DGB-Chef ist Neuling in Berlin Hoffmann steht für leise Töne
12.05.2014, 16:53 Uhr
Er ist der neue Boss des DGB, doch in Berlin ist der Mann aus Nordrhein-Westfalen noch ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Reiner Hoffmann folgt auf Michael Sommer - und trotz dessen guter Bilanz liegen schwierige Aufgaben vor ihm.
Eine Überraschung war die Wahl von Reiner Hoffmann zum neuen Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wahrlich nicht. Bereits gut ein Jahr vor dem Bundeskongress hatten die Vorsitzenden der acht DGB-Einzelgewerkschaften die Köpfe zusammengesteckt und den 58-jährigen Hoffmann einmütig zum Nachfolger des vier Jahre älteren Michael Sommer an der DGB-Spitze ausgeguckt. Gleichwohl wurde versucht, die Personalie monatelang wie ein Staatsgeheimnis zu hüten. Bei der offiziellen Hoffmann-Wahl war dann aber im neuen Berliner Messe-Kongress-Center doch noch ein bisschen Aufregung zu spüren.
Als sich der neue DGB-Chef bei den rund 400 Delegierten für den großen Vertrauensbeweis von 93,1 Prozent bedanken wollte, fand er das Mikrofon nicht. Sein Satz: "Ja, ich nehme die Wahl an" ging im Beifall und Saal-Gemurmel völlig unter. Vor seiner Kür hatte sich Hoffmann bereits seit Anfang Februar als einfaches Mitglied des DGB-Bundesvorstandes warm laufen können - eine Lehrzeit, die der frühere nordrhein-westfälische Bezirksleiter der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) als überaus hilfreich empfand.
Hoffmann, bislang vor allem auf europäischer Gewerkschaftsebene in Brüssel aktiv und in Berlin ein absoluter Neuling, nutzte die Monate, um politische Kontakte zu Parteien wie Arbeitgebern zu knüpfen. Seinem beim Abschied sichtlich gerührten Amtsvorgänger Sommer versprach Hoffmann, begonnene Arbeiten fortzuführen - aber auch Neues auf die Agenda zu setzen.
Mehr Mitbestimmung im Mittelstand
Zehn Jahre hatte Sommer für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gekämpft. Das nächste DGB-Kampagnen-Ziel wirft bereits Schatten voraus: Die Ausdehnung der Mitbestimmung auch auf mittelständische und kleinere Unternehmen. An der DGB-Spitze hat Hoffmann die häufig sehr unterschiedlichen Interessen der acht Einzelgewerkschaften zu bündeln und diese als politisches Sprachrohr gegenüber Regierung und Öffentlichkeit zu vertreten und durchzusetzen. Hoffmann, eigentlich ein Pragmatiker und Freund der leisen Worte, hat aber auch schon öffentlich deutlich gemacht, dass er durchaus eigene Akzente setzen will - und nicht immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner im Gewerkschaftslager im Blick hat.
Politisch verspüren die Gewerkschaften derzeit mehr Rücken- als Gegenwind. Die jüngsten Tarifabschlüsse brachten durchweg reale Lohnsteigerungen. Der Mindestlohn ist so gut wie unter Dach und Fach - auch wenn der DGB noch mit den Ausnahmeregelungen hadert. Mit der abschlagfreien Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren werden - so Ex-DGB-Chef Sommer - "wenigstens die schlimmsten Auswüchse der Rente mit 67 und der Agenda-Politik von Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder gelindert".
Leiharbeit und Werkverträge
Andere wichtige DGB-Anliegen, wie die Eindämmung von Leiharbeit und Werkverträgen, sind allerdings noch längst nicht so sicher. Allerdings lassen die Koalitionäre Union und SPD auch hier Bewegung erkennen.
Hoffmann wird zugetraut, große Fußstapfen auszufüllen und dabei auch den Rahmen auszuschöpfen, den sein Vorgänger Sommer in seiner zwölfjährigen Amtszeit vorgegeben hat. Nur der frühere DGB-Chef Heinz-Oskar Vetter brachte es mit 13 Jahren auf eine längere Amtszeit in der Gewerkschaftsgeschichte. Der Neue an der DGB-Spitze kann vor allem auf den Rückhalt der beiden großen Einzelgewerkschaften bauen, der kämpferischen IG Metall und der links orientierten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Das gute Stimmerergebnis für das SPD-Mitglied Hoffmann wie auch das seiner DGB-Stellvertreterin Elke Hannak (88,1 Prozent), die der CDU angehört, gelten nicht nur als Vertrauensvorschuss. Sie sind als Beleg zu werten, dass die acht DGB-Gewerkschaften in schwieriger Zeit enger zusammenrücken und stärker als in früheren Jahren den Charakter der "Einheitsgewerkschaft" demonstrieren. Hoffmann macht deutlich: "Wir haben sicherlich Unterschiede im Detail. Aber richtige Kontroversen gibt es nicht."
Quelle: ntv.de, Karl-Heinz Reith und Günther Voss, dpa