Scharfe Kritik an Luftschlägen Hamas: Israel bricht die Waffenruhe
04.08.2014, 13:18 Uhr
Palästinensische Frauen nach dem Beschuss durch die israelische Armee im Schati-Flüchtlingslager im Westen des Gazastreifens.
(Foto: dpa)
Die israelische Armee soll nach Angaben der Hamas die einseitig ausgerufene Feuerpause im Gazastreifen verletzt und ein Mädchen getötet haben. Doch auch sonst nimmt die Kritik an den Luftangriffen zu. Neue Snowden-Dokumente belasten derweil die USA.
Die Palästinenser werfen Israel vor, gegen die einseitig verkündete Waffenruhe im Gazastreifen verstoßen zu haben. Ein achtjähriges Mädchen sei beim Beschuss des Schati-Flüchtlingslagers am Mittelmeer getötet worden, teilte ein Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums mit. Auch das Lager Nuseirat sei beschossen worden. 30 Menschen seien bei dem Beschuss durch die israelische Luftwaffe verletzt worden.
Eine israelische Militärsprecherin teilte mit, man prüfe die Berichte. Abgesehen von dem Beschuss wurden keine weiteren Zwischenfälle bekannt. Eine von Israel einseitig erklärte siebenstündige Feuerpause war um 9.00 Uhr MESZ in Kraft getreten. Sie sollte es humanitären Helfern ermöglichen, Leichen und Verletzte zu bergen. Außerdem sollten Hilfslieferungen in das blockierte Palästinensergebiet gebracht werden.
Ausgenommen war nur der östliche Teil der im Süden des Gazastreifens gelegenen Stadt Rafah, wo israelische Bodentruppen weiter im Einsatz waren. Die radikalislamische Hamas hatte angekündigt, dass sie sich nicht an die von Israel verkündete Waffenruhe gebunden fühle. Der israelische Generalmajor Joav Mordechai warnte, jeder Verstoß gegen die Waffenruhe werde sofort Konsequenzen nach sich ziehen. Gleichzeitig zog Israel die meisten Soldaten aus dem Gazastreifen ab. Sie hätten Stellungen in grenznahen Aufmarschräumen in Israel bezogen, hieß es in Medienberichten.
Scharfe Kritik an Luftangriffen
Bis kurz vor der Waffenruhe hatte Israel Ziele im südlichen Gazastreifen angegriffen. Dabei gab es nach palästinensischen Berichten mehrere Tote. Auch ein ranghoher Kommandeur der militanten Organisation Islamischer Dschihad soll getötet worden sein. Beim Beschuss einer UN-Schule nahe Rafah wurden am Sonntag zehn Menschen getötet. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die USA kritisierten scharf den neuerlichen Beschuss einer UN-Einrichtung. Israels Militär räumte ein, ein Ziel nahe einer UN-Schule im Gazastreifen beschossen zu haben.
Großbritanniens Premierminister David Cameron schloss sich der Kritik von Ban an, der den Angriff als moralisch verwerflich und als "Verbrechen" verurteilt hatte. "Die UNO hat sich sehr deutlich geäußert und ich denke, sie hat Recht", sagte Cameron der BBC. Angriffe auf Zivilisten seien in jedem Fall "vollkommen falsch und illegal".
Auch Frankreichs Außenminister Laurent Fabius verurteilte die israelischen Angriffe mit ungewöhnlich scharfen Worten. Das Recht Israels auf Sicherheit "rechtfertigt nicht, dass man Kinder tötet und Zivilisten massakriert", erklärte Fabius in Paris. Die internationale Gemeinschaft müsse eine politische Lösung des Konflikts durchsetzen, forderte er: "Wie viele Tote braucht es noch, bis das aufhört, was man wohl das Blutbad von Gaza nennen muss?" Zwar habe die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas einen "überwältigenden" Anteil an der gewaltsamen Entwicklung im Nahen Osten, erklärte Fabius. Doch dies rechtfertige nicht das israelische Vorgehen.
Bisher kamen im Gaza-Krieg nach palästinensischen Angaben 1830 Palästinenser ums Leben, mehr als 9500 wurden verletzt. Auf israelischer Seite starben 64 Soldaten und drei Zivilisten. Die Vereinten Nationen warnten vor einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen. Die Zerstörung des einzigen Elektrizitätswerks in der Küsten-Enklave und der Mangel an sauberem Wasser verschärften die Flüchtlingssituation dramatisch. Mehr als 254.000 der 1,8 Millionen Palästinenser hätten Zuflucht in einer der 90 UN-Unterkünfte gesucht.
Greenwald wirft USA Beteiligung am Gaza-Krieg vor
Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman sprach sich derweil für eine mögliche Übergabe der Verwaltung im Gazastreifen an die Vereinten Nationen aus. "Jeder fragt, was soll passieren, wenn die Offensive endet?", sagte Lieberman nach Angaben der Zeitung "Haaretz". "Es gibt einige Optionen. Eine internationale Kontrolle von Gaza, durch die UN, sollte sicherlich in Erwägung gezogen werden." Für eine solche Regelung sei nur die Zustimmung Israels und der gemäßigten Palästinenserbehörde von Präsident Mahmud Abbas notwendig. Zuvor hatte Lieberman sich für eine Wiedereroberung des 2005 geräumten Palästinensergebiets am Mittelmeer durch die israelische Armee ausgesprochen.
Der Journalist Glenn Greenwald beschuldigte unterdessen die US-Regierung und ihre Verbündeten, sind direkt an Angriffen Israels in Nahost - wie aktuell in Gaza - zu beteiligen. Unterlagen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden zeigten, dass der US-Geheimdienst NSA sein israelisches Pendant Unit 8200 seit Jahren verstärkt unterstütze, unter anderem bei der Überwachung und Zielerfassung von Palästinensern, schrieb Greenwald auf dem Onlineportal "The Intercept".
"Die neuen Snowden-Dokumente machen eine entscheidende Tatsache deutlich: Die israelische Aggression wäre nicht möglich ohne die konstante, großzügige Unterstützung und den Schutz der US-Regierung, die bei diesen Angriffen alles andere als eine neutrale, friedensvermittelnde Partei ist", schreibt Greenwald. Weder die NSA noch das GHCQ wollten sich auf Anfrage des Journalisten zu ihrer Zusammenarbeit mit Israel äußern.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP