat, zeigt eine Personalie aus dem Bundestag: Dort nominierten die Außenpolitiker der Fraktion Sevim Dagdelen mit 11 Ja-Stimmen und nur einer Gegenstimme zur Obfrau im Auswärtigen Ausschuss. Bei der entscheidenden Abstimmung mit der ganzen Fraktion trat dann aber auch Gysis Parteifreund Stefan Liebich an - und gewann.
Quelle: ntv.de