Vandalismus und Vernachlässigung Holocaustgräber gefährdet
20.01.2010, 17:12 UhrMehr als sechs Jahrzehnte nach dem Holocaust sind in Osteuropa Massengräber und Friedhöfe der Opfer durch Vandalismus und Vernachlässigung bedroht. Wie die jüdisch-amerikanische Organisation American Jewish Committee in Berlin erklärte, müssten die letzten lebenden Zeitzeugen dringend über die Lage noch unbekannter Ruhestätten vor allem in der Ukraine und Weißrussland befragt werden. Eine internationale Initiative, an der sich der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge beteiligen möchte, will nach unbekannten Gräbern suchen und offene Stätten versiegeln.

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnert an die von den Nationalsozialisten ermordeten Juden in Europa.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Initiative stützt sich auf die Arbeit des französischen Priesters Patrick Desbois, der in den vergangenen Jahren tausende Gräber entdeckt hat. Der von der katholischen Kirche Frankreichs und dem Jüdischen Weltkongress gegründete Verein Yahad-In-Unum hat mehr als 1500 Zeitzeugen befragt sowie 850 Vernichtungsstätten von Juden, Sinti, Roma und anderen Opfern deutscher Erschießungskommandos gefunden.
Immer wieder geplündert
"Wir befragen vor allem Menschen, die als Kinder und Jugendliche die Erschießungen selber beobachtet haben", sagte Desbois in Berlin. "Im Gegensatz zum Westen Europas war der Holocaust im Osten eine öffentliche Sache." Von 1941 bis 1944 ermordeten die Nazis und ihre Helfer allein im Gebiet der Ukraine 1,5 Millionen Juden. "Es gab einen Wettlauf, welches Dorf oder Stadt am schnellsten 'judenfrei' ist", sagte Desbois.
Besonders dramatisch ist die Lage vieler der rund 10.000 bekannten Gräber, die immer wieder von Räubern geplündert werden. Volksbund-Präsident Reinhard Führer zeigte sich offen für eine Unterstützung der Initiative. Dafür müsste die Bundesregierung aber die Ziele seiner Organisation über die Sorge für deutsche Soldatengräber hinaus auf die Opfer ausweiten. Auch die Ukraine habe sich über ihren Botschafter in Berlin zur Zusammenarbeit bereiterklärt, sagte der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer.
Zeichen gegen die Holocaust-Leugnung
"Wir müssen unseren Nachkommen deutlich machen, dass es in Osteuropa vor dem Holocaust ein reges jüdisches Leben gab", sagte Philip Carmel, Direktor der Stiftung Lo Tishkach. Die von der Jewish Claims Conference gegründete Organisation kümmert sich um Pflege und Erhalt jüdischer Friedhöfe und die Bestattung der Opfer nach jüdischem Ritus. Sichtbare Gräber seien das beste Zeichen gegen die Holocaust-Leugnung. Viele Gräber müssten allerdings noch versiegelt werden, sagte Carmel - und zwar mit Zement. Grabplatten aus Metall würden immer wieder gestohlen.
Quelle: ntv.de, dpa